European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0110NS00077.21V.1013.000
Spruch:
Für die Durchführung des Strafverfahrens ist das Bezirksgericht Linz zuständig.
Gründe:
[1] Mit beim Bezirksgericht Hietzing eingebrachtem Strafantrag vom 12. Mai 2021 (ON 6 der U-Akten) legte die Staatsanwaltschaft ***** G***** eine als Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB beurteilte Tat zur Last. Danach habe sie am 24. November 2020 „in 1130 Wien“ in einer bei der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer eingebrachten (Disziplinar-)Anzeige einen (in Oberösterreich situierten) Rechtsanwalt wissentlich falsch von Amts wegen zu verfolgender mit Strafe bedrohter Handlungen, nämlich jeweils eines Vergehens des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB – nach der Verdachtslage, wie sie sich aus dem Strafantrag in Verbindung mit dem Aktenstand ergibt (RIS-Justiz RS0131309), der Verletzung einer Standespflicht (vgl auch ON 5 S 5: „steht in krassem Gegensatz zum standesrechtlichen Ehrenkodex dem ein Anwalt unterliegt“) – verdächtigt.
[2] Am 19. August 2021 „beschloss“ (richtig verfügte) das Bezirksgericht Hietzing die „Abtretung an das Bezirksgericht Linz“ mit dem Hinweis: „Tatort Oberösterr. Rechtsanwaltskammer“ (ON 1 S 3g).
[3] Dieses bezweifelte ebenfalls seine Zuständigkeit und legte mit Verfügung vom 6. September 2021 die Akten gemäß § 38 dritter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vor.
Rechtliche Beurteilung
[4] Dieser hat erwogen:
[5] Für das Hauptverfahren ist gemäß § 36 Abs 3 erster Satz StPO jenes Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder werden sollte. Liegt dieser Ort im Ausland oder kann er nicht festgestellt werden, ist gemäß § 36 Abs 3 zweiter Satz StPO jener Ort maßgebend, an dem der Erfolg eingetreten ist oder hätte eintreten sollen, fehlt es an einem solchen, der Ort, an dem der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat.
[6] Bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit orientiert sich das Gericht – ohne Bindung an die Ortsangaben im Strafantrag – an der Aktenlage (RIS-Justiz RS0131309 [T3]).
[7] An welchem Ort die (nach dem Aktenstand per E‑Mail eingebrachte – ON 5 S 5) Anzeige versandt wurde – somit die Täterin gehandelt haben, die Straftat also ausgeführt worden (RIS-Justiz RS0127231 [T2]) sein soll – ist den Akten nicht zu entnehmen. Dass dies (just) am Wohnort der Angeklagten in W***** (ON 4 S 5) geschehen sei, ist – wie das Bezirksgericht Linz der Sache nach einräumt – (jedenfalls derzeit) bloße Vermutung. Anknüpfung an einen (zur Klärung der örtlichen Zuständigkeit eines Bezirksgerichts hinreichend [vgl 11 Ns 55/17b zu einem „in Wien“ gelegenen Tatort]) bestimmten Ausführungsort scheidet hier demnach aus (vgl RIS-Justiz RS0127231 [T4]).
[8] Entgegen der Ansicht des Bezirksgerichts Linz ist § 297 Abs 1 StGB – mit Blick auf die vom Tatbestand geforderte konkrete Gefährdung (Hinterhofer/Rosbaud, BT II6 § 297 Rz 12 f; Pilnacek/Swiderski in WK2 StGB § 297 Rz 1) – gar wohl ein Erfolgsdelikt (Salimi in WK2 StGB § 67 Rz 61; Tipold SbgK § 297 Rz 2).
[9] Hiervon ausgehend ist (in zweiter Linie) die zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit im zweiten Satz des § 36 Abs 3 StPO (subsidiär zum ersten) vorgesehene Erfolgsanknüpfung zu prüfen (RIS-Justiz RS0127317).
[10] Die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer (einschließlich ihres Disziplinarrats als zur Verfolgung zuständiger [Disziplinar-]Behörde), bei der auch die Anzeige eingebracht wurde, hat ihren Sitz in 4020 Linz (vgl ON 5 S 5). Damit liegt der Ort des Erfolgseintritts – nach Lage der Akten – im Sprengel des Bezirksgerichts Linz.
[11] Demzufolge ist, wie schon die Generalprokuratur zutreffend ausführte, (jedenfalls derzeit) das Bezirksgericht Linz zur Durchführung des Hauptverfahrens zuständig.
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