OGH 1Ob112/22k

OGH1Ob112/22k22.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. HR Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1. G* P*, Frankreich, 2. H* P*, Frankreich, 3. D* O*, Frankreich, und 4. C* P*, alle vertreten durch Dr. Andreas Weinzierl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. W* GmbH & Co KG, *, und 2. A* G*, beide vertreten durch Dr. Ralph Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 34.586,70 EUR sA, hier wegen Ablehnung, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 20. April 2022, GZ 13 R 61/21t‑8, mit dem deren Anträge vom 7. März 2022 zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00112.22K.0622.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Rekurses endgültig selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagten lehnten den Erstrichter wiederholt wegen Befangenheit ab. Der Ablehnungssenat des erstinstanzlichen Landesgerichts wies auch ihren zuletzt gestellten „Ablehnungsantrag“ zurück, wogegen sie Rekurs an das übergeordnete Oberlandesgericht erhoben und den Rekurssenat – zunächst ohne namentliche Nennung seiner Mitglieder und in weiterer Folge unter Nennung ihrer Namen – unter der (aufschiebenden) „Bedingung“ ablehnten, dass eine den erstinstanzlichen Beschluss bestätigende Rekursentscheidung in schriftlicher Abfassung vorliegt, die aber noch nicht zur Ausfertigung an die Geschäftsstelle abgegeben wurde. Als Grund für die Ablehnung der Mitglieder des Rekurssenats behaupteten die Beklagten, dass eine Entscheidung dieses Senats, mit der ihrem – im Verfahren über die Ablehnung des Erstrichters erhobenen – Rekurs nicht Folge gegeben würde, nur auf einer groben Verkennung der Rechtslage bzw auf einer solchen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens beruhen könne. Diese beiden gegen die Mitglieder des Rekurssenats gerichteten „Ablehnungsanträge“ wurden jeweils rechtskräftig zurückgewiesen (vgl 1 Ob 138/21g sowie 1 Ob 231/21h).

[2] Nunmehr beantragen die Beklagten, das Rekursgericht im Ablehnungsverfahren möge ihnen

a) „den Beginn eines näher beschriebenen Zeitfensters [Zeitraum zwischen 'erstmaligem Vorliegen einer schriftlich abgefassten Rekursentscheidung und deren Abgabe zur Ausfertigung an die Geschäftsstelle'] mitteilen, sobald dieser feststeht,

b) mitteilen, innerhalb welcher (aussichtsreich lange bemessenen) Frist der beigeschlossene, bereits fertiggestellte unbedingte Ablehnungsantrag eingebracht werden muss, damit er noch rechtzeitig innerhalb des Zeitfensters einlangt,

c) sollte beabsichtigt sein, dass die Entscheidung des Rekurssenats in einer Sitzung des Rekurssenats getroffen werden soll, ihnen den Zeitpunkt dieser nichtöffentlichen Sitzung bekanntzugeben; sowie

d) den den Anträgen beigeschlossenen Ablehnungsantrag sogleich am Beginn des oben beschriebenen Zeitfensters zum Akt zu nehmen und ihn als solchen der gesetzmäßigen Behandlung zuzuführen.“

[3] Das Rekursgericht wies die Anträge zurück, weil für diese keine gesetzliche Grundlage bestehe.

[4] Der dagegen erhobene Rekurs der Beklagten ist gemäß § 514 Abs 1 ZPO zulässig, weil der Oberste Gerichtshof funktionell als zweite Instanz angerufen wird. Er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Das von den Beklagten im Ablehnungsverfahren angerufene Rekursgericht ging zu Recht davon aus, dass für die von ihnen erhobenen Anträge keine gesetzliche Grundlage besteht. Gegen deren Beurteilung als unzulässig vermögen die Beklagten auch in ihrem Rechtsmittel keine überzeugenden Argumente vorzubringen. Dass die von ihnen gestellten Anträge in der ZPO nicht vorgesehen sind, vermag deren Zulässigkeit – auch im Hinblick auf den allgemeinen Grundsatz der Gesetzesbindung der Gerichtsbarkeit (vgl etwa 7 Ob 139/20x Pkt II.2.1 mwN) – gerade nicht zu begründen. Aus § 182 ZPO betreffend die richterliche Anleitungspflicht lässt sich keine taugliche Grundlage für die behaupteten prozessualen Rechte der Beklagten ableiten. Die im Rekurs ebenfalls ins Treffen geführte Bestimmung des § 55 Geo regelt in ihren Abs 1 bis 3 Auskunftsersuchen des Gerichts. Nach deren Abs 4 sind Auskünfte des Gerichts an die Parteien „über den Stand ihrer Sachen“ „womöglich“ von der Geschäftsstelle zu erteilen. Solche auf dem Recht auf Akteneinsicht beruhenden (vgl Danzl, Geo.9 § 55 Rz 24) Auskünfte über den (gegenwärtigen) „Stand der Sache“ wurden hier aber nicht begehrt. Warum die nur für das bezirksgerichtliche Verfahren geltenden Bestimmungen der §§ 432, 435 ZPO über die Manuduktionspflicht bzw die Bestimmung des § 39 Abs 2 Z 1 ASGG über die richterliche Anleitungs- und Belehrungspflicht im arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren für die Beurteilung des vorliegenden Falls eine Rolle spielen sollten, ist nicht nachvollziehbar.

[6] 2. Mit ihrem Argument, die Richter des im Ablehnungsverfahren angerufenen Rekursgerichts könnten ohne beantragte Bekanntgabe des Zeitpunkts, zu dem sie den Beschluss über ihr Rechtsmittel wirksam gefasst haben, sie an diesen aber (gemäß § 416 Abs 2 ZPO) noch nicht gebunden sind, wegen einer diesem Beschluss (allenfalls) zugrundeliegenden unvertretbar unrichtigen Rechtsansicht nicht mehr abgelehnt werden (weil das Ablehnungsverfahren mit der Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz gemäß § 24 Abs 2 JN rechtskräftig beendet sei), was gegen Art 13 EMRK verstoße, sind sie auf die Begründung der zu 1 Ob 138/21g sowie 1 Ob 231/21h ergangenen jeweils die Beklagten betreffenden Entscheidungen zu verweisen. Im Übrigen ist nicht verständlich, inwieweit ein „wirksam gefasster“ Beschluss vorliegen sollte, wenn der Senat daran noch nicht gebunden ist und davon wieder abgehen kann.

[7] Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 40 Abs 1 ZPO.

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