OGH 3Ob36/22y

OGH3Ob36/22y19.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei k* GmbH, *, vertreten durch Harisch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch Dr. Hans Georg Mayer, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 16.070,30 EUR sA und Räumung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgerichtvom 24. November 2021, GZ 3 R 139/21g‑14, womit das Urteil des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 21. Juli 2021, GZ 6 C 3/21i‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00036.22Y.0519.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.197,80 EUR (hierin enthalten 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist Alleineigentümerin dreier Liegenschaften, auf denen sich ein von ihr betriebenes Fachmarktzentrum mit mehreren Geschäftseinheiten samt Außenanlagen und Infrastruktureinrichtungen befindet.

[2] Die Beklagte nahm mit Mietvertrag vom 7. März 2018 von der Klägerin eine in diesem Fachmarktzentrum gelegene Geschäftsräumlichkeit zum Betrieb als „Bäckerei‑Cafe“ in Bestand. Sie betreibt insgesamt zwölf Bäckerei‑ und Bäckerei-Cafe-Filialen in unterschiedlichen Städten Kärntens; diese werden teilweise als reine Bäckereifilialen (ohne Sitzmöglichkeiten zur Konsumation von Speisen) und teilweise mit nahezu reinem Kaffeehausbetrieb betrieben. Zu letzteren zählt auch das Objekt im Fachmarktzentrum der Klägerin. Dort werden etwa 90 % der Umsätze über den Kaffeehausbetrieb und nur rund 10 % durch den Verkauf von Backwaren über den Thekenbereich erzielt.

[3] Der frühere Geschäftsführer der Klägerin trat im Frühjahr 2018 an die Geschäftsführerin der Beklagten mit der Frage heran, ob sie nicht das damals leerstehende Geschäftslokal zum Betrieb eines Kaffeehauses für die Besucher des Fachmarktzentrums mieten wolle. Die Filiale sollte als Bäckerei‑Cafe betrieben werden, wobei über den konkreten Bäckereiverkauf zwischen den Streitteilen nicht detailliert gesprochen wurde. Bei Vertragsabschluss war allen Beteiligten klar, dass eine reine Bäckerei bzw eine überwiegend auf Bäckereiverkauf ausgerichtete Filiale aufgrund des Standorts im Fachmarktzentrum im reinen Gewerbegebiet wirtschaftlich nicht überlebensfähig gewesen wäre. Es war den Parteien daher vollkommen bewusst, dass das Bestandverhältnis primär auf den Betrieb eines Kaffeehauses abstellt, wenngleich anlässlich des Mietvertragsabschlusses auch der Verkauf von Backwaren angesprochen wurde.

[4] Im Mietvertrag wurde unter anderem eine Betriebspflicht der Mieterin und für den Fall eines Verstoßes die Verpflichtung der Mieterin zur Leistung einer Konventionalstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsmieten vereinbart.

[5] Auf der Grundlage des § 1 COVID‑19‑Maßnahmen-gesetzes (BGBl I 2020/12) wurde mit mehreren Verordnungen des Gesundheitsministers das Betreten (ua) von Gastronomielokalen von 16. März bis 14. Mai 2020 und von 3. November 2020 bis 19. Mai 2021 untersagt. Während sämtlicher „Lockdowns“ war das Betreten des Kundenbereichs (ua) von Betriebsstätten des Lebensmittelhandels gestattet.

[6] Die Beklagte schloss ihre Filiale im Fachmarktzentrum der Klägerin im Zeitraum von 17. März bis einschließlich 14. Mai 2020 zur Gänze. Hintergrund dieser Entscheidung war der Umstand, dass sie die Filiale als Gastronomiebetriebsstätte ansah und daher davon ausging, dass das Öffnen untersagt sei. Der Weiterbetrieb als bloße Bäckereifiliale kam für sie nicht in Frage, weil der Betrieb auf einem einheitlichen Konzept beruhte, das zwingend den Kaffeehausbetrieb voraussetzte.

[7] Das Aufrechterhalten des Betriebs als reiner Backwarenverkauf wäre der Beklagten auch wirtschaftlich unmöglich gewesen, weil es wegen der Lage außerhalb von Wohnvierteln keine Laufkundschaft mit Ausnahme der Kunden der weiteren im Fachmarktzentrum angesiedelten Geschäfte gibt. Dadurch, dass sämtliche weitere im Fachmarktzentrum ansässige Geschäfte mit Ausnahme eines Drogeriemarkts und eines Lagerhauses während der „Lockdowns“ ebenfalls geschlossen hatten, verringerte sich die Kundenfrequenz und damit der mögliche Kundenpool der Beklagten zusätzlich empfindlich. Die Beklagte hätte daher bei Offenhalten des reinen Bäckereiverkaufs mit diesem wesentlich weniger Umsatz erzielt als üblich, dh weniger als 10 % des sonstigen Gesamtumsatzes.

[8] Für die Beklagte kam auch das Anbieten von „to‑go-Produkten“ nicht in Frage, zumal 90 % ihrer Kundschaft im Rahmen des Kaffeehausbetriebs Getränke und Speisen an den im Innen- und Außenbereich des Lokals vorhandenen Tischen konsumieren. Ein Lieferservice bot und bietet sie an dem Standort nicht an, zumal dieses nicht dem Betriebs- und Bestandzweck entspricht; die Einrichtung eines Lieferservice wäre der Beklagten in kurzer Zeit auch gar nicht möglich gewesen.

[9] Infolge der Geschäftsschließung ab Mitte März 2020 zahlte die Beklagte die Mietzinse für April und Mai 2020 (zunächst) nicht, weil das Bestandobjekt für sie nicht entsprechend der vertraglichen Vereinbarung nutzbar war. Dies teilte sie der Klägerin sowohl telefonisch als auch schriftlich mit. Nach Wiedereröffnung der Filiale am 15. Mai 2020 zahlte sie ab Juni 2020 wieder den vereinbarten Bestandzins und die monatlichen Betriebskosten. Für die Zeit vom 15. bis 31. Mai 2020 rechnete die Beklagte vorerst mit dem bereits Anfang März 2020 (auch) für die Zeit vom 17. bis 31. März 2020 bezahlten Mietzins auf; nach Einbringung der Klage zahlte sie die halbe Mai-Miete 2020 nach. Aus denselben Beweggründen wie im März 2020 schloss sie ihre Filiale auch im Zeitraum 3. November 2020 bis einschließlich 18. Mai 2021; auch für diesen Zeitraum zahlte sie keine Mietzinse.

[10] Die Beklagte hat im Jahr 2020 bei den zuständigen Stellen Anträge auf Umsatzersatz gestellt und im März 2021 auch eine Zahlung erhalten, die sich jedoch auf den gesamten Betrieb der Beklagten und nicht auf die konkrete Filiale im Fachmarktzentrum der Klägerin bezog. Es kann nicht festgestellt werden, in welcher Höhe und unter welchem Titel diese Auszahlung exakt erfolgte.

[11] Die Klägerin begehrte nach Klageausdehnungen und ‑einschränkungen zuletzt den Betrag von 16.070,30 EUR sA an offenen (restlichen) Mietzinsen für die Monate April und Mai 2020 sowie November bis Mai 2021 und einer Konventionalstrafe wegen Betriebspflichtverletzung sowie die geräumte Übergabe des Bestandobjekts. Sie sei aufgrund der mit den diversen COVID‑Gesetzen und ‑Verordnungen erlassenen Maßnahmen unpräjudiziell bereit, der Beklagten für den Monat April 2020 eine Mietzinsreduktion von 50 % zu gewähren, die im Klagebegehren bereits berücksichtigt sei. Die Beklagte habe gegen die vereinbarte Betriebspflicht verstoßen, weil Bäckereien vom Betretungsverbot ausgenommen gewesen seien.

[12] Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, ihrem Bäckerei‑Cafe liege ein einheitliches und nicht trennbares Betriebskonzept zugrunde. Ihr Bäckereibetrieb sei überdies zumindest mittelbar von den Maßnahmen betroffen gewesen. Es sei ihr auch nicht zumutbar gewesen, mit erheblichem finanziellen Aufwand die Betriebsstätte kurzfristig umzugestalten, um neue Kundschaft zu akquirieren. Ebenso wenig könne von ihr eine Umstellung auf ein Zustell- oder Abholservice verlangt werden. Eine Kompensation von Fixkostenzuschüssen mit den Mietzinszahlungen komme nicht in Betracht. Die Geltendmachung der Konventionalstrafe durch die Klägerin sei rechtsmissbräuchlich, zumal von der Beklagten nicht verlangt werden könne, gegen die Bestimmungen der COVID‑19‑Schließverordnungen zu verstoßen. Es habe in dieser Zeit keine Betriebspflicht bestanden. Ein bloßes Offenhalten zum Verkauf von „to‑go‑Produkten“ wäre völlig unwirtschaftlich und im Hinblick auf den damit verbundenen Aufwand de facto unmöglich gewesen.

[13] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die COVID-19‑Pandemie sei als Seuche iSd § 1104 ABGB anzusehen. Betriebsschließungen aufgrund behördlicher Betretungsverbote seien die Folge eines außerordentlichen Zufalls iSd § 1104 ABGB, wobei die Pandemie kein vom Bestandnehmer zu tragendes „allgemeines Lebensrisiko“ sei. Die Beklagte sei daher schon aufgrund des Betretungsverbots von der Zahlung des Bestandzinses für das von ihr betriebene Cafe gänzlich befreit gewesen. Ob und in welchem Umfang der Gebrauch der Bestandsache eingeschränkt sei, hänge vom Vertragszweck ab. Dieser ergebe sich nicht nur aus dem schriftlichen Mietvertrag, sondern insbesondere auch aus den in diesem Zusammenhang getroffenen Absprachen. Demnach sei es im Wesentlichen um den Betrieb eines Kaffeehauses, wenn auch mit angeschlossenem Backwarenverkauf, gegangen. Es könne daher von der Beklagten nicht verlangt werden, dass sie einen Restbetrieb aufrecht erhalte, der auf längere Sicht in den sicheren wirtschaftlichen Untergang des Betriebs führen würde. Es sei daher im Ergebnis auch keine Teilnutzbarkeit des Bestandobjekts für die Beklagte vorgelegen. Dies habe eine vollständige Zinsbefreiung für den Zeitraum von 17. März bis 14. Mai 2020 und von 3. November 2020 bis 18. Mai 2021 zur Folge. Mangels schuldhaften Verstoßes der Beklagten gegen die Betriebspflichtklausel habe sie auch die vereinbarte Konventionalstrafe nicht zu zahlen.

[14] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Ein Weiterbetrieb des Lokals im „Lockdown“ allein als Bäckereifiliale hätte nicht dem im Mietvertrag vereinbarten Zweck entsprochen und wäre wirtschaftlich gesehen unmöglich gewesen. Nach den Richtlinien über die Gewährung von Zuschüssen zur Deckung von Fixkosten durch die COVID‑19‑Finanzierungsagentur (COFAG) habe das Unternehmen Maßnahmen zu setzen, um die durch den Zuschuss zu deckenden Fixkosten zu reduzieren; andernfalls bestehe ein Rückforderungsanspruch der COFAG. Diese Unterstützungsleistung solle nur dem begünstigten Unternehmen zukommen und nicht dem Vermieter.

[15] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung zur Frage der teilweisen objektiven Nutzbarkeit bzw der Beurteilung nach dem Geschäftszweck und zur Anrechenbarkeit der Vermögensvorteile durch den Umsatzersatz oder Fixkostenzuschuss fehle.

Rechtliche Beurteilung

[16] Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

[17] 1. Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor: Die Klägerin hat zwar mit ihrer Beweisrüge auch die Feststellung des Erstgerichts bekämpft, wonach 90 % des Filialumsatzes über den Kaffeehausbetrieb erwirtschaftet wurde, allerdings keine korrespondierende Ersatzfeststellung begehrt. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dieses Sachverhaltselement als unbestritten ansah.

[18] 2.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass die infolge der COVID‑19‑Pandemie erlassenen behördlichen Maßnahmen einen außerordentlichen Zufall iSd §§ 1104 f ABGB begründen (3 Ob 78/21y; 3 Ob 184/21m; 5 Ob 192/21b; 8 Ob 131/21d).

[19] 2.2. Ist der bedungene Gebrauch des Bestandobjekts durch Kundenverkehr gekennzeichnet, so führt ein Betretungsverbot aus Anlass der COVID‑19‑Pandemie zur gänzlichen Unbenutzbarkeit des Bestandobjekts iSd § 1104 ABGB. Ist die vertragsgemäße charakteristische Nutzung dadurch hingegen nur eingeschränkt, kommt es gemäß § 1105 ABGB zu einer Mietzinsminderung im Umfang der Gebrauchsbeschränkung nach der relativen Berechnungsmethode (3 Ob 184/21m mwN).

[20] 2.3. Die Frage, ob (teilweise) Unbenützbarkeit des Bestandgegenstands vorliegt, ist nach dem Vertragszweck zu beurteilen. Die in §§ 1104, 1105 und 1107 ABGB angesprochene Unbrauchbarkeit entspricht daher der (teilweisen) Unbrauchbarkeit iSd § 1096 ABGB. Nach ständiger Rechtsprechung muss die Bestandsache eine Verwendung zulassen, wie sie gewöhnlich nach dem Vertragszweck erforderlich ist und nach der Verkehrssitte erfolgt. Mangels anderer Vereinbarungen ist eine mittlere (durchschnittliche) Brauchbarkeit geschuldet. Für die Beurteilung ist daher in erster Linie die (ausdrückliche) Parteienvereinbarung bzw der dem Vertrag zugrunde gelegte Geschäftszweck maßgeblich (8 Ob 131/21d mwN; ebenso 3 Ob 209/21p).

[21] 3. Für die Ermittlung des vereinbarten Geschäftszwecks ist jedoch nicht bloß auf den schriftlichen Mietvertrag abzustellen, in dem hier vom Betrieb eines Fachhandelsgeschäfts für Bäckerei‑Cafe die Rede ist, sondern auch auf die mündlichen Vereinbarungen der Parteien. Daran kann auch das im Mietvertrag enthaltene Schriftformgebot nichts ändern, weil ein einverständliches Abgehen von der vereinbarten Schriftform sowohl ausdrücklich als auch stillschweigend jederzeit möglich und zulässig ist (vgl RS0014378). Wenngleich bei Vertragsabschluss nicht prozentmäßig konkretisiert wurde, in welchem Ausmaß die Bäckerei im Verhältnis zu einem „allfälligen“ Kaffeehaus betrieben werden solle, ging es beiden Parteien primär um den Betrieb eines Kaffeehauses, zumal ihnen von Anfang an klar war, dass eine ausschließlich oder überwiegend auf den Verkauf von Bäckereiwaren ausgerichtete Filiale aufgrund des Standorts im Gewerbegebiet wirtschaftlich nicht überlebensfähig wäre.

[22] 4. Ausgehend davon kann aber entgegen der Ansicht der Klägerin keine Rede davon sein, dass der Mietgegenstand während der für Gastronomiebetriebe geltenden Betretungsverbote „jederzeit zum bedungenen Gebrauch bzw vertraglichen Geschäftszweck benützbar“ gewesen wäre.

[23] 5.1. Die Unbrauchbarkeit bzw Unbenützbarkeit des Bestandobjekts ist – ausgehend vom vereinbarten Geschäftszweck – anhand eines objektiven Maßstabs zu bejahen. Demgemäß kann die objektiv bestehende Möglichkeit, ein Liefer‑ oder Abholservice anzubieten, eine zumindest teilweise Brauchbarkeit des Geschäftslokals begründen; dem Mieter steht allerdings der Einwand offen, dass die Etablierung eines von ihm bisher nicht betriebenen Liefer‑ oder Abholservices nicht (sofort) zumutbar gewesen wäre. Unzumutbarkeit wird jedenfalls dann vorliegen, wenn – etwa aufgrund des fehlenden Kundenkreises – ein nachhaltiges Verlustgeschäft zu erwarten gewesen wäre (8 Ob 131/21d).

[24] 5.2. Im vorliegenden Fall wäre der Beklagten nach den Feststellungen die Einrichtung eines Lieferservice in kurzer Zeit gar nicht möglich gewesen. Darüber hinaus liegt es aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls auf der Hand, dass für die Beklagte mit einem Lieferservice ein nachhaltiges Verlustgeschäft verbunden gewesen wäre, weil, wie die Klägerin selbst hervorhebt, während der „Lockdowns“ sämtliche Bäckereien geöffnet hatten und deshalb für potenzielle Käufer von Bäckereiwaren kein Anlass bestand, diese Produkte nicht in der Nähe ihres Wohnorts zu erwerben, sondern sich – gegen Entgelt, ohne das ein Lieferservice für die Beklagte zwangsläufig unwirtschaftlich gewesen wäre – beliefern zu lassen. Angesichts der Lage des Bestandobjekts im Gewerbegebiet und dem daraus folgenden Fehlen von Laufkundschaft war auch klar, dass ein Betrieb des Geschäftslokals nur für ein „Abholservice“ für Bäckereiwaren (oder auch das Anbieten von Kaffee „to go“) nicht kostendeckend möglich gewesen wäre.

[25] 5.3. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen von einer gänzlichen Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts während der „Lockdowns“ ausgingen.

[26] 6. Die Vorinstanzen haben auch zutreffend für die Zeiträume der „Lockdowns“ einen Verstoß der Beklagten gegen die mietvertragliche Betriebspflicht verneint, weil ihr der (nach der Vereinbarung der Parteien im Vordergrund stehende) Betrieb des Kaffeehauses (also eines Gastronomiebetriebs) in dieser Zeit untersagt war.

[27] 7.1. Es wurde bereits judiziert, dass der Mieter nicht dazu verpflichtet ist, einen von ihm bezogenen „Fixkostenzuschuss“ an den Vermieter herauszugeben, weil es sich nach der Zielrichtung der Zuschussgewährung um eine Förderung der betroffenen Unternehmer (Bestandnehmer) handelt, um deren Liquidität sicherzustellen, und nicht der Mietzinsentfall der Geschäftsraumvermieter wettgemacht werden soll (3 Ob 184/21m mwN).

[28] 7.2. Dies muss auch für den Anspruch auf Umsatzersatz gelten, zumal dieser entgegen der Ansicht der Klägerin von vornherein nicht „an die Stelle des geschuldeten Mietzinses tritt“ (vgl Nemetschke/Koloseus, Umsatzersatz und stellvertretendes Commodum, immolex 2021/95, 202 [204]). Im Übrigen konnte ein solcher Umsatzersatz für die Zeit des ersten „Lockdowns“ noch gar nicht beantragt werden (vgl die Verordnungen des Bundesministers für Finanzen BGBl II Nr. 467/2020 [Lockdown‑Umsatzersatz] und BGBl II Nr. 71/2021 [Lockdown‑Umsatzersatz II]).

[29] 8. Die Frage, ob den Mieter am Mietzinsrückstand ein grobes Verschulden trifft, ist jeweils von den Umständen des Einzelfalls abhängig (RS0042773 [T1]). Dass die Vorinstanzen ein grobes Verschulden an der deutlich verspäteten Zahlung bestimmter Beträge für einzelne Monate des Jahres 2020 in Hinblick auf die monatelang ungeklärte Sach‑ und Rechtslage verneinten, ist nicht zu beanstanden.

[30] 9. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

[31] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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