OGH 5Nc1/22z

OGH5Nc1/22z24.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Dr. Steger als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der Betroffenen U*, vertreten durch die Erwachsenenvertreterin Dr. Christiane Bobek, Rechtsanwältin in Wien, aufgrund der vom Bezirksgericht Floridsdorf verfügten Vorlage des Akts AZ 13 P 231/19i zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050NC00001.22Z.0124.000

 

Spruch:

Die vom Bezirksgericht Floridsdorf verfügte Übertragung der Erwachsenenschutzsache an das Bezirksgericht Wels wird genehmigt.

 

Begründung:

[1] Das Bezirksgericht Floridsdorf übertrug mit – mittlerweile in Rechtskraft erwachsenen – Beschluss vom 15. 12. 2021 die Zuständigkeit zur Führung der Erwachsenenschutzsache an das Bezirksgericht Wels. Dieses verweigerte die Übernahme der Zuständigkeit.

[2] Das übertragende Gericht legte den Akt dem Obersten Gerichtshof als gemeinsam übergeordnetem Gericht zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

[3] 1. Das Erwachsenenschutzgericht kann gemäß § 111 Abs 1 JN die Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Betroffenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Entscheidend ist dabei der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen (RIS‑Justiz RS0046971). Grundsätzlich wird die Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte an das Gericht, in dessen Sprengel sich der Betroffene aufhält, dann zu genehmigen sein, wenn sie im Interesse des Betroffenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird, dies selbst dann, wenn der Erwachsenenvertreter weiterhin seinen Aufenthalt im Sprengel des bisher zuständigen Gerichts haben sollte (RS0049144).

[4] 2. Die Betroffene hält sich seit Sommer 2020 ständig in Lambach auf, wo sie nach der Aktenlage auch ihren Hauptwohnsitz hat. Ein konkreter Hinweis darauf, sie würde an die vormalige Adresse im Sprengel des übertragenden Gerichts zurückkehren, liegt nicht vor. Der in der Rechtsprechung geforderte stabile Aufenthalt (vgl RS0046971 [T5]) im Sprengel jenes Gerichts, an das die Zuständigkeit übertragen wurde, besteht daher.

[5] 3. Dass die vom übertragenden Gericht bestellte Erwachsenenschutzvertreterin ihren Kanzleisitz in Wien hat, steht nach der zitierten Judikatur einer Abtretung nicht entgegen. Davon abgesehen hat diese die Abtretung der Erwachsenenschutzsache und ihre Umbestellung unter Hinweis auf die Verlegung des Wohnsitzes der Betroffenen in den Sprengel des überwiesenen Gerichts bereits beantragt.

[6] 4. Offene Anträge sprechen nach ständiger Rechtsprechung (RS0047032) im Allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung, es sei denn, dem übertragenden Gericht käme zur Entscheidung eine besondere Sachkenntnis zu. Im konkreten Fall sind ein „Einspruch“ der Betroffenen persönlich gegen die Bestellung der Erwachsenenvertreterin und ein von ihr gestellter Verfahrenshilfeantrag zur Erhebung eines außerordentlichen Revisionsrekurses gegen die, die Bestellung der Erwachsenenvertreterin bestätigende Rekursentscheidung offen. Dass die Entscheidung darüber wegen der besseren Vertrautheit des bisher befassten Richters im Interesse der Betroffenen beim übertragenden Gericht verbleiben sollte, ist nicht erkennbar. Dieses hat das Bestellungsverfahren bereits abgeschlossen. Die Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag ist von dem durch unmittelbare Einvernahme der Betroffenen gewonnenen Eindruck unabhängig, sodass sie ohne weiteres auch vom überwiesenen Gericht getroffen werden kann.

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