European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0200DS00002.21F.0413.000
Spruch:
In Stattgebung der Berufung wird eine Geldbuße von 2.500 Euro verhängt, dies als Zusatzstrafe unter Bedachtnahme auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 23. September 2019, AZ D 12/19, 11 DV 29/19, und vom 2. Dezember 2019, AZ D 16/19, 12 DV 30/19.
Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hierfür unter Bedachtnahme auf die im Spruch genannten Erkenntnisse des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer, letzteres rechtskräftig durch Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 14. Juli 2020, AZ 20 Ds 2/20d, zu einer Zusatzgeldbuße von 1.500 Euro verurteilt.
[2] Danach hat er als für eine Betroffene gerichtlich bestellter Erwachsenenvertreter
a) die für das Jahr 2016 für ein von der Betroffenen vermietetes Objekt angefallenen Betriebskosten, die spätestens seit 30. Juni 2017 fällig gewesen wären, und die gleich fällige Miete für Dezember 2017 gegenüber der Mieterin nicht entsprechend betrieben, sodass diese Forderungen offen blieben und – zusammen mit anderen – erst im Insolvenzverfahren der Mieterin angemeldet werden mussten;
b) mehrfach für sich Entschädigungsbeträge (am 19. September 2016 3.600 Euro, im Februar 2017 4.000 Euro und am 5. Dezember 2018 4.000 Euro) noch vor gerichtlicher Entscheidung darüber vom Konto der Betroffenen entnommen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Erschwerend wertete der Disziplinarrat bei der Strafzumessung die Vorstrafen (ES 6) sowie mehrere Tathandlungen (dreimal widerrechtliche Entnahme von Vorschüssen aus dem Vermögen der Betroffenen, Nichtdurchführung der Betriebskostenabrechnung 2016, Nichtgeltendmachung der Miete Dezember 2017), mildernd hingegen Schadensgutmachung hinsichtlich des materiellen Schadens, das Geständnis und eine lange Verfahrensdauer.
[4] Die Berufung des Kammeranwalts dagegen begehrt eine Erhöhung der Unrechtsfolge.
[5] Der Beschuldigte hatte als Sachwalter (bis 30. Juni 2018) und als Erwachsenenvertreter (ab 1. Juli 2018, siehe § 1503 Abs 9 Z 10 ABGB) Anspruch auf Entschädigung, Entgelt und Aufwandersatz; über diesen hat das Gericht zugleich mit der Entscheidung über die jährliche Pflegschaftsrechnung (§ 134 AußStrG) zu erkennen, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen können Vorschüsse gewährt werden (§ 137 Abs 2 AußStrG). Eigenmächtige Eingriffe in das zu verwaltende Vermögen sind – wie die Berufung zutreffend geltend macht – gerade bei schutzbedürftigen Personen besonders verwerflich und geeignet, das Vertrauen in den Stand der Rechtsanwälte zu erschüttern.
[6] Ebenfalls weist der Berufungswerber zu Recht darauf hin, dass der Beschuldigte bei einer Aussprache mit dem Pflegschaftsrichter am 13. Juni 2017, bei welcher die unberechtigte Entnahme vom 19. September 2016 zur Sprache kam, eine weitere beschlussmäßig nicht gedeckte Entnahme vom Februar 2017 verschwieg und danach entgegen ausdrücklicher Zusicherung neuerlich am 5. Dezember 2018 in gleicher Weise handelte (ES 5 f). Dies stellt einen gravierenden Verstoß gegen die Grundprinzipien der Berufsausübung des Rechtsanwalts dar, durch Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit in seinem Verhalten die Ehre und das Ansehen seines Standes zu wahren (vgl § 1 Abs 2 Unterabsatz 2 RL‑BA 2015) und wurde sogar im Beschluß des Rekursgerichts (das schließlich Disziplinaranzeige erstattete) hervorgehoben, womit sich die qualifizierte Öffentlichkeit manifestiert.
[7] Da sich der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 erster Fall StGB auch auf immaterielle Schäden bezieht (vgl RIS‑Justiz RS0096979), kann – der Gegenausführung zur Berufung zuwider – vom Fehlen eines Schadens im Fall der durch Publizität bewirkten Beeinträchtigung des Standesansehens nicht die Rede sein (vgl 30 Ds 2/19a). Der Disziplinarrat hat den Milderungsgrund der Schadensgutmachung zutreffend auch nur auf den Verzicht des Beschuldigten auf Entschädigung gemäß § 276 ABGB und damit nur auf den materiellen Schaden der schutzbedürftigen Person bezogen (ES 8).
[8] Der Beschuldigte wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 23. September 2019, AZ D 12/19, 11 DV 29/19 wegen unzulässiger Doppelvertretung, begangen „spätestens am 30. 11. 2017“, schuldig erkannt und wegen des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung zu einer Geldbuße von 3.500 Euro verurteilt. Auf diese Vorverurteilung hatte der Oberste Gerichtshof im Erkenntnis vom 14. Juli 2020, AZ 20 Ds 2/20d, im Verfahren AZ D 16/19, 12 DV 30/19 der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer ebenfalls wegen unzulässiger Doppelvertretung (am 28. Dezember 2018), Bedacht zu nehmen. Bei der Strafbemessung wertete er als erschwerend das Zusammentreffen dreier Disziplinarvergehen und eine einschlägige Vorstrafe (mehrfaches vollmachtsloses Einschreiten bei Gericht im Jahr 2015 – Verurteilung Oktober 2017 – §§ 33 Abs 1 Z 2, 71 2. und 3. Fall StGB), als mildernd keinen Umstand. Unter Berücksichtigung der bei Fällung des Erkenntnisses aktuellen präventiven Erfordernisse wurde die in erster Instanz verhängte Sanktion von 2.500 Euro auf 3.000 Euro erhöht und als Zusatzgeldbuße verhängt (insofern unrichtig ES 6 und 8).
[9] Die Strafzumessungsgründe des Disziplinarrats waren mit Ausnahme des Erschwerungsgrundes von Vorstrafen (weil nicht einschlägig – ES 6) und des Milderungsgrundes der langen Verfahrensdauer (die nicht auszumachen ist – ES 2 f) zu übernehmen.
[10] Hält man sich die Nachlässigkeit des Beschuldigten mit dem Geld der Betroffenen – für das ihm eine besondere Verantwortung traf – vor Augen, erweist sich die Sorge um seinen Verdienst als besonders unangebracht.
[11] Eine Gesamtgeldbuße von 9.000 Euro wäre tatschuldangemessen gewesen, weshalb für die nunmehr verwirklichten zwei Disziplinarvergehen ein Zusatz von 2.500 Euro auszumessen war.
[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.
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