OGH 8Ob41/21v

OGH8Ob41/21v26.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Z***** GmbH, *****, vertreten durch Mayer & Herrmann Rechtsanwälte in Wien, gegen den Antragsgegner R*****, vertreten durch Dr. Johann Sommer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ersetzung der Zustimmung des Hälfteeigentümers, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Jänner 2021, GZ 38 R 158/20x‑61, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00041.21V.0526.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer einer Liegenschaft.

[2] Das Erstgericht wies die Anträge ab, die Zustimmung des Antragsgegners

[3] I. zur gerichtlichen Anfechtung des Mietvertrags zwischen der Hausinnehabung und dem Antragsgegner betreffend Top 5;

[4] II. zur Antragstellung an die Schlichtungsstelle zur Durchsetzung des Rechts auf Zutritt zu mehreren Bestandobjekten; und

[5] III. zur Neuerrichtung der Aufzugsanlage

[6] zu ersetzen.

[7] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit insgesamt 30.000 EUR übersteigend und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

[8] Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf.

Rechtliche Beurteilung

[9] 1.1 Entgegen ihrer Behauptung liegt zum Fall der anteiligen Stimmengleichheit von Miteigentümern (§ 835 zweiter Satz ABGB) gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vor, auf die bereits die Vorinstanzen Bezug genommen haben:

[10] Demnach ist § 835 ABGB unabhängig davon, ob es sich um eine Maßnahme der ordentlichen (§ 833 ABGB) oder der außerordentlichen (§ 834 ABGB) Verwaltung handelt, jedenfalls dann anzuwenden, wenn Uneinigkeit in Form einer Stimmengleichheit besteht (RIS-Justiz RS0013393 [T2]; RS0013734); in Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung nur soweit, als dies nötig ist, die sonst bei Stimmengleichheit unlösbare Pattstellung zu beheben (RS0013734 [T2]; vgl RS0013413; H. Böhm/Palma in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 835 Rz 18 mwN).

[11] Bei Uneinigkeit zweier Hälfteeigentümer wie hier ist daher immer die Entscheidung des Außerstreitrichters notwendig (10 Ob 57/17f ua).

[12] 1.2 Nach ständiger Rechtsprechung hat der Außerstreitrichter nach § 835 ABGB eine wichtige Veränderung zu genehmigen, wenn sie offenbar (also eindeutig) vorteilhaft ist. Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls und vom Standpunkt der Gesamtheit aller Miteigentümer zu beurteilen (RS0013703; RS0013440). Der Beschluss des Außerstreitrichters ist eine im Wesentlichen von Billigkeitserwägungen getragene Ermessensentscheidung (RS0013650 [T2]). Im Hinblick auf den damit verbundenen Wertungsspielraum und die Einzelfallbezogenheit ist eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs in diesem Zusammenhang nur zulässig, wenn dem Rekursgericht eine aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen ist (vgl RS0013703 [T8]). Das ist hier nicht der Fall.

[13] 2. Die Vorinstanzen vertraten die Auffassung, die Antragstellerin habe kein konkretes Vorbringen zur Vorteilhaftigkeit der geplanten Anfechtung (Feststellung der Nichtigkeit) des mit dem Antragsgegner abgeschlossenen Mietvertrags erstattet. Dem hält die Revisionsrekurswerberin entgegen, dass sie eine bessere Verwertungsaussicht „unstrittigerweise“ bereits mit dem verfahrenseinleitenden Antrag behauptet habe. Das trifft aber nicht zu. Vielmehr hat sie sich erstmals im Rekursverfahren auf eine solche berufen. Mit der Beurteilung des Rekursgerichts, die Klagsführung erscheine aussichtslos (vgl RS0013389), setzt sie sich im Rechtsmittel zudem inhaltlich nicht weiter auseinander (vgl RS0118709).

[14] 3.1 Nach § 8 Abs 2 erster Halbsatz MRG ist der Hauptmieter in gewissem Umfang verpflichtet, das Betreten des Mietgegenstands durch den Vermieter oder durch von diesem beauftragte Personen zu dulden. Voraussetzung für die Duldungspflicht des Mieters ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der vom Vermieter darzulegen ist (5 Ob 63/11t). Das Recht, den Mietgegenstand zu betreten, ist dem Vermieter insoweit zuzugestehen, als es im Interesse der Erhaltung des Hauses und zur Ausübung der notwendigen Aufsicht erforderlich ist (RS0021509). Ein entsprechendes Recht ist etwa zu bejahen, wenn zur Vorbereitung und Durchführung notwendiger Arbeiten das Mietobjekt von Handwerkern betreten werden muss, aber auch zur Besichtigung der Liegenschaft durch Kauflustige (RS0021509 [T4]), ferner zur Prüfung von Gewährleistungsmängeln (RS0021509 [T2]). Es hat eine Interessenabwägung stattzufinden (RS0069506).

[15] 3.2 Nach Ansicht der Vorinstanzen hat die Antragstellerin mit ihrem Anliegen, den Istzustand mit dem Baukonsens abzugleichen, keinen wichtigen Grund zum Betreten der Bestandobjekte nachgewiesen, weil es keine Anhaltspunkte für bestehende Abweichungen oder beabsichtige Veränderungen gebe und weil wenige Monate vor der Antragstellung eine Begehung sämtlicher Objekte im Auftrag des Voreigentümers stattgefunden habe.

[16] Dagegen führt die Antragstellerin ins Treffen, dass bei einem Vermieterwechsel zum Zwecke eines persönlichen Augenscheins ein wichtiges Interesse zu bejahen sei (Dirnbacher, MRG 2013, 155). Bereits das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, dass das Verlangen der Antragstellerin nicht (mehr) mit dem Ankauf der Liegenschaftshälfte in Verbindung steht. Auf das Argument, dass wiederholte Besichtigungen in kürzeren Zeitabständen den Mietern unzumutbar seien, geht der Revisionsrekurs nicht ein. Die Rechtsmittelwerberin zeigt daher auch in diesem Punkt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[17] 4.1 Nach den Feststellungen ist die von der Antragstellerin angestrebte Neuerrichtung der seit mehreren Jahren nicht mehr im Betrieb befindlichen Aufzugsanlage (aus der Jugendstilzeit) mit Mehrkosten von etwa 60.000 EUR gegenüber der vom Antragsgegner gewünschten bloßen Adaptierung derselbigen verbunden, die etwa 80.000 EUR kostet. Ein derartiger finanzieller Mehraufwand (neben umfänglicheren Baumaßnahmen) ist entgegen der Meinung der Rechtsmittelwerberin trotz der mit der Neuerrichtung verbundenen Vorteile (insbesondere der Schaffung einer Abwärtsfahrtmöglichkeit) keineswegs „eher“ geringfügig. Da – wie festgestellt – beide Sanierungsvarianten eine Wiederinbetriebnahme der Liftanlage im Sinne des gegenüber den Eigentümern ergangenen rechtskräftigen Gerichtsauftrags nach § 6 Abs 1 MRG iVm § 3 Abs 2 Z 3 MRG ermöglichen und somit auch mit der wesentlich kostengünstigeren Adaptierung das Auslangen gefunden werden kann, ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen der Neuerrichtung die beantragte Genehmigung versagt haben. Die Behauptung der Antragstellerin, der Betrieb des Aufzugs (in adaptierter Form) werde in naher Zukunft möglicherweise gesetzlich untersagt, findet keine Deckung im festgestellten Sachverhalt.

[18] 4.2 Der von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang gerügte Verfahrensmangel erster Instanz wurde bereits vom Rekursgericht verneint (RS0043919).

[19] 5. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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