OGH 9Nc2/22a

OGH9Nc2/22a13.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien V*, vertreten durch Dr. Friederike Wallentin‑Hermann, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei A*, wegen 250 EUR sA, über den Ordinationsantrag nach § 28 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090NC00002.22A.0113.000

 

Spruch:

Dem Ordinationsantrag wird stattgegeben.

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Schwechat bestimmt.

 

Begründung:

[1] Der in Österreich ansässige Kläger beabsichtigt, gegen ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Serbien Klage auf Zahlung von 250 EUR aufgrund der Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs‑ und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (EU‑FluggastVO) zu erheben und beantragt mangels eines dafür örtlich zuständigen Gerichts eine Ordination nach § 28 Abs 1 Z 2 JN. Er habe bei der Beklagten einen Flug von Wien nach Belgrad gebucht. Dieser sei erst mit über sieben Stunden Verspätung angekommen.

[2] Eine Klage in Serbien sei nicht zumutbar, da sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre und Entscheidungen der dortigen Gerichte in Österreich nicht vollstreckt würden. Eine Exekution in Österreich wäre grundsätzlich erfolgversprechend, weil anzunehmen sei, dass das Luftfahrtunternehmen aufgrund fortgesetzter Flüge von und nach Wien immer wieder über Forderungen oder Betriebsmittel in Österreich verfügen werde.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der Ordinationsantrag ist berechtigt.

[4] § 28 Abs 1 Z 2 JN soll Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines inländischen Gerichtsstands ein Bedürfnis nach Gewährung von inländischem Rechtsschutz besteht, weil die Sache ein Naheverhältnis zum Inland aufweist und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland fehlt (RS0057221 [T4]). Letzteres wird insbesondere dann angenommen, wenn eine Exekution im Inland angestrebt wird, eine am Sitz des Beklagten ergangene Entscheidung hier aber nicht vollstreckt würde (RS0046148 [T17]).

[5] Auf dieser Grundlage gab der Oberste Gerichtshof Ordinationsanträgen statt, wenn der Kläger Ansprüche nach der EU‑FluggastVO sonst in Serbien (6 Nc 1/19b), den Vereinigten Arabischen Emiraten (4 Nc 11/19h), der Ukraine (4 Nc 23/19y), Ägypten (8 Nc 18/20v) oder Mexiko (4 Nc 20/20h) geltend machen müsste. Zusätzlich begründete der Oberste Gerichtshof die Ordination in diesen Fällen damit, dass sonst die Effektivität der EU-FluggastVO gefährdet wäre (4 Nc 11/19h mwN; RS0132702 [T10]).

[6] Im vorliegenden Fall besteht am Inlandsbezug kein Zweifel, weil sowohl der Abflugort als auch der Wohnsitz des Klägers in Österreich liegen. Der Aufwand einer Klage und Vollstreckung in Serbien stünde außer Verhältnis zum geringen Klagebetrag. Zudem könnten Urteile serbischer Gerichte in Österreich, weil zwischen Österreich und Serbien kein Abkommen über die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen nach der Fluggastrechte-Verordnung besteht, nicht vollstreckt werden. Damit ist eine Klage in Serbien unzumutbar.

[7] Dem Ordinationsantrag ist daher stattzugeben. Bei der Auswahl des zu bestimmenden Gerichts ist auf die Kriterien der Sach- und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit Bedacht zu nehmen (RS0106680 [T13]). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat eine Zuweisung an das Bezirksgericht Schwechat zu erfolgen.

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