OGH 17Ob11/21y

OGH17Ob11/21y31.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Musger, Mag. Malesich, Dr. Kodek und Dr. Stefula als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Volker Leitner, Rechtsanwalt, St. Pölten, Wiener Straße 3, als Insolvenzverwalter im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des N* T*, gegen die beklagte Partei S* T*, vertreten durch Dr. Alois Eichinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rechnungslegung und Zahlung eines noch unbestimmten Geldbetrags (Streitwert 8.500 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 2. Juni 2021, GZ 21 R 78/21k‑14, mit welchem das (richtig) Teilurteil des Bezirksgerichts Tulln vom 10. Februar 2021, GZ 2 C 627/20t‑8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0170OB00011.21Y.0131.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Das Berufungsgericht hat die Revision zur Auslegung von § 29 Z 1 IO sowie (erkennbar) zur Frage zugelassen, ob es bei der Anfechtung eines Dauerrechtsverhältnisses für die Frage des Kennens oder Kennenmüssens iSv § 28 Z 3 IO nur auf den Zeitpunkt der Begründung dieses Rechtsverhältnisses oder auch auf jene(n) einer möglichen Auflösung ankommt. Der Kläger greift diese Fragen auf und spricht sich zudem gegen die Wertung des Schweigens des Beklagten als konkludente Zustimmung zum Abschluss eines Mietvertrags aus.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die Revision erweist sich als nicht zulässig.

[3] 1. Im Anfechtungsprozess sind nur durch Tatsachenbehauptungen gedeckte oder wenigstens indizierte Anfechtungsgründe zu berücksichtigen (RS0064598 [T1]; RS0037891). Der Kläger hat die angefochtene Rechtshandlung bestimmt zu bezeichnen (5 Ob 589/88 [AnfO]; RS0064655 [KO]).

[4] Im vorliegenden Fall hat der Kläger in erster Instanz nur die Begründung eines Dauerrechtsverhältnisses angefochten, nicht dessen spätere Nichtauflösung. Auf das Vorliegen einer unentgeltlichen Verfügung iSv § 29 Z 1 IO hat er sich weder ausdrücklich noch durch ein entsprechendes Sachvorbringen gestützt. Damit kommt es mangels wirksamer Anfechtung auf die vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Rechtsfragen nicht an.

[5] 2. Ob eine konkludente Zustimmung zu einer Rechtshandlung vorliegt und wie weit diese gegebenenfalls reicht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist daher nur dann aufzugreifen, wenn das Berufungsgericht seinen insofern bestehenden Beurteilungsspielraum überschritten hat (RS0109021 [T5, T6]; RS0014158 [T8]). Entscheidend ist, was ein redlicher Erklärungsempfänger aus dem Verhalten des Erklärenden ableiten konnte (RS0014158 [T6, T7, T10]).

[6] Im konkreten Fall hatte allein der Beklagte den Erwerb einer Liegenschaft und die Errichtung eines Hauses finanziert. Eigentümer wurde jedoch sein Sohn (der spätere Insolvenzschuldner), der dem Beklagten und seiner Frau ein umfassendes Wohnungsgebrauchsrecht einräumte. Der Schuldner wohnte zusammen mit den Eltern und einer Schwester im Obergeschoß des Hauses, ohne dafür etwas zu zahlen. Der Beklagte vermietete das Erdgeschoß auf eigene Rechnung, was dem Sohn bekannt war. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte das Schweigen des Sohnes als Zustimmung zur Vermietung verstehen konnte, ist auf dieser Grundlage jedenfalls vertretbar. Denn der Beklagte konnte im familiären Zusammenhang annehmen, dass sein Sohn durch eine Zustimmung zur Vermietung wenigstens einen gewissen Beitrag zu den Erwerbs-, Errichtungs- und Betriebskosten des Hauses leisten wollte.

[7] 3. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfragen sind daher im konkreten Fall nicht präjudiziell, und mit seinen Erwägungen zur konkludent erteilten Zustimmung zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

[8] 4. Da der Beklagte nicht auf die Gründe für die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, war seine Revisionsbeantwortung nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich. Er hat deren Kosten daher selbst zu tragen.

Stichworte