European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00014.22Z.0222.000
Spruch:
Der Revisionsrekurswird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.110,45 EUR (ohne USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist eine in Feldkirch ansässige Partnerschaft von Notaren. Sie unterhält eine Homepage, die auch in der Schweiz empfangen werden kann. Unter dem Menüpunkt „Kontaktieren Sie uns“ sind ihre Telefonnummer mit internationaler Vorwahl und ein Anfahrtsplan zu finden, bei dem es sich im Wesentlichen um einen Auszug aus dem Stadtplan handelt.
[2] Die Beklagte, die ihren Wohnsitz seit 2009 in der Schweiz hat, war Eigentümerin einer in Feldkirch gelegenen Wohnung, für die sie im Jahr 2018 durch Vermittlung eines österreichischen Immobilienbüros einen Käufer fand. Über Empfehlung des Maklers beauftragte sie die Klägerin mit der Errichtung des Kaufvertrags und einer Treuhandvereinbarung. Davon umfasst war der Auftrag, die von der Verkäuferseite zu tragende Immobilienertragssteuer im Wege der Selbstberechnung zu deklarieren und direkt an das Finanzamt abzuführen.
[3] Die Klägerin errechnete die Immobilienertragssteuer aufgrund der von der Beklagten übermittelten Unterlagen auf der Basis von „Neuvermögen“ mit einem Betrag von 27.120 EUR. Nach Ablauf der Frist für die Selbstberechnung übermittelte die Beklagte weitere Urkunden, aus denen ein früheres Kaufdatum hervorging, wodurch der günstigere Steuersatz für „Altvermögen“ in Betracht gekommen wäre. Nachdem eine Beschwerde gegen die Festsetzung der Immobilienertragssteuer in der selbstberechneten Höhe erfolglos blieb, bezahlte die Klägerin als gesetzlich haftende Vertragserrichterin den gesamten Betrag.
[4] Mit der vorliegenden Klage begehrt sie von der Beklagten den Ersatz der Differenz zwischen der tatsächlich bezahlten und der sich für „Altvermögen“ richtigerweise ergebenden Immobilienertragssteuer. Zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts berief sie sich auf Art 5 Nr 1 LGVÜ. Der Verbrauchergerichtsstand nach Art 13 LGVÜ komme nicht zum Tragen, weil die Klägerin ihre Tätigkeit nicht auf die Schweiz ausgerichtet habe und sowohl die Anbahnung des Vertrags als auch sämtliche Leistungen im Sprengel des angerufenen Gerichts stattgefunden hätten. Hilfsweise stütze sich das Klagebegehren auf Schadenersatz und alle sonstigen denkbaren Rechtsgründe.
[5] Das Erstgericht verwarf mit Beschluss die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten und gab dem Klagebegehren statt.
[6] Das Berufungs- und Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge, hob das Urteil des Erstgerichts als nichtig auf und wies die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zurück.
[7] Maßgeblich sei im Anlassfall nicht Art 13 LGVÜ 1988, sondern Art 15 LGVÜ 2007. Danach komme der Verbrauchergerichtsstand zum Tragen, wenn der andere Vertragspartner auf irgendeine Weise seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf den Heimatstaat des Verbrauchers ausgerichtet habe. Ein derartiges Ausrichten sei bereits in der Angabe der internationalen Telefonvorwahl und der Aufnahme eines Anfahrtsplans in die Homepage der Klägerin zu erblicken. Auf den Ort der Unterfertigung des zugrundeliegenden Vertrags durch den Verbraucher komme es nicht an.
[8] Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil soweit überblickbar keine Rechtsprechung zu der Frage bestehe, ob auch ein aus der Erfüllung einer vertraglich übernommenen Verpflichtung resultierender Regressanspruch, der seine Grundlage aber in der Haftung als Parteienvertreter gegenüber dem Finanzamt gemäß § 30c EStG habe, als abgeleiteter vertraglicher Anspruch aus der Treuhandvereinbarung und dem Kaufvertrag zu qualifizieren sei.
[9] Der (funktionell) Revisionsrekurs der Klägerin strebt die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung in der Frage der Zuständigkeit an. Die Beklagte beantragt in ihrer Rechtsmittelbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu diesem keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[10] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[11] 1. Die Rechtsmittelwerber führen gegen die angefochtene Entscheidung ins Treffen, dass der Verbrauchergerichtsstand im vorliegenden Verfahren nicht zum Tragen komme, weil die Beklagte den Kauf- und Treuhandvertrag in Österreich unterfertigt habe und damit die in Art 13 Z 3 lit b LGVÜ normierte Voraussetzung nicht erfüllt sei.
[12] Diese Ausführungen übersehen aber, dass sich die internationale Zuständigkeit im Hinblick auf den Wohnort der Beklagten in der Schweiz und das Datum der Klagseinbringung nach dem am 30. 10. 2007 in Lugano abgeschlossenen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen (LGVÜ 2007) richtet. Maßgeblich ist daher für das vorliegende Verfahren, wie bereits das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, Art 15 LGVÜ 2007, der die in Art 13 Z 3 lit b LGVÜ 1988 normierte weitere Voraussetzung für die Anwendung des Verbrauchergerichtsstands nicht mehr enthält. Die sich auf die Umstände des Vertragsabschlusses beziehenden Ausführungen gehen daher ins Leere.
[13] 2. Andere Argumente, die sich gegen die Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts auf Grundlage des Art 15 LGVÜ 2007 wenden, sind dem Revisionsrekurs nicht zu entnehmen.
[14] Er wendet sich nicht gegen die Rechtsansicht, dass die Klägerin ihre berufliche Tätigkeit auch auf die Schweiz ausgerichtet hat. Ebensowenig greift er die im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts für wesentlich erachtete Rechtsfrage auf, vielmehr schließt er sich der rechtlichen Beurteilung, dass Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand der Klage bilden, argumentativ zustimmend an. Auf die im Berufungsverfahren noch alternativ ins Treffen geführte bereicherungsrechtliche Grundlage des Klagsanspruchs nimmt der Rekurs ebenfalls nicht mehr Bezug.
[15] Kommt der Revisionswerber in seinem Rechtsmittel auf bestimmte Rechtsgründe oder selbstständige Einwendungen nicht mehr zurück, so sind diese aus der ansonsten umfassenden Beurteilungspflicht des Obersten Gerichtshofs ausgeschieden (RIS‑Justiz RS0043338 [T15]).
[16] 3. Ein Revisionsrekurs ist selbst dann zurückzuweisen, wenn das Berufungsgericht seine Zulässigkeit mit Recht ausgesprochen hätte, das Rechtsmittel aber nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt (RS0102059 [T2]).
[17] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Rechtsmittelbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
[18] Die Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Klienten, der nicht Unternehmer ist und keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat, gelten als im Drittlandsgebiet ausgeführt und unterliegen nicht der österreichischen Umsatzsteuer (§ 1 Abs 1 iVm § 3a Abs 14 UStG 1994). Die ausländische Umsatzsteuer kann, soweit nicht notorisch, nur zugesprochen werden, wenn sie im Kostenverzeichnis behauptet und bescheinigt wurde (RS0114955). Eine Bescheinigung über die schweizerische Umsatzsteuer hat die Beklagte nicht erbracht.
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