OGH 6Ob182/21i

OGH6Ob182/21i2.2.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers G* registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, FN *, vertreten durch Dr. Martin Alt, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Ö* – Revisionsverband, *, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Bestellung eines anderen Revisors, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 3. September 2021, GZ 6 R 111/21v‑21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00182.21I.0202.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] Die außerordentliche Revision der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:

[2] 1. Die angebliche Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[3] 2. § 2 Abs 3 GenRevG ermöglicht nach dem Vorbild des § 270 Abs 3 UGB (ErläutRV 840 BlgNR 20. GP  21) die Enthebung eines bestellten Revisors durch das Gericht, wenn dies aus einem in der Person des Revisors liegenden wichtigen Grund geboten erscheint. Zu den Voraussetzungen der Abberufung nach § 270 Abs 3 UGB hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass als „wichtiger Grund“ eine Verletzung gegen konkrete Bestimmungen des Berufsrechts in Betracht kommt, so auch die Verletzung einer Verschwiegenheitspflicht. Die Einschaltung des Gerichts soll auf der einen Seite nicht dazu dienen, sich von einem „unbequemen“ Prüfer trennen zu können; es soll auf der anderen Seite aber die Gefährdung der funktionsgerechten Erledigung der Prüfungsaufgabe hintangehalten werden (6 Ob 112/03v). Insoweit kann diese Rechtsprechung auch für die Auslegung des § 2 Abs 3 GenRevG herangezogen werden (vgl 6 Ob 18/21x [dort zu § 11 GenRevG]).

[4] Ob ein Ersetzungsgrund iSd § 2 Abs 3 GenRevG vorliegt, hängt von einer Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls ab (vgl 6 Ob 112/03v).

[5] 3. Die genossenschaftsrechtliche Pflichtrevision geht über die Abschlussprüfung bei den Kapitalgesellschaften hinaus. Im Gegensatz zum Jahresabschlussprüfer einer Kapitalgesellschaft könnten Prüfungsmaßnahmen auch gegen den Willen der gesetzlichen Vertreter des geprüften Unternehmens vorgenommen werden. Der Revisor bedarf nicht der Zustimmung des Vorstands (vgl 6 Ob 313/01z). Gemäß § 4 Abs 1 GenRevG hat der Revisor unter anderem das Recht, in Einzelfällen von Mitgliedern, Gläubigern oder Schuldnern Auskünfte mündlich oder schriftlich einzuholen.

[6] Im vorliegenden Fall richtete der vom Antragsgegner bestellte Revisor nach Ablehnung einer diesbezüglichen Mitwirkung durch die Antragstellerin ansechs Wohnungsmieter der Antragstellerin eine schriftliche Anfrage, ob diese das dem Schreiben (in Kopie) beiliegende Angebot der Antragstellerin zum Ankauf der gemieteten Genossenschaftswohnungen tatsächlich erhalten hatten. Den schriftlichen Unterlagen der Antragstellerin war dabei zu entnehmen, dass sie diese Kaufangebote an die Mieter bereits übermittelt hatte.

[7] Das Rekursgericht war der Auffassung, trotz der fehlenden Zustimmung des Vorstands begegne diese Vorgangsweise angesichts der dem Revisor zugekommenen widersprüchlichen Informationen über den Versand der Kaufangebote keinen Bedenken; die Frage, ob die Wohnungsmieter zulässige Adressaten einer Anfrage iSd § 4 Abs 1 GenRevG waren, gehe im Übrigen über eine bloße Meinungsverschiedenheit iSd § 2 Abs 4 GenRevG, die keinen Ersetzungsgrund bilde, nicht hinaus. Darin ist vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage keine aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

[8] 4. Das Rekursgericht ist ohnehin davon ausgegangen, dass der Revisor schon nach § 10 Abs 1 GenRevG zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Es war aber der Ansicht, der Revisor habe nach den konkreten Umständen nachvollziehbare Gründe zur Annahme gehabt, dass es dem Willen der Antragstellerin nicht widersprechen würde, wenn der Inhalt des Kaufangebots der die Genossenschaftswohnung allein bewohnenden Tochter einer Mieterin und auch der Mieterin selbst, die das Angebot bis dahin nicht erhalten hatte, bekannt werde. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass ausder an die Mieterin versendeten Angebotskopie Informationen hervorgingen, die dieser nicht ohnehin schon bekannt waren (vgl 6 Ob 112/03v). Vielmehr hatte die Obfrau der Antragstellerin der Tochter, an die auch eine Mietrechtsabtretung erfolgen sollte, bereits zuvor erklärt, das Angebot auch an die Mieterin ausgeschickt zu haben; diese müsse es verloren haben.

[9] Die Beurteilung des Rekursgerichts, ein ins Gewicht fallender Grund für eine Enthebung des Revisors aufgrund einer Verschwiegenheitspflichtverletzung liege nicht vor, ist daher nicht korrekturbedürftig.

[10] 5. Der Revisionsrekurs weist selbst darauf hin, dass § 4 Abs 3 GenRevG an § 273 Abs 2 UGB angelehnt ist (ErläutRV 840 BlgNR 20. GP  23). Auch das Vorliegen einer Verletzung der „Redepflicht“ hängt aber von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (vgl zu § 273 Abs 2 UGB 6 Ob 207/20i [ErwGr 6.4]).

[11] Nach den Feststellungen war der Revisior noch Ende November 2020 mit Erhebungen zum Verkauf mehrerer Genossenschaftswohnungen an Mieter, darunter die Obfrau der Antragstellerin, deren Stellvertreter und Familienangehörige, durch die Antragstellerin beschäftigt. Deren Vertreter nahmen die diesbezügliche Prüfungstätigkeit des Revisors zum Anlass, bereits Ende November 2020 beim Antragsgegner und im Dezember 2020 beim Erstgericht die Abberufung des Revisors zu beantragen. Anfang Februar erfolgte der in Ausübung der „Redepflicht“ erstellte Bericht des Revisors, der neben Bemängelungen zum Wohnungsverkauf auch weitere Punkte enthielt. Aus den Feststellungen ist nicht abzuleiten, dass der Revisor das für den Bericht erforderliche Tatsachensubstrat schon vorher ausreichend erhoben hatte. Auch für den Vorwurf, durch einen früher vorgelegten Bericht wäre ein Nachteil für die Antragstellerin verhindert worden, bestehen keine Anhaltspunkte, bestreitet die Antragstellerin doch im gegenständlichen Verfahren vehement dessen Richtigkeit. Gleiches gilt für das behauptete Unterbleiben einer diesbezüglichen Beratung oder der Erteilung von Ratschlägen, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach den Feststellungen ab Ende November 2020 die Kommunikation der Antragstellerin direkt mit dem Antragsgegner stattfand und am Revisor „vorbeilief“. Eine Pflichtverletzung des Revisors vermag die Antragstellerin damit nicht aufzuzeigen.

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