OGH 1Ob167/21x

OGH1Ob167/21x12.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj A***** M*****, geboren am ***** 2019, wegen Kontaktrecht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter C***** W*****, vertreten durch Dr. Annemarie Stipanitz‑Schreiner und Dr. Judith Kolb, Rechtsanwältinnen in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 3. August 2021, GZ 45 R 329/21x‑75, mit dem der Rekurs der Mutter gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 15. Juni 2021, GZ 6 Ps 34/19g‑60, teilweise zurückgewiesen und dieser Beschluss im Übrigen bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00167.21X.1012.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die regelmäßigen Kontakte, die unter anderem die einmalige Übernachtung des zweijährigen Sohnes alle 14 Tage beim Vater beinhalten, wurden vom Erstgericht bereits rechtskräftig festgelegt (dazu 1 Ob 119/21p).

[2] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens sind Anträge des Vaters, mit denen er die Regelung des Ferienkontaktrechts in den Sommerferien 2021 begehrte.

[3] Das Erstgericht hielt fest, „dass das Regelkontaktrecht auch während der Sommerferien weiterhin“ gelte (Punkt 1.) und legte zusätzlich weitere Kontakte zwischen Vater und Sohn in den Sommerferien 2021 – zuletzt für den 26. 8. 2021 – fest (Punkte 2. bis 6.).

[4] Das Rekursgericht wies den gegen die Punkte 1. bis 3. erhobenen Rekurs der Mutter mangels Beschwer zurück, weil der Information in Punkt 1., dass die bisher getroffene Regelung der Alltagskontakte aufrecht bleibe, ein eigenständiger oder neuer „Regelungsgehalt“ fehle und die zu den Punkten 2. und 3. festgelegten Kontakttermine bereits vor der Rekursentscheidung verstrichen seien. Im Übrigen gab es dem Rekurs nicht Folge. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

[5] In ihrem dagegen am 1. 9. 2021 erhobenen (dem Obersten Gerichtshof am 7. 9. 2021 vorgelegten) außerordentlichen Revisionsrekurs, mit dem sie die Spruchpunkte 1. bis 6. des erstgerichtlichen Beschlusses bekämpft, zeigt die Mutter einerseits keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf, andererseits fehlt dem Rechtsmittel die Beschwer.

[6] 1. Nach ständiger Rechtsprechung setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer – also ein Anfechtungsinteresse – voraus, weil es nicht Sache von Rechtsmittelgerichten ist, rein theoretische Fragen zu lösen (vgl RIS‑Justiz RS0002495). Kann ein Rechtsmittel seinen eigentlichen Zweck, die Rechtswirkungen der bekämpften Entscheidung durch eine Abänderung oder Aufhebung zu verhindern oder zu beseitigen, nicht mehr erreichen, dann fehlt es am notwendigen Rechtsschutzinteresse (RS0002495 [T43, T78]).

[7] Die Beschwer muss zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels gegeben sein und zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen; andernfalls ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RS0041770; RS0006880). Diese Grundsätze gelten auch im Verfahren außer Streitsachen (RS0002495 [T81]; RS0006598) und im Besonderen für ein zeitlich überholtes Kontaktrecht (RS0002495 [T2]; RS0006880 [T10, T15, T16]; RS0041770 [T33, T36]).

[8] 2. Der nicht zu beanstandenden Beurteilung des Rekursgerichts, Punkt 1. des erstinstanzlichen Beschlusses enthalte lediglich die Information, dass die bereits rechtskräftig getroffene Regelung der Alltagskontakte aufrecht bleibe, sodass dieser Spruchpunkt keinen eigenen Regelungsinhalt habe und die Rechtsmittelwerberin in ihrer Rechtsposition dadurch nicht beschwert werde, hält die Mutter, die im Verfahren erster Instanz eine Verringerung der bereits für die Zukunft eingeräumten regelmäßigen Kontakte nicht beantragt hatte, im außerordentlichen Revisionsrekurs keine Argumente entgegen und vermag daher schon aus diesem Grund keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.

[9] 3. Nach der zu 1. dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mangelt es dem Elternteil, der eine bereits überholte Kontaktrechtsentscheidung bekämpft, an der Beschwer, sodass sein Rechtsmittel zurückzuweisen ist (RS0006526 [T1]). Die Zurückweisung des Rekurses durch das Rekursgericht im Umfang der erstgerichtlichen Entscheidung, die den Zeitraum vor der Rekursentscheidung (Punkte 2. und 3. des erstinstanzlichen Beschlusses) betraf, folgt dieser Rechtsprechung. Das Rechtsmittel der Mutter, das dazu inhaltlich nicht Stellung nimmt, ist daher insofern ebenfalls mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[10] 4. Da die Zeit des dem Vater im Sommer 2021 eingeräumten Kontaktrechts längst verstrichen ist, mangelt es der dagegen ankämpfenden Mutter auch hinsichtlich der Punkte 4. bis 6. des erstinstanzlichen Beschlusses an der Beschwer, könnte sie doch selbst im Fall einer stattgebenden Entscheidung den angestrebten Zweck nicht mehr erreichen. Eine meritorische Entscheidung des Obersten Gerichtshofs darüber hätte nur noch theoretische Bedeutung. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

Stichworte