OGH 2Ob51/21w

OGH2Ob51/21w24.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** D*****, vertreten durch Dr. Kurt Kozak, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. U***** AG, *****, und 2. I***** B*****, beide vertreten durch Mag. Matthias Ringhof, Rechtsanwalt in Saalfelden, wegen 6.087,56 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 17. Dezember 2020, GZ 53 R 201/20w‑22, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 16. September 2020, GZ 14 C 67/20y‑17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00051.21W.0624.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 688,92 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten 114,82 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Am 3. 10. 2019 stießen der vom Kläger gehaltene und gelenkte Range Rover und der von der Zweitbeklagten gelenkte und bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherte Audi A5 im Bereich der ampelgeregelten Kreuzung der Plainstraße mit der St. Julien-Straße in Salzburg zusammen. Der Kläger näherte sich dem Kreuzungsbereich mit dem Range Rover auf der Plainstraße in Fahrtrichtung Norden unter Einhaltung einer Geschwindigkeit von 47 bis 52 km/h bei grün blinkendem Licht an; „mehr als 15 m vor der Kreuzungsverschnittlinie“ endete in der Plainstraße eine Zone mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h. „Im Moment des Einfahrens“ schaltete die Ampel auf gelbes Licht um. Der Kläger reagierte sofort durch eine Vollbremsung auf das Auffälligwerden des Audi A5, mit dem die Zweitbeklagte in der St. Julien-Straße in Fahrtrichtung Lehner Brücke bei rotem Licht in die Kreuzung eingefahren war.

[2] Der Kläger begehrte die Zahlung von 6.087,56 EUR sA. Der Audi A5 sei bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren. Der Kläger habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nie überschritten; die Zone mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h ende 25 m vor der Kreuzung; es fehle jeder (Rechtswidrigkeits‑)Zusammenhang zwischen dieser Geschwindigkeitsbeschränkung und dem Unfall. Der Kläger habe auf das Einfahren des Audi A5 bei Rotlicht sofort reagiert. Der Vorfall sei von der im Fahrzeug des Klägers angebrachten Dash‑Cam aufgezeichnet worden.

[3] Die Beklagten bestritten. Nicht die Zweitbeklagte, sondern der Kläger sei bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren. Ihm sei auch eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung (75 statt erlaubter 30 km/h) und eine verspätete Reaktion anzulasten, sodass ihn das Alleinverschulden am Unfall treffe.

[4] In eventu brachten die Beklagten vor, dass der Kläger jedenfalls bei Gelblicht in die Kreuzung eingefahren sei. Er habe das Gebot missachtet, bei grün blinkendem Licht erhöhte Vorsicht anzuwenden. Er habe in Annäherung erkennen können, dass er die Kreuzung bei Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von zuerst 30 km/h und dann 50 km/h nicht während der Grünblinkphase erreichen werde können.

[5] Die Beklagten wendeten eine Gegenforderung von insgesamt 18.312,54 EUR ein.

[6] Weiters beantragten sie, dem Kläger die Vorlage des Dash‑Cam‑Videos aufzutragen. Da der Kläger auf dieses Video in seiner Beweisführung Bezug nehme, handle es sich um einen gemeinschaftlichen Augenscheinsgegenstand bzw eine solche Urkunde.

[7] Der Kläger verwies auf datenschutzrechtliche Bedenken und darauf, dass er sich wegen eines gegen ihn anhängigen Strafverfahrens nicht selbst belasten müsse. Er sei aber zur Vorlage der Dash‑Cam ausschließlich an den Sachverständigen und nur zum Thema bereit, ob die Ampelschaltung „beim Überfahren durch die [Zweit]Beklagte rot oder grün“ gewesen sei.

[8] In der Folge verkündete das Erstgericht in der mündlichen Streitverhandlung vom 15. 7. 2020 einen (im Weiteren nicht gesondert ausgefertigten) Beschluss, mit dem es dem Kläger auftrug, „das Dash‑Cam‑Video des gegenständlichen Vorfalls“ vorzulegen.

[9] Der Kläger erklärte daraufhin, sich die Vorlage des Videos vorzubehalten.

[10] Eine Vorlage des Videos erfolgte nicht.

[11] Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren statt und sprach aus, dass die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Die Zweitbeklagte sei bei rotem Licht in die Kreuzung eingefahren und habe damit gegen § 38 Abs 5 StVO verstoßen. Der Kläger habe keine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten und auch nicht verspätet reagiert. Er sei zwar bei gelbem Licht in die Kreuzung eingefahren; da die Ampel aber erst im Moment des Einfahrens von grün blinkendem auf gelbes Licht umgesprungen sei, hätte der Kläger nicht mehr sicher vor der Kreuzung anhalten können. Auf den von ihm erlassenen Vorlageauftrag nahm das Erstgericht im Urteil keinen Bezug.

[12] Die Beklagten strebten in ihrer Berufung eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu ihren Lasten an, die aufgrund der Compensandoforderung zur Abweisung des Klagebegehrens führe.

[13] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil auf und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Es wies vorweg darauf hin, dass das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren unter Beachtung des § 545 Abs 3 Geo zu entscheiden haben werde. Die Beweisaufnahme in Form des Augenscheins durch Einsichtnahme in die Aufzeichnungen der Autokamera sei im konkreten Fall aus näher dargelegten Gründen zulässig; es liege ein Verfahrensmangel darin, dass das Erstgericht die Verwertung des Augenscheinsgegenstands nicht „vorangetrieben“ habe. Eine Verwertung des Videos sei zur genauen Erhebung der Annäherungsgeschwindigkeit des Range Rover erforderlich; entscheidend sei, wo sich das Fahrzeug bei erstmaligem Aufleuchten des grün blinkenden Lichts befunden habe.

[14] Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil „Fragen der Verwertbarkeit der Auswertungen einer Autokameraaufzeichnung als gemeinschaftlicher Augenscheinsgegenstand unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Aspekte und der Fragen einer möglichen Selbstbelastung in einem noch anhängigen Strafverfahren die Qualität des § 502 Abs 1 ZPO“ aufwiesen. Gleiches gelte für die Frage des Mitverschuldens eines Lenkers, der sich einer Kreuzung bei grün blinkendem Licht nähere; auch der Schutzzweck einer vor dem eigentlichen Kreuzungsbereich verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung stelle eine erhebliche Rechtsfrage dar.

[15] Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem (erkennbaren) Abänderungsantrag, das Ersturteil wiederherzustellen.

[16] Die Beklagten beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

[17] Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rekurs wird eine erhebliche, für die Entscheidung auch präjudizielle Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dargetan:

Rechtliche Beurteilung

[18] 1. Dass die Zweitbeklagte wegen Einfahrens in die Kreuzung bei rotem Licht zumindest das überwiegende Verschulden am Verkehrsunfall trifft, ist im Rekursverfahren nicht strittig. Bereits ihrer Berufung haben die Beklagten die Annahme eines Verschuldens von 2 : 1 zu ihren Lasten zu Grunde gelegt.

[19] 2. Strittig ist jedoch, ob den Kläger überhaupt ein Mitverschulden wegen Einfahrens in die Kreuzung bei gelbem Licht und allenfalls Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit in Annäherung an die Kreuzung trifft. Zu diesen, vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Fragen enthält der Rekurs aber überhaupt keine Ausführungen. Der Kläger kann daher in diesem Punkt keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen (vgl RS0102059).

[20] 3. Die vom Berufungsgericht ebenfalls als erheblich angesehene Frage der Verpflichtung zur Vorlage einer Dash‑Cam‑Aufzeichnung im Zivilprozess steht im Zentrum der Rekursausführungen des Klägers. Es gelingt ihm allerdings aus prozessualen Gründen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage in diesem Punkt aufzuzeigen:

[21] 3.1. Der vom Erstgericht gefasste Beschluss, mit dem es dem Kläger die Vorlage des Dash‑Cam‑Videos „des gegenständlichen Vorfalls“ auftrug, ist unbekämpft in Rechtskraft erwachsen. Daher sind Überlegungen dazu, ob die Voraussetzungen für den Vorlageauftrag gegeben waren, nicht mehr anzustellen (vgl 8 ObA 9/15d zu einem eine Urkundenvorlage betreffenden Sachverhalt).

[22] 3.2. Die im Rekurs zu diesem Themenkomplex als erheblich angesehenen Fragen haben daher nur mehr theoretisch-abstrakte Bedeutung, sodass der Oberste Gerichtshof zu deren Beantwortung nicht berufen ist (RS0111271).

[23] 4. Auch mit seinen weiteren Ausführungen zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[24] 4.1. Dem Beschluss des Berufungsgerichts lässt sich eindeutig entnehmen, dass es die Aufhebung des Urteils des Erstgerichts nicht bloß deswegen verfügte, um diesem die Fassung eines § 545 Abs 3 Geo entsprechenden dreigliedrigen Spruchs zu ermöglichen.

[25] 4.2. Entgegen der Argumentation im Rekurs ist die Feststellung des Erstgerichts zum Einfahren des Klägers in die Kreuzung bei gelbem Licht nicht überschießend. Dass Eventualvorbringen der ZPO fremd wäre, trifft entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht nicht zu (vgl nur RS0037502).

[26] 5. Insgesamt gelingt es dem Kläger damit nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen, sodass der Rekurs zurückzuweisen war.

[27] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO. Ein Kostenvorbehalt findet im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit eines Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nicht statt. Vielmehr sind den Beklagten, die auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen haben, die Kosten ihrer Rekursbeantwortung zuzusprechen (RS0123222 [T4]).

Stichworte