European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0110NS00053.21I.0716.000
Spruch:
Die Strafsache wird dem Oberlandesgericht Wien zur Zuweisung an das zuständige Gericht übermittelt.
Gründe:
[1] Mit am 14. Mai 2021 beim Landesgericht Linz eingebrachter Anklageschrift (ON 37) legt die Staatsanwaltschaft Wien Muhammed Ö***** den Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (I./1./ bis I./5./), [idealkonkurrierend dazu:] dem Verbrechen der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (II./) sowie [idealkonkurrierend zu I./5./:] dem Verbrechen der Terrorismusfinanzierung nach §§ 278d Abs 1a Z 2, 15 StGB (III./) subsumierte Taten zur Last.
[2] Im Anklagetenor geht die Staatsanwaltschaft zwar einleitend von einer Tatbegehung „in L***** und an anderen Orten“ aus (ON 37 S 1), lastet dem Angeklagten jedoch zu I./1./ eine von W***** aus getätigte Flugreise über Istanbul nach Syrien als Beteiligungshandlung an terroristischen Vereinigungen an (ON 37 S 2).
[3] Für die überdies inkriminierten Unterstützungszusagen (I./2./ bis I./4./) und Geldüberweisungen an Mitglieder der terroristischen Vereinigungen (I./5./a./ bis g./) werden keine konkreten Tatorte genannt; vielmehr kann der Anklageschrift als Anhaltspunkt für die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichts bloß die Angabe des (letzten) Wohnsitzes des Angeklagten in L***** entnommen werden (ON 37 S 1 und 9).
[4] Mit Verfügung vom 9. Juni 2021 legte der Vorsitzende des Schöffengerichts die Akten gemäß § 213 Abs 6 zweiter Satz StPO dem Oberlandesgericht Linz wegen Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts Linz vor (ON 1 S 23 f).
[5] Das Oberlandesgericht Linz hegt in seinem Beschluss vom 24. Juni 2021, AZ 9 Bs 159/21b, ebenfalls Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts Linz und hält es seinerseits für möglich, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht, nämlich das Landesgericht Korneuburg, zuständig sei. Es legte daher die Akten – nach Verneinen eines der in § 212 Z 1 bis 4 StPO genannten Mängel und nach Entscheidung über die Untersuchungshaft (vgl RIS‑Justiz RS0124585 [T4, T7]) – gemäß §§ 213 Abs 6 letzter Satz, 215 Abs 4 zweiter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vor.
Rechtliche Beurteilung
[6] Primärer Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit im Hauptverfahren ist gemäß § 36 Abs 3 erster Satz StPO jener Ort, an dem die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte (RIS‑Justiz RS0127231). Die Anknüpfung an einen Wohnsitz oder Aufenthalt des Beschuldigten kommt dem gegenüber nur subsidiär in Betracht (§ 36 Abs 3 zweiter Satz StPO).
[7] Bezugspunkt für die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit ist der von der Anklage vorgegebene Prozessgegenstand. Bei der Beurteilung, wo eine Straftat begangen wurde, orientiert sich das Gericht – ohne Bindung an Ortsangaben in der Anklageschrift – an der Aktenlage (vgl RIS‑Justiz RS0131309).
[8] Vorliegend ist nur der zum frühesten Vorwurf (vgl § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO) laut Anklagepunkt I./1./ angenommene Tatort „W*****“ auf konkrete Verfahrensergebnisse, nämlich auf die Erhebungsergebnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, gegründet (ON 37 S 17 iVm ON 35 S 1 f).
[9] In Ansehung der weiteren, in der Regel mittels Mobiltelefon per Messengerdienst, per PayPal oder über Beauftragung Dritter erfolgten Tathandlungen (I./2./ bis I./5./) lassen sich weder aus der Anklagebegründung noch aus den Akten konkrete Tatorte ausmachen.
[10] Dementsprechend ist – wie vom Oberlandesgericht Linz richtig aufgezeigt – die Tatbegehung in W***** (I./1./) der einzige Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit (und zwar des Landesgerichts Korneuburg).
[11] Gemäß §§ 213 Abs 6 letzter Satz, 215 Abs 4 erster Satz StPO wird daher das Oberlandesgericht Wien die Sache dem zuständigen Landesgericht zuzuweisen haben (RIS‑Justiz RS0124585 [insbesondere T2]).
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