OGH 12Os8/22a

OGH12Os8/22a28.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. April 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Socher in der Strafsache gegen * B* und andere Beschuldigte wegen Verbrechen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 63 St 9/17b der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption, über den Antrag der P* GmbH des Dipl.‑Ing. H* P* der U* P* und der * U* auf Erneuerung des Strafverfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00008.22A.0428.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] In dem von der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption zu AZ 63 St 9/17b (unter anderem) gegen die P* GmbH Dipl.‑Ing. H* P*, U* P* und * U* wegen Verbrechen des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a, Abs 3 lit b FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen geführten Ermittlungsverfahren erfolgte am 22. Oktober 2020 aufgrund gerichtlich bewilligter (ON 298 S 8) Anordnung dieser Staatsanwaltschaft eine Durchsuchung des (ehemaligen) Unternehmenssitzes der P* GmbH (ON 329).

[2] Den von der P* GmbH Dipl.‑Ing. H* P*, U* P* und * U* erhobenen Einspruch wegen Rechtsverletzung gegen die Anordnung und Durchführung der Sicherstellung (ON 326), den die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption mit ablehnender Stellungnahme dem Landesgericht für Strafsachen Wien vorgelegt hatte (ON 343), wies das Erstgericht – soweit hier von Bedeutung – mit Beschluss vom 15. März 2021, GZ 333 HR 46/18m‑415 (Punkt 3), ab.

[3] Der dagegen gerichteten Beschwerde der P* GmbH des Dipl.‑Ing. H* P*, der U* P* und der * U* (ON 425) gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 12. Juli 2021, AZ 23 Bs 133/21h, nicht Folge.

[4] In Bezug auf die letztgenannte Entscheidung erhobendie P* GmbH, Dipl.‑Ing. H* P*, U* P* und * U* ihren gemeinsam ausgeführten Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens, der eine Verletzung des Art 1 des 1. ZPMRK, des Art 6 MRK sowie des Art 8 MRK behauptet.

Rechtliche Beurteilung

[5] Dieser Antrag ist unzulässig.

[6] Bei einem – wie hier – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag (RIS‑Justiz RS0122228), bei dem es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 MRK sinngemäß (RIS‑Justiz RS0122737 und RS0128394).

[7] Da die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substanziiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 13 Rz 16), hat auch ein Erneuerungsantrag deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine vom Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende Grundrechtsverletzung iSd § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS‑Justiz RS0122737 [T17]).

[8] Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS‑Justiz RS0124359) und – soweit er auf Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen aufzudecken vermag – seine Argumentation auf der Basis der Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zu entwickeln (RIS‑Justiz RS0125393 [T1]).

[9] Die Behandlung eines Erneuerungsantrags bedeutet daher nicht die Überprüfung einer gerichtlichen Entscheidung oder Verfügung nach Art einer zusätzlichen Beschwerde‑ oder Berufungsinstanz, sondern beschränkt sich auf die Prüfung der reklamierten Verletzung eines Rechts nach der MRK oder einem ihrer Zusatzprotokolle (vgl RIS‑Justiz RS0129606 [T2, T3] und RS0132365).

[10] Ebenso wenig eröffnet ein Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens die Möglichkeit, allgemein das Vorgehen von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft oder Gerichten in einer bestimmten Strafsache einer höchstgerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (jüngst 14 Os 68/21p mwN).

[11] Diesen Kriterien wird der vorliegende Erneuerungsantrag nicht gerecht.

[12] Soweit die Beschwerdeführer in der Sicherstellung physischer Unterlagen und Datenträger sowie elektronischer Geräte anstelle der Anfertigung von Kopien und in der pauschalen Sicherstellung von Unterlagen ohne Unterscheidung, ob von dieser ermittlungsrelevante Unterlagen und Datenträger erfasst seien, eine Verletzung des Rechts auf Eigentum (Art 1 des 1. ZPMRK) und des Rechts auf ein faires Verfahren (Art 6 MRK) sehen, nehmen sie nicht Bezug auf die eingehenden Ausführungen des Beschwerdegerichts oder bestreiten diese bloß (BS 14 ff und 16 f). Vielmehr kritisieren sie im Wesentlichen mit eigenen, weitwendig ausgeführten Erwägungen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft.

[13] Gleiches gilt für das Art 6 MRK relevierende Vorbringen, durch „eigenmächtiges und durch kein Gesetz gerechtfertigtes Behördenhandeln“ sei „der Antrag der Antragsteller und des Antragstellervertreters auf Versiegelung gemäß § 112 StPO einer Entscheidung durch den gesetzlich zuständigen Richter entzogen worden“ (siehe aber BS 11 f).

[14] Soweit der Antrag durch die Spiegelung der Festplatten (auch) in Ansehung persönlicher und für das Verfahren nicht erheblicher Daten der Antragsteller eine Verletzung des Art 8 MRK behauptet, legt er nicht deutlich und bestimmt dar, durch die Sicherstellung welcher Daten eine Verletzung dieses Grundrechts bewirkt worden sein sollte.

[15] Der solcherart unzulässige Erneuerungsantrag war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 363b Abs 1 und Abs 2 StPO zurückzuweisen.

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