European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040NC00009.21T.0428.000
Spruch:
Dem Ordinationsantrag der klagenden Parteien wird stattgegeben. Als örtlich zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Schwechat bestimmt.
Begründung:
[1] Die Kläger begehren die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung von je 400 EUR sA. Sie gründen ihre Ansprüche auf die Fluggastrechte‑VO 261/2004/EG . Die Verspätung am Endziel in Antalya habe mehr als drei Stunden betragen. Aufgrund ihrer Buchung hätten sie am 24. 7. 2018 vom beklagten Luftfahrtunternehmen von Wien‑Schwechat über Sabiha Gokcen nach Antalya befördert werden sollen. Der Flug ab Wien‑Schwechat habe sich verspätet, weshalb sie den Anschlussflug versäumt und das Endziel erst am 25. 7. 2018 um 8:20 Uhr (statt am 24. 7. 2018 um 21:25 Uhr) erreicht hätten.
[2] Die Kläger brachten ihre Klage am 7. 12. 2018 beim Bezirksgericht Schwechat ein.
[3] Mit Beschluss vom 19. 12. 2018 wies das Erstgericht die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit zurück.
[4] Mit Beschluss vom 9. 4. 2019 bestätigte das Rekursgericht diese Entscheidung.
[5] Am 16. 3. 2021 stellten die Kläger den Antrag, den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den – in ihrem Rekurs vom 28. 1. 2019 enthaltenen – Ordinationsantrag vorzulegen. Darin beantragen die Kläger die Ordination der Rechtssache an das Bezirksgericht für Handelssachen Wien. Der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten befinde sich in der Türkei. Aufgrund des anzuwendenden Unionsrechts müsse Österreich sicherstellen, dass ein in Österreich wohnhafter Fluggast seine Rechte nach der Fluggastrechte‑VO wirksam wahrnehmen und durchsetzen könne. Türkische Gerichte lehnten die Anwendung der Fluggastrechte‑VO ab. In jedem Fall wäre von einer übermäßigen Erschwernis für den Verbraucher auszugehen, seine Ansprüche in einem Drittstaat durchzusetzen.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Ordinationsantrag ist berechtigt:
[7] 1. Der Senat hat in vergleichbaren Fällen das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ordination auf der Basis unionsrechtlicher Grundsätze schon mehrfach bejaht (4 Nc 11/19h; 4 Nc 20/20h; 4 Nc 32/20v). Dazu wurde ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten für unionsrechtlich normierte Ansprüche (hier) nach der Fluggastrechte‑VO gemäß Art 47 GRC einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sicherzustellen haben. Diesem unionalen Verfahrensgrundrecht kommt insbesondere dann Bedeutung zu, wenn der Kläger sonst gehalten wäre, seine Ansprüche außerhalb der Europäischen Union geltend zu machen. Aus diesem Grund sind alle interpretativen Möglichkeiten auszuschöpfen, um – bei einem ausreichenden Inlandsbezug – Fluggästen, die von einem in der Europäischen Union gelegenen Flughafen abfliegen, die Durchsetzung von in der Fluggastrechte‑VO normierten Ansprüchen grundsätzlich auch gegen ein Flugunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat zu ermöglichen. Weitere Senate des Obersten Gerichtshofs haben sich dieser Rechtsprechung zwischenzeitlich angeschlossen (vgl etwa 5 Nc 21/20p).
[8] 2. Für die Auswahl des zu ordinierenden Gerichts enthält § 28 JN keine ausdrücklichen Vorgaben. Nach der Rechtsprechung ist dabei auf die Kriterien der Sach- und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit Bedacht zu nehmen (4 Nc 32/20v). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat eine Zuweisung der vorliegenden Rechtssache an das Bezirksgericht Schwechat zu erfolgen, weil der Abflugort im Sprengel dieses Gerichts gelegen war; zudem wurde die vorliegende Klage bei diesem Gericht bereits behandelt.
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