OGH 15Ns41/21d

OGH15Ns41/21d2.7.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juli 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen M***** S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 Abs 2 erster und vierter Fall StGB, AZ 14 Hv 66/19t des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über Vorlage durch das Oberlandesgericht Graz gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO (AZ 1 Bs 149/20a) nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150NS00041.21D.0702.000

 

Spruch:

Die Sache wird dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über die Einsprüche gegen die Anklageschrift übermittelt.

 

Gründe:

[1] Mit im Verfahren AZ 14 Hv 66/19t des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht eingebrachter Anklageschrift vom 14. Juni 2019 legt die Staatsanwaltschaft Graz M***** S***** (I./) und W***** E***** (II./) jeweils ein als Verbrechen der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 Abs 1 erster und vierter Fall StGB beurteiltes Verhalten zur Last (ON 472).

[2] Gegenstand des Anklagevorwurfs ist der Verdacht, die Genannten hätten sich von ihrer (teils bedingten) Entlassung aus der Strafhaft am 30. Juni 2017 bis zu ihrer Festnahme am 2. Oktober 2018 in W*****, G*****, L***** und an anderen Orten des österreichischen Bundesgebiets im „International Common Law Court of Justice Vienna (ICCJV)“, in einer Verbindung, deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise die ordentliche Gerichtsbarkeit, somit eine verfassungsgemäße Einrichtung der Republik Österreich zu erschüttern, führend bestätigt und sie in sonst erheblicher Weise unterstützt, indem

I./ M***** S***** in seiner Funktion als „General Director“ und als Mitglied des Führungsgremiums („High Council“) maßgeblich an der Planung und am Aufbau der Organisation des ICCJV mitwirke, andere Mitglieder in Führungspositionen der Verbindung ernannte sowie Schreiben und Propaganda für den ICCJV erstellte und an diverse Ämter und Behörden verschickte sowie

II./ W***** E***** als „IIA First Vice Präsident“, Mitglied des Führungsgremiums („High Council“) und des „IT‑Departments“ maßgeblichen Einfluss auf den Aufbau und die Ausrichtung der staatsfeindlichen Verbindung nahm, den Aufbau und die Gestaltung der Propaganda‑Homepage www.i ***** und der Facebook‑Seite des ICCJV übernahm sowie die Server und Mailadressen des „ICCJV“ verwaltete.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die gegen diese Anklageschrift von W***** E***** (ON 479) und M***** S***** (ON 476) erhobenen Einsprüche wies das Oberlandesgericht Graz zunächst mit Beschluss vom 11. Dezember 2019, AZ 10 Bs 198/19x, ab und stellte dabei die Rechtswirksamkeit der Anklage fest (ON 484).

[4] Nach Aufhebung dieses Beschlusses mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 23. Oktober 2020 (15 Os 59/20w) legte das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 14. April 2021, AZ 1 Bs 149/20a, – nach Verneinen der in § 212 Z 15, 7 und 8 StPO genannten Einspruchsgründe – die Akten gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vor, weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht örtlich zuständig sei.

[5] Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

[6] Dem Angeklagten W***** E***** liegt nach der Anklageschrift in Verbindung mit dem von dieser angesprochenen Inhalt der Ermittlungsakten ua zur Last, eine staatsfeindliche Verbindung (ICCJV) als Leiter deren IT‑Bereichs durch den Aufbau, die Gestaltung und die Administration deren Propaganda‑Homepage (www.i *****) und Facebook‑Seite sowie durch die Aufsicht über deren Werbetätigkeit iSd § 246 Abs 2 vierter Fall StGB in erheblicher Weise unterstützt zu haben. Diese Unterstützungshandlungen sollen im Tatzeitraum auch in der (abrufbaren) Belassung der werbenden bzw Mitglieder anwerbenden [vgl § 246 Abs 2 zweiter Fall StGB] Äußerungen auf der Homepage und der Facebook‑Seite – somit in auf elektronischem Weg abrufbaren Medien iSd § 1 Abs 1 Z 1 und Z 5a lit b MedienG – bestanden haben.

[7] Unterstützungshandlungen der genannten Art begründen infolge der durch den Inhalt eines Mediums und in einer im Wege der Massenverbreitung an einen größeren Personenkreis gerichteten Mitteilung oder Darbietung ein Medieninhaltsdelikt iSd § 1 Abs 1 Z 12 MedienG. Gemäß § 40 Abs 1 MedienG ist für das Hauptverfahren wegen eines Medieninhaltsdelikts jenes Gericht zuständig, in dessen Sprengel der Medieninhaber (vgl § 1 Abs 1 Z 12 MedienG) zum Zeitpunkt der Tatbegehung (Rami in WK² MedienG § 40 Rz 5) seinen Wohnsitz, Aufenthalt oder seinen Sitz hatte. Medieninhaber einer Website ist der für deren inhaltliche Gesamtgestaltung Letztverantwortliche (RIS‑Justiz RS0125859), jener einer Facebook‑Seite der Inhaber oder Gestalter des jeweiligen Profils (Rami in WK² MedienG § 1 Rz 47/5 mwN).

[8] Aus den im Beschluss des Oberlandesgerichts Graz konkret bezeichneten Beweisergebnissen ergibt sich der Verdacht, dass fallbezogen der Angeklagte E***** im Rahmen seiner Leitungsbefugnis über den IT‑Bereich des „ICCJV“ ua dessen Homepage www.i ***** und die verfahrensgegenständliche Facebook‑Seite aufgebaut, gestaltet und administriert habe (ON 472, AS 11). Diese Beweisergebnisse legen nahe, dass der Genannte sowohl in Ansehung der Website www.i ***** als auch in Ansehung der verfahrensgegenständlichen Facebook‑Seite als Medieninhaber iSd § 40 Abs 1 iVm § 1 Abs 1 Z 8 lit c MedienG anzusehen ist. Da der Angeklagte E***** in W***** (ON 472, AS 1; ON 465, AS 2; vgl auch ON 479 und ON 480, AS 7) wohnt und auch zur Tatzeit in W***** wohnhaft bzw aufhältig war (vgl ON 60, AS 7 [September 2018] sowie ON 100, AS 7 und AS 113 [2. Oktober 2018]), ist in Ansehung beider Angeklagter (gemäß § 37 Abs 2 erster Satz StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG und wegen gemeinsamer Verfahrensführung nach § 37 Abs 1 StPO wegen prozessualer Konnexität) das Landesgericht für Strafsachen Wien als Geschworenengericht zur Führung der Strafsache (örtlich) zuständig.

[9] Demnach war – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Sache gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz letzter Halbsatz StPO dem Oberlandesgericht Wien zu übermitteln, das zunächst über die Anklageeinsprüche zu entscheiden hat (siehe dazu auch RIS‑Justiz RS0124585, RS0125228). Im Fall der Abweisung der Einsprüche sind die Akten dem zuständigen Gericht zuzuweisen (§ 215 Abs 4 erster Satz StPO).

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