European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00029.22M.0607.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (1./) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er
1. am 11. Juli 2020 in L* * H* eine an sich schwere Körperverletzung mit länger als 24 Tage dauernder Gesundheitsschädigung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt, indem er mit einer Glasflasche in der Hand gegen die linke Kopfhälfte des Opfers schlug, sodass die Glasflasche zerbrach, wodurch dieses zu Boden ging und multiple Schnittverletzungen im Gesicht, eine spritzend blutende Schnittwunde am rechten Handrücken sowie eine Schnittverletzung im linken Schulterblattbereich erlitt, wobei die Tat eine schwere Dauerfolge (§ 85 StGB), nämlich eine auffallende Verunstaltung in Form einer langen, auffallenden Narbe im Bereich der linken Gesichtshälfte und am Nasenrücken zur Folge hatte,
2. am 13. Juni 2021 in G* den * B* am Körper verletzt, indem er ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, wodurch dieser eine Prellung der Oberlippe sowie einen Riss des Lippenbändchens erlitt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – nicht berechtigt.
[4] Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) bezieht sich zu Punkt 1./ des Schuldspruchs auf die Negativfeststellung im angefochtenen Urteil betreffend das Vorliegen einer Notwehrsituation (US 4) und verweist auf eine vom Angeklagten in der Hauptverhandlung vorgelegte Bestätigung der ÖGK, wonach er am 14. Juli 2020 eine neue E‑Card bestellt habe. Entgegen dem Beschwerdevorbringen haben die Tatrichter bei der Beweiswürdigung diese Bestätigung sehr wohl berücksichtigt (US 5). Dass sie daraus nicht die vom Rechtsmittelwerber gewünschte Schlussfolgerung gezogen haben, nämlich dass er sich lediglich gegen einen Angriff des * H* und weiterer Personen, die ihm seine Geldbörse weggenommen hätten, zur Wehr setzen wollte, ist als Ausfluss freier Beweiswürdigung mit Mängelrüge nicht bekämpfbar.
[5] Abgesehen von dem – hier nicht relevanten – Fall der Aufklärungsrüge ist eine Tatsachenrüge (Z 5a) nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie anhand konkreten Verweises auf in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweismaterial (§ 258 Abs 1 StPO) bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatricherlichen Beweiswürdigung darlegt, welches von ihr angesprochene Verfahrensergebnis aus welchem Grund erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit welcher Feststellungen über entscheidende Tatsachen wecken soll (RIS‑Justiz RS0117446, RS0117749, RS0118780).
[6] An diesen Kriterien orientiert sich die Tatsachenrüge nicht, indem sie vorbringt
‑ die Tatrichter hätten sich nicht mit der erwähnten Bestätigung der ÖGK auseinandergesetzt,
‑ offenbar aus schlechtem Gewissen oder Angst vor der Polizei sei * H* von seinen Freunden vor dem Krankenhaus abgelegt worden und habe dieser keine polizeiliche Anzeige erstattet,
‑ die Ausführungen des Sachverständigen, die Version des Angeklagten, beim Schlag am Boden gelegen zu sein, passe aus gerichtsmedizinischer Hinsicht nicht zur Verletzung des Opfers, wäre nicht nachvollziehbar,
‑ der Angeklagte hätte bei seiner polizeilichen Vernehmung die deutsche Sprache schlechter beherrscht als bei seiner erst ein Jahr später erfolgten Vernehmung in der Hauptverhandlung,
‑ es sei absolut nicht nachvollziehbar, warum nach Ansicht des Erstgerichts die Zeugen Mi* und Ma* nichts zur Wahrheitsfindung beitragen konnten (vgl jedoch US 6 ff).
[7] Indem der Angeklagte ausführt, das Erstgericht hätte zumindest im Zweifel annehmen müssen, dass der Angeklagte in Notwehr gehandelt habe, verkennt er, dass eine negative Beweisregel, welche das Erstgericht verpflichten würde, von mehreren möglichen Versionen die für den Angeklagten günstigere zu wählen, aus Z 5a nicht abgeleitet werden kann (RIS‑Justiz RS0098336 [T2]).
[8] Die Diversionsrüge (Z 10a) verfehlt die Anfechtungskriterien des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0124801, RS0119091). Angesichts der herzustellenden Relation der vorliegenden Straftaten zu jenen, die insgesamt im Einzugsbereich der Diversion liegen, signalisiert bereits die Tatbestandsverwirklichung einer mit Freiheitsstrafe von einem bis zu 15 Jahren bedrohten Straftat eines jungen Erwachsenen (§ 19 Abs 4 Z 1 JGG) eine überaus hohe kriminelle Energie (RIS‑Justiz RS0128235 [T1]). Weshalb aber ausgehend davon die Schuld des Angeklagten nicht als schwer (§ 32 StGB) anzusehen wäre (§ 7 Abs 2 Z 1 iVm § 19 Abs 2 JGG), erklärt der Rechtsmittelwerber nicht.
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
[10] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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