OGH 5Ob142/21z

OGH5Ob142/21z16.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. M*****, 2. D*****, vertreten durch die Gottgeisl & Leinsmer Rechtsanwälte OG, Wien, gegen die Antragsgegnerin G***** GmbH, *****, vertreten durch die Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 16 Abs 2 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. April 2021, GZ 38 R 276/20z‑24, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 5. Oktober 2020, GZ 7 Msch 6/19x‑20, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00142.21Z.0916.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellern die mit 415 EUR (darin enthalten 69,17 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Antragsteller sind seit 1. 11. 2017 befristet auf fünf Jahre Hauptmieter der Wohnung Top 4b mit einer Nutzfläche laut Mietvertrag von 74,39 m² (tatsächlich 69,45 m² inklusive Loggia). Die Wohnung liegt im Erdgeschoß eines Gründerzeithauses und ist der Ausstattungskategorie „A“ zuzuordnen.

[2] Mit Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 5. 3. 2010 wurde der damaligen Eigentümerin des Gebäudes gemäß §§ 18, 18b, 18c und 19 MRG für den Zeitraum 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2019 die Einhebung eines erhöhten monatlichen Hauptmietzinses von 4,20 EUR zuzüglich zum monatlich anrechenbaren Hauptmietzins laut Blatt 3 dieser Entscheidung bewilligt. Daraus ist ersichtlich, dass das ehemalige Bestandobjekt Top 3–5 ein Geschäftslokal mit einer Nutzfläche von 88,40 m² war.

[3] Das Gebäude wurde im Jahr 2012 generalsaniert. Damals wurden Raumeinteilungen und ‑widmungen in den Geschossen geändert, das Dachgeschoß wurde aus‑ und ein Lift eingebaut. Seit 2013 ist an der Liegenschaft Wohnungseigentum begründet. Die Antragsgegnerin ist Wohnungseigentümerin der von den Antragstellern gemieteten Wohnung. Im Mietvertrag wurde ein Hauptmietzins von 594,31 EUR sowie ein Entgelt für mitvermietete Einrichtungsgegenstände zuzüglich Betriebskosten und Umsatzsteuer vereinbart. Im Vertrag ist festgehalten, dass „anstelle des vereinbarten Hauptmietzinses der gemäß §§ 18 ff MRG erhöhte Hauptmietzins für die Dauer des Verteilungszeitraums (das heißt voraussichtlich bis 31. 12. 2022) von 594,31 EUR zu entrichten ist“.

[4] Das Erstgericht stellte den gesetzlich zulässigen Hauptmietzins unter Berücksichtigung des Befristungsabschlags mit 425,37 EUR fest, sprach aus, dass die Hauptmietzinsvereinbarung von 594,31 EUR im Betrag von 168,58 EUR unwirksam und das gesetzliche Zinsausmaß für den Zeitraum November 2017 bis Dezember 2018 monatlich in dieser Höhe überschritten worden sei. Dazu ermittelte es die Gesamtüberschreitung für diesen Zeitraum. Auf das Mietverhältnis sei der Richtwertmietzins anzuwenden. Der nach der Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 5. 3. 2010 erhöhte Hauptmietzins gemäß § 18 MRG komme für das vorliegende Mietverhältnis nicht zum Tragen, weil im Jahr 2013 Wohnungseigentum begründet worden und ein Bestandobjekt „Top Nr. 4b“ nicht Gegenstand der Entscheidung gemäß § 18 MRG gewesen sei.

[5] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob eine Entscheidung nach §§ 18 ff MRG auch für einen Mietvertrag gelten könne, der nach zwischenzeitlicher Begründung von Wohnungseigentum über ein Bestandobjekt abgeschlossen werde, dessen Ausgestaltung und Nutzfläche von dem in der Entscheidung nach §§ 18 f MRG angeführten Objekt abweiche.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der von den Antragstellern beantwortete Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, was kurz zu begründen ist:

[7] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (vgl RIS‑Justiz RS0112921; RS0112769). Eine in der Zulassungsbegründung des Gerichts zweiter Instanz aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn sie durch eine nachfolgende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt wurde (vgl RS0112921 [T5]).

[8] 2.1 In der dasselbe Gebäude betreffenden Entscheidung zu 5 Ob 56/21b vom 20. 5. 2021 hat der Fachsenat zu der vom Rekursgericht als relevant erachteten Rechtsfrage unter Rückgriff auf die zur Rechtskraftwirkung einer Entscheidung nach den §§ 18 ff MRG bestehenden Judikatur ausgesprochen, dass die Bindungswirkung einer solchen Erhöhungsentscheidung einem nachfolgenden Mieter gegenüber nur unter der Voraussetzung eintritt, dass er auch tatsächlich das den Gegenstand der Erhöhung bildende Bestandobjekt gemietet hat. Da das ebenfalls im Jahr 2017 auf fünf Jahre befristet vermietete Objekt nicht nur baulich umgestaltet, sondern durch einen „Anbau“ im Gesamtausmaß von 12 m² deutlich erweitert worden war, kam der Senat zum Ergebnis, dass tatsächlich nicht mehr das in der Schlichtungsstellenentscheidung vom 5. 3. 2010 genannte Objekt vorlag, für das ein zulässiger erhöhter Hauptmietzins festgelegt worden war. Über eine Erhöhung des Hauptmietzinses nach §§ 18, 19 MRG für das 2017 vermietete Objekt habe die Schlichtungsstellenentscheidung nicht abgesprochen, die auf die tatsächlichen Verhältnisse, nämlich ein konkret bezeichnetes Mietobjekt abgestellt habe, das nun nach Wohnungseigentumsbegründung und Umbau/Zubau nicht mehr existiere.

[9] 2.2 In tatsächlicher Hinsicht unterscheidet sich der zu 5 Ob 56/21b entschiedene Fall nur dadurch, dass der Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 5. 3. 2010 das Geschäftslokal Top 3–5 mit einer Nutzfläche von 88,40 m² zugrunde lag, für das während des Verteilungszeitraums ein erhöhter Hauptmietzins zu entrichten war, und die von den Antragstellern befristet auf fünf Jahre gemietete Wohnung Top 4b eine Nutzfläche laut Mietvertrag von 74,39 m² hat. Dass nicht ein „Anbau“ und die dadurch bedingte Erweiterung des Bestandobjekts zu beurteilen ist, sondern die Änderung von einem Geschäftslokal in eine Wohnung mit deutlich geringerer Nutzfläche, kann aber zu keinem anderen Ergebnis führen. Wie in der Entscheidung zu 5 Ob 56/21b existiert auch im vorliegenden Fall das von der Entscheidung der Schlichtungsstelle erfasste Mietobjekt nach der Wohnungseigentumsbegründung und dem Umbau des Gebäudes nicht mehr; über die Erhöhung des Hauptmietzinses für die von den Antragstellern im Jahr 2017 tatsächlich angemietete Wohnung hat die Schlichtungsstelle in ihrer Entscheidung vom 5. 3. 2010 nicht abgesprochen.

[10] 3. Mit ihrem Argument, das gesamte Gebäude sei umfassend thermisch saniert worden, was zu einer Gebäude- und Energieeffizienzerhöhung im Sinn der Richtlinien 2010/31/EU (Gebäudeenergieeffizienz) und 2012/27/EU (Energieeffizienz) geführt habe, verstößt die Antragsgegnerin gegen das im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren geltende Neuerungsverbot (RS0070485). Vorbringen zu thermischen Sanierungen hat sie im Verfahren erster Instanz nicht erstattet. Ob die ihr verwehrte Möglichkeit, den erhöhten Mietzins (gemeint offenbar: zur Deckung derartiger Energieeinsparungsmaßnahmen) einzuheben, eine Verletzung der Richtlinien bedeutete, ist daher nicht zu erörtern.

[11] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Da die Antragsgegner bei Erstattung der Rechtsmittelbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht ausreichend hinweisen konnten, weil zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung zu 5 Ob 56/21b noch nicht publik war, entspricht es der Billigkeit ihnen die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zuzuerkennen (vgl RS0112921 [T6]).

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