European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00137.21G.0922.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin vertreibt unter der Bezeichnung „Spermidin PRO“ ein Nahrungsergänzungsmittel mit Buchweizenkeimlingsmehl und Biotin, das pro Kapsel bei 600 mg Buchweizenkeimlingsmehl 3 mg Spermidin (also im Verhältnis 5/1000) enthält. Die Beklagte vertreibt unter der Bezeichnung „Super‑Sprout Forte“ ein Nahrungsergänzungsmittel mit Spermidin und Vitamin C, beinhaltend Weizenkeimlingsmehl mit (laut der Produktaufmachung) 6 mg Spermidin in 1200 mg Weizenkeimlingsmehl (also ebenfalls im Verhältnis 5/1000).
[2] Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin, der Beklagten aufzutragen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, das [namentlich genannte] Produkt unter der irreführenden Bezeichnung „Nahrungsergänzungsmittel mit Spermidin“ zu bewerben und/oder zu vertreiben, ohne für das als Zutat enthaltene spermidinreiche Weizenkeimlingsmehl über die erforderliche Zulassung nach der Verordnung (EU) 2015/2283 über neuartige Lebensmittel (im Folgenden: Novel Food VO) zu verfügen.
[3] Durch die von der Beklagten gewählte Aufmachung und die Art der Vermarktung vermittle sie den irreführenden Eindruck, bei ihrem Produkt handle es sich um ein verkehrsfähiges Erzeugnis mit spermidinreichem Weizenkeimlingsmehl. Gemäß Art 6 Abs 2 der Novel Food VO dürften neuartige Lebensmittel nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn sie gemäß der Novel Food VO zugelassen und in die Unionsliste der zugelassenen neuartigen Lebensmittel aufgenommen seien. Das sei bei der Zutat Weizenkeimlingsmehl des „Super-Sprout Forte“ nicht der Fall. Dieses Produkt sei ohne entsprechende Zulassung nicht verkehrsfähig. Die Aufmachung des Produkts durch die Beklagte als „zugelassenes Nahrungsergänzungsmittel mit Spermidin“ führe über das Vorliegen einer Zulassung in die Irre und sei daher gemäß § 2 Abs 1 Z 2 und Z 3 UWG irreführend.
[4] Die Klägerin begehrt „zur Sicherung ihres mit der Klage verfolgten Unterlassungsanspruchs“ unter Berufung auf ihr Vorbringen in der Klage die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die in ihrem Wortlaut vom Klagebegehren insofern abweicht, als sie das Wort „irreführenden“ nicht enthält.
[5] Die Vorinstanzen wiesen den Verfügungsantrag ab. Die Klägerin habe nicht bescheinigt, dass für das im Produkt der Beklagten enthaltene Weizenkeimlingsmehl eine Zulassung nach der Novel Food VO erforderlich sei. Hingegen habe die Beklagte mit den von ihr vorgelegten Urkunden bescheinigt, dass für das Produkt keine Zulassung nach der Novel Food VO erforderlich sei.
[6] Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig sei.
[7] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei, die die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels auf Fragen zur Novel Food VO, insbesondere zur Beweislastverteilung, stützt. So liege noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vor, ob Artikel 4 der Novel Food VO Auswirkungen auf die Bescheinigungslast in einem Provisorialverfahren habe. Auch fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Düngung von Pflanzen im Rahmen der Primärproduktion Einfluss auf die Einstufung eines daraus gewonnenen Lebensmittels als Novel Food habe oder nicht bzw ab welcher Stufe der Gewinnung Lebensmittel unter den Anwendungsbereich der Novel Food Verordnung fallen.
Rechtliche Beurteilung
[8] 1. Der Sicherungsantrag ist aus folgenden Erwägungen jedenfalls unberechtigt, sodass es auf die im Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen nicht ankommt:
[9] 1.1 Die klagende Partei macht in ihrer Klage als irreführende Geschäftspraktik der beklagten Partei gegenüber Verbrauchern geltend, dass ihr Produkt den irreführenden Eindruck vermittle, ein nach der Novel Food VO zugelassenes verkehrsfähiges Erzeugnis mit spermidinreichem Weizenkeimlingsmehl zu sein. Ob sich dieser geltend gemachte Irreführungsaspekt auch im Klagebegehren widerspiegelt (vgl 4 Ob 241/19y), das auf die „irreführenden Bezeichnung“ des Produkts abstellt, muss hier nicht geprüft werden.
[10] 1.2 Im Gegensatz zum Klagebegehren bezieht sich der Verfügungsantrag nicht auf eine Irreführung und ist daher schon aus diesem Grund unberechtigt:
[11] 1.2.1 Nach ständiger Rechtsprechung hat sich der mit einer während eines Rechtsstreits zu erlassenden einstweiligen Verfügung zu sichernde Anspruch im Rahmen des mit der Klage erhobenen Anspruchs zu halten (RIS‑Justiz RS0004861; RS0004815 [T2]). Der gefährdeten Partei dürfen Maßnahmen, auf die sie auch bei einem Erfolg im Hauptverfahren keinen Anspruch hätte, nicht bewilligt werden (6 Ob 160/06t). Ein Sicherungsbegehren hält sich dann im Rahmen des Begehrens in der Hauptsache, wenn es letzteres weder quantitativ überschreitet, noch qualitativ ein anderer Anspruch als das Klagebegehren ist (RS0121475). Der zu sichernde Anspruch muss damit mit dem Klagsanspruch ident sein (RS0004861 [T6]), wobei der Klagsanspruch nach seinem Wortlaut und Inhalt zu beurteilen ist (RS0004861 [T7]).
[12] 1.2.2 Mangels Bezugnahme auf eine Irreführung weicht der Verfügungsantrag entscheidend vom Wortlaut des Klagebegehrens ab. Das Sicherungsbegehren deckt sich damit nicht mit dem Klagebegehren, weil es sich seinem Wortlaut nach auch auf einen anderen Anspruch (nämlich auf einen Unterlassungsanspruch nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG infolge einer unlauteren Geschäftspraktik der beklagten Partei gegenüber Mitbewerbern durch Rechtsbruch) gründen kann. Die von der Rechtsprechung geforderte Identität des Sicherungsbegehrens mit dem Klagsanspruch liegt damit hier nicht vor.
[13] 1.3.3 Zum anderen muss der auf Irreführung gestützte Verfügungsantrag auch deshalb scheitern, weil sich eine (allfällige) Irreführung nicht im Begehren widerspiegelt (4 Ob 241/19y), zumal bei der Beurteilung einer geltend gemachten Irreführung neben dem Vorbringen auch das Begehren heranzuziehen ist (vgl 4 Ob 184/18i).
[14] 1.3 Damit kann der Verfügungsantrag nicht zum Erfolg führen. Ein solcher Antrag ist abzuweisen, ohne dass der gefährdeten Partei weiteres Vorbringen oder eine Verbesserung zu ermöglichen wäre (RS0005452 [T4, T15, T17]).
[15] 2. Bei dieser Sachlage käme somit der Lösung der von der klagenden Partei zur Novel Food VO als erheblich angesehenen Rechtsfragen nur theoretische Bedeutung zu. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs ist aber nach § 528 Abs 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, die angeschnittene Rechtsfrage also für die Entscheidung präjudiziell ist (RS0088931). Fehlende Relevanz für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt aber das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus.
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