OGH 13Os103/21b

OGH13Os103/21b16.2.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Februar 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Rechtspraktikant Mag. Jäger, BA, in der Strafsache gegen Mag. * B* wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 7. Juni 2021, GZ 17 Hv 62/20x‑46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00103.21B.0216.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. * B* des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in S* die ihm als Geschäftsführer der I* GmbH eingeräumte Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen oder sie zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch die genannte Gesellschaft am Vermögen geschädigt, wobei er durch die Tat einen 5.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, indem er – entgegen einer Weisung des (Insolvenzverwalters des Nachlasses des Dr. J* L* als) einzigen Gesellschafters der Genannten (US 4 f) – aus Gesellschaftsmitteln

(1) vom 5. Jänner 2018 bis zum 10. April 2019 in einer Vielzahl von Angriffen zusammen 245.516 Euro und

(2) am 19. Dezember 2017 11.484 Euro

jeweils auf ein auf seinen Namen lautendes Girokonto überwies.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 9 lit a und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] In der Hauptverhandlung beantragte der Angeklagte

- die Ladung und Vernehmung der Dr. Ka* L* und des Dr. K* L* als Zeugen zum Beweis dafür, dass „diese Schenkung, die der Angeklagte hier zu seiner Verteidigung ins Treffen führt“, „stattgefunden hat“ und somit ein „Rechtstitel für die Überweisung vorliegt“,

- die „Einholung des entsprechenden Steueraktes der Dr. Ka* L* und des Dr. K* L* im Rechtshilfeweg in Deutschland (Finanzamt München)“ und

- die „zeugenschaftliche Ladung und Einvernahme der Steuerberaterin * H*“

jeweils zum Beweis dafür,

- „dass es sich bei den EUR 257.000,00 um Vermögenswerte der Dr. Ka* L* und des Dr. K* L* handelt und von diesen deshalb eine Selbstanzeige in Deutschland eingebracht wurde, um hinsichtlich der Kapitaleinkünfte aus diesen Vermögenswerten Straffreiheit zu erlangen“ und

- dass die Ehegatten L* „hinsichtlich der erfolgten Schenkung beim zuständigen Finanzamt in Deutschland die Schenkungssteuer erklärt und abgeführt haben“,

- die „Einholung eines graphologischen“ (gemeint schriftenvergleichenden) „Sachverständigengutachtens“ zum Beweis dafür, „dass die Unterschriften auf der Bestätigung vom 6. 9. 2017 sowie auf dem Schenkungsvertrag vom 6. 9. 2017 von Dr. Ka* L* und Dr. K* L* stammen und das Datum '6. 9. 2017', welches auf beiden Dokumenten jeweils vermerkt wurde, von Dr. Ka* L* geschrieben wurde“ sowie

- die „zeugenschaftliche Ladung und Einvernahme“ zweier im Antrag bezeichneter Personen zum Beweis dafür, „dass es der Wunsch und Wille der Ehegatten Dr. Ka* L* und Dr. K* L* war,“ dem Beschwerdeführer „die Darlehensforderung von EUR 257.000,00 (nebst anderen Vermögenswerten) zu schenken“ und dass dieser „von Dr. Ka* L* wiederholt als Ersatzsohn bezeichnet wurde“ (ON 45 S 35 bis 37).

[5] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden diese Anträge zu Recht abgewiesen (ON 45 S 37).

[6] Denn sie machten nicht deutlich, weshalb die behauptete „Schenkung“ einen „Rechtstitel“ für Zahlungen der I* GmbH an den Beschwerdeführer begründet haben sollte, der – entsprechend der Zielrichtung dieser Anträge – die rechtliche Annahme eines (nach § 153 StGB tatbestandsmäßigen) Vermögensnachteils dieser Gesellschaft ausgeschlossen hätte (siehe aber RIS‑Justiz RS0118444).

[7] Das die Anträge ergänzende Beschwerdevorbringen (der Zielrichtung mangelnden „Schädigungsvorsatz[es]“) hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS‑Justiz RS0099618).

[8] Die von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermissten „ausdrückliche[n] Feststellungen“ zur „Schadenshöhe“ (der Sache nach allenfalls Z 10) und zum „Schadenseintritt“ (der Sache nach allenfalls Z 11 zweiter Fall) finden sich – vom Rechtsmittel übergangen (siehe aber RIS‑Justiz RS0099810) – auf US 5 f.

[9] Soweit sie einen Rechtsfehler mangels Feststellungen behauptet, legt sie nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb es für die Annahme von Tatbestandsmäßigkeit nach § 153 StGB zusätzlicher Konstatierungen dazu bedurft hätte, „inwieweit“ durch die Geldüberweisungen des Angeklagten „allenfalls auch Vermögensvorteile für die I* GmbH bewirkt wurden“ (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565; zum Erfordernis, das Fehlen von Feststellungen zu einem sogenannten Ausnahmesatz als Feststellungsmangel geltend zu machen, siehe RIS‑Justiz RS0122332).

[10] Nach dem – gleichgerichteten – Einwand eines (im Rechtsmittel als „[s]ekundär“ bezeichneten) Feststellungsmangels seien die Überweisungen des Beschwerdeführers als „Rückführung“ einer „Darlehensverbindlichkeit“ zu beurteilen, wodurch sich „die Aktiva und Passiva“ der Machtgeberin „neutralisiert“ hätten. Diese These wird auf der Prämisse entwickelt, die Ehegatten Dr. Ka* und Dr. K* L* hätten (über Intervention ihres im Jahr 2016 verstorbenen Sohnes Dr. J* L*) im Jahr 2013 ein Darlehen über 257.000 Euro (der C* AG) gewährt (die sodann ihrerseits der I* GmbH ein Darlehen in derselben Höhe gewährt hätte) und ihre darin begründete Darlehensforderung im Jahr 2017 dem Beschwerdeführer „geschenkt“. Damit setzt sich die Rüge – abermals prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0118580 [T14]) – (nicht nur über die zur behaupteten „Schenkung“ gegenüber dem Beschwerdeführer getroffene Negativfeststellung [US 5], sondern schon) über die Feststellung hinweg, wonach die Ehegatten L* im Jahr 2013 ihrem Sohn genau diese 257.000 Euro „schenkungsweise für berufliche Zwecke zur Verfügung gestellt“ hatten (US 4).

[11] Wie derselbe Geldbetrag dennoch Gegenstand einer (gegen wen auch immer bestehenden) Forderung der Ehegatten L* hätte sein können, die sie dem Beschwerdeführer – mit der Konsequenz, dass die Leistung dieses Betrags die I* GmbH von einer (gegenüber der C* AG bestehenden) Darlehensschuld in entsprechender Höhe befreit und demzufolge keinen (nach § 153 StGB tatbestandsmäßigen) Vermögensschaden herbeigeführt hätte – im Jahr 2017 hätten abtreten können, wird nicht erklärt. Ebenso wenig, wie es auf dieser Tatsachenbasis zu einer „Einlösung der Forderung mit der Zahlung“ „gemäß § 1422 ABGB“ hätte kommen können.

[12] Die Diversionsrüge (Z 10a) vermeint, es stehe „nicht fest“, „ob die [aus Beschwerdesicht durch die betreffenden Geldüberweisungen berichtigte Darlehens-]Forderung von EUR 257.000,00 letztlich nicht doch die von den Eltern des Dr. J* L* dem Angeklagten geschenkte Forderung war“.

[13] Damit versäumt die Rüge, ihre Auffassung nicht schwerer Schuld (§ 198 Abs 2 Z 2 StPO) auf der Basis des Urteilssachverhalts zu entwickeln, wonach der tatbestandsrelevante Vermögensschaden mehr als ein 50‑Faches der Qualifikationsgrenze des § 153 Abs 3 erster Fall StGB beträgt (US 4 f; vgl US 9). Schon deshalb gelangt der herangezogene (materielle) Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS‑Justiz RS0124801).

[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[15] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[16] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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