European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00203.20X.0325.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Der am ***** 2018 ohne letztwillige Verfügung verstorbene M***** L***** hinterließ seine Ehefrau und drei Kinder, nämlich die beiden Beklagten und den Vater der Kläger. Im Verlassenschaftsverfahren richtete der Gerichtskommissär ein Schreiben an den Vater der Kläger, in welchem er ihn darauf hinwies, dass er mit einer Erbquote von zwei Neunteln erbberechtigt sei. Beigefügt war eine vorformulierte Ausschlagungserklärung mit dem Ersuchen, diese für den Fall, dass er keine Ansprüche im Verlassenschaftsverfahren stellen möchte, unterfertigt zu retournieren. In der Folge richtete der Unterkunftsgeber des Vaters der Kläger ein E-Mail an den Gerichtskommissär, mit dem er im Anhang die unterzeichnete Ausschlagungserklärung übermittelte. Nach deren Text entschlug sich der Vater der Kläger „mit Wirkung für ihn und seine Nachkommen“ seines Erbrechts und er erklärte, auf jegliche Ansprüche aus welchem Rechtsgrund auch immer in dieser Verlassenschaft zu verzichten. Sämtliche Versuche des Gerichtskommissärs, mit dem Vater der Kläger in Kontakt zu treten, um das Original der Ausschlagungserklärung zu erlangen, blieben erfolglos. Schließlich übergab der Zweitbeklagte am 15. 4. 2019 dem Gerichtskommissär eine vorgeblich von seinem Bruder am 12. 4. 2019 unterfertigte Ausschlagungserklärung, deren Text gleichlautend mit jenem der per E‑Mail übersendeten Erklärung war. In der Verlassenschaftsabhandlung vom 30. 4. 2019, an der der Vater der Kläger trotz ausgewiesener Zustellung der Ladung wieder nicht teilnahm, stellte der Gerichtskommissär fest, dass er auf sein Erbrecht und allfällige weitere Ansprüche verzichtet habe. Die Beklagten schlossen in der Folge mit der Witwe ein Erbteilungsübereinkommen, nach dem ihnen eine Liegenschaft zufiel. Auf dieser Basis erfolgte am 21. 5. 2019 die Einantwortung an die Witwe und die Beklagten zu je einem Drittel des Nachlasses.
[2] Am 11. 8. 2019 wurde der Vater der Kläger tot aufgefunden. Mit Beschluss vom 7. 4. 2020 wurde den Klägern der Nachlass nach ihrem Vater je zur Hälfte eingeantwortet.
[3] Die Kläger begehren jeweils von jedem der Beklagten die Abtretung einer Quote von 1/18 der Erbschaft. Sie begehren weiters die Herausgabe entsprechender Anteile an der auf die Beklagten übergegangenen Liegenschaft sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Zustimmung in die Einverleibung des anteiligen Eigentumsrechts der Kläger. Die Kläger bestreiten die Wirksamkeit der vom Zweitbeklagten dem Gerichtskommissär vorgelegten Erklärung aus mehreren Gründen: Erstens sei die Erklärung dem Gerichtskommissär von einem „konkurrierenden Erben“ überbracht worden, womit sie nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unwirksam sei. Zweitens handle es sich um eine Erbschaftsschenkung, die nach § 1278 Abs 2 ABGB notariatsaktspflichtig sei. Und drittens werde die Echtheit der Unterschrift bestritten und sei auch die notwendige Schriftform nicht gewahrt, weil auf der Urkunde mit der Erbausschlagung keine Unterschrift, sondern nur eine Paraphe gesetzt worden sei. Schließlich habe der Gerichtskommissär den Vater der Kläger nicht ausreichend belehrt. Insbesondere habe er ihn nicht darüber aufgeklärt, dass es rechtlich auch möglich sei, das Erbe so auszuschlagen, dass seine Nachkommen an seine Stelle treten würden. Der Vater der Kläger habe sich deshalb in einem Irrtum über die Rechtswirkungen der Ausschlagung für seine Nachkommen befunden, weshalb sich die Erklärung nicht auf diese erstrecke.
[4] Die Beklagten berufen sich dagegen auf die Wirksamkeit der Ausschlagung des Erbrechts. Eine Erbschaftsschenkung liege nicht vor. Der Vater der Kläger habe in Anwesenheit des Zweitbeklagten das Ausschlagungsformular unterschrieben und ihn gebeten, dieses dem Gerichtskommissär zu übergeben. Weiters erhoben die Beklagten eine Aufrechnungseinrede und wandten ein, dass eine allfällige Stattgebung des Klagebegehrens nur Zug-um-Zug gegen die Zahlung der behaupteten Gegenforderung erfolgen dürfe.
[5] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und wies die erhobene Aufrechnungseinrede sowie die Zug‑um‑Zug-Einrede ab. Es hielt die Klärung der Frage, ob die Ausschlagungserklärung tatsächlich vom Vater der Kläger stamme, nicht für erforderlich. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, läge eine Erbschaftsschenkung vor. Wäre nämlich der Vater der Kläger vor seinem Vater verstorben, so wären die Kläger nach §§ 733, 734 ABGB als Nachberufene in dessen Erbrecht eingetreten und nicht die Beklagten. Die Ausschlagung unterliege daher dem Formerfordernis des § 1278 Abs 2 ABGB. Da die dem Gerichtskommissär übergebene Erklärung das Formerfordernis nicht erfülle, sei sie jedenfalls unwirksam.
[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands für jeden der Kläger jeweils 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, dass es darauf, ob die Ausschlagungserklärung zu ihrer Wirksamkeit eines Notariatsakts bedürfe, nicht ankomme, weil die Erklärung entgegen 2 Ob 53/09x nicht vom ausschlagenden Erben selbst an den Gerichtskommissär übermittelt worden sei. Dadurch sei ihm die Dispositionsmöglichkeit über die Unwiderruflichkeit der Ausschlagung genommen worden. Es liege daher bereits aus diesem Grund keine wirksame Ausschlagung der Erbschaft durch den Vater der Kläger vor.
[7] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.
[8] Die Kläger beantragen in der ihnen durch den Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung , die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
[9] Die Beklagten stützen sich auf die Entscheidung 2 Ob 215/19k, in der der Oberste Gerichtshof klargestellt habe, dass der Ausschlagende seine Erklärung auch durch Vertreter oder Boten an das Verlassenschaftsgericht bzw den Gerichtskommissär übermitteln könne. Die Beklagten hätten schon in erster Instanz vorgebracht, der Vater der Kläger habe sich zulässig des Zweitbeklagten als Boten bedient. Insoweit liege ein sekundärer Verfahrensmangel vor. Aber auch der Begründung des Erstgerichts sei nicht zu folgen. Die Kläger könnten schon deshalb nicht als Nachberufene gelten, weil sich die Ausschlagung auch auf sie erstrecke, wie dies nunmehr auch der Zweifelsregel des § 758 Abs 2 Satz 2 ABGB idF des ErbRÄG 2015 entspreche. Die Nächstberufenen, die bei Wegfall des Ausschlagenden und seiner Nachkommen gesetzlich ohnehin zum Zug gekommen wären, seien somit die Witwe und die Beklagten. Es liege eine wirksame Ausschlagung der Erbschaft nach § 805 ABGB vor, die keines Notariatsakts bedürfe.
Rechtliche Beurteilung
[10] Die Revision ist zulässig , weil es klarstellender Ausführungen durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Das Rechtsmittel ist im Sinn des Eventualantrags auch berechtigt.
[11] 1. Miterbe als Bote der Erbausschlagungserklärung?
[12] 1.1. Will ein zum Erbe Berufener die Erbschaft nicht annehmen, kann er entweder untätig bleiben oder sie ausdrücklich ausschlagen ( Sailer in KBB 6 §§ 799–800 Rz 9). Die einem Erben nach § 805 ABGB freistehende – zufolge § 806 ABGB unwiderrufliche (RS0013014) – Erklärung, die Erbschaft auszuschlagen, ist eine dem Verlassenschaftsgericht bzw dem Gerichtskommissär gegenüber abzugebende einseitige Parteienerklärung mit auch materiellen Wirkungen (RS0007910). Sie unterliegt denselben Formerfordernissen wie die positive Erklärung, erfordert daher Schriftlichkeit und bewirkt, dass die Erbschaft dem Ausschlagenden als nicht angefallen gilt (7 Ob 2398/96i; 3 Ob 229/02a; RS0025116). Mit der formlosen Kenntnisnahme durch Gericht oder Gerichtskommissär tritt die Unwiderruflichkeit der Ausschlagung ein (6 Ob 3/09y EF‑Z 2010/19, 34 [ Volgger ]). In der Rechtsprechung wurde es als ausreichend erachtet, wenn eine vom Notar in seiner Eigenschaft als Gerichtskommissär oder bevollmächtigter Abhandlungspfleger verfasste Verzichtserklärung vom Berufenen unterfertigt und dem Notar zugeleitet wird, welcher sodann die Erklärung dem Verlassenschaftsgericht vorlegt (RS0005936 [T1]).
[13] 1.2. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass die genauen Umstände der Übergabe der Ausschlagungserklärung durch den Zweitbeklagten wegen der in der Entscheidung 2 Ob 53/09x dargelegten Grundsätze nicht geklärt werden müssten. Dem kann nicht gefolgt werden:
[14] 1.2.1. Der Entscheidung 2 Ob 53/09x SZ 2009/115 lag der Fall zugrunde, dass nur einer von zwei Erbanwärtern die Durchführung der Verlassenschaft im schriftlichen Weg beantragt hatte und dazu eine gegenüber einem anderen Notar als dem Gerichtskommissär abgegebene Erbverzichtserklärung des anderen Erbanwärters vorlegte. Der Oberste Gerichtshof bestätigte die diesen Antrag abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen und verwies auf die in § 157 AußStrG geregelten Pflichten des Gerichtskommissärs, wonach dieser die als Erben in Frage kommenden Personen zur Abgabe ihrer Erklärungen aufzufordern und sie über deren Rechtsfolgen zu belehren habe. Diese gesetzlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt, wenn eine Erklärung, sowohl auf das Erbrecht als auch auf die Verfahrensteilnahme zu verzichten, nicht vom Ausschlagenden selbst, sondern von einem „konkurrierenden“ Erben abgegeben werde. Andernfalls könne der „konkurrierende“ Erbe über die Widerruflichkeit des Erbverzichts disponieren und dem davon betroffenen Erben wäre diese Dispositionsbefugnis genommen, obwohl es allein Sache des jeweiligen Erben und nicht die eines anderen sei, den eigenen Erbverzicht (durch Bewirkung des Zugangs bei Gericht bzw Gerichtskommissär) unwiderruflich zu machen (vgl RS0125389).
[15] 1.2.2. Der hier zu beurteilende Fall unterscheidet sich von jenem schon darin grundlegend, dass der Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren nach dem Erblasser die in § 157 AußStrG vorgesehenen Verfahrensschritte durchgeführt hat. Der Vater der Kläger wurde von seinem Erbrecht verständigt, zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert und (vergeblich) zu der Verlassenschaftsabhandlung geladen. Die in der zitierten Vorentscheidung beurteilte Frage, ob die in dieser Gesetzesstelle geregelten Voraussetzungen durch die Vorlage der Ausschlagungserklärung durch einen Dritten verletzt sein könnten, stellt sich daher von vornherein nicht.
[16] 1.2.3. Zuletzt hat der Senat in der Entscheidung 2 Ob 215/19k in einem Fall, in dem der Notar, den die Erbin zur Abgabe der Ausschlagungserklärung aufgesucht hatte, diese Erklärung an den Gerichtskommissär weiterleitete, klarstellend ausgeführt, der Entscheidung 2 Ob 53/09x könne nicht entnommen werden, dass die Erklärung auch bei Vorlage durch einen Vertreter oder Boten des Erklärenden unwirksam wäre. Den – für die Wirksamkeit der Ausschlagung maßgebenden – Zugang an das Gericht oder den Gerichtskommissär „bewirken“ könne der Ausschlagende auch durch die Post, einen Boten oder einen Vertreter; eine Befugnis, über die Erklärung – etwa im Auftrag der Beklagten – zu „disponieren“, habe der Notar konkret nicht gehabt. Es bestehe daher kein Zweifel, dass es die Erklärende selbst gewesen sei, die durch den Notar als Vertreter oder Boten den Zugang der Erklärung an das Gericht „bewirkt“ habe. Die Lage sei nicht anders, als wenn sie die Erklärung dem Gericht mit der Post geschickt hätte.
1.3. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob auch ein „konkurrierender“ Miterbe ein solcher Bote sein kann, oder ob er von vornherein als solcher ausgeschlossen ist. Nach Auffassung des Senats ist – jedenfalls auf Grundlage des hier zu unterstellenden Sachverhalts – Ersteres zu bejahen. Auch wenn der vom Gerichtskommissär nach § 157 AußStrG zu einer Erklärung aufgeforderte Erbanwärter einen Miterben ersucht, die von ihm bereits unterfertigte Erklärung über die Ausschlagung der Erbschaft beim Gericht oder Gerichtskommissär abzugeben, disponiert er damit über sein Erbrecht und ist diese Form der Weiterleitung nicht anders zu werten, als hätte er sich zur Übermittlung der Post bedient. Hat sich der Erbanwärter definitiv zur Ausschlagung der Erbschaft durch Unterfertigung der Erklärung und Übergabe des Originals entschlossen, ist kein Grund ersichtlich, die erfolgreiche Übermittlung der Erklärung an das Verlassenschaftsgericht oder den Gerichtskommissär durch einen Miterben als unwirksam zu qualifizieren. Hat er sich noch nicht endgültig entschlossen, wird er die Erklärung auch nicht weitergeben. Werden dagegen – hier zumindest angedeutete – Malversationen behauptet, sind diese Vorwürfe unabhängig davon, auf welchem Weg die Erklärung dem Gericht zugekommen ist, von den Tatsacheninstanzen nach Maßgabe des Vorbringens des Behauptenden aufzuklären.
[17] 1.4. Die Streitteile haben entsprechendes Tatsachenvorbringen erstattet. Es fehlen jedoch Feststellungen sowohl zur bestrittenen Echtheit der Unterschrift auf der Ausschlagungserklärung als auch zum Ablauf der Übergabe, insbesondere ob der Zweitbeklagte vom Vater der Kläger mit der Weiterleitung der Erklärung an das Gericht oder den Gerichtskommissär beauftragt worden ist.
[18] 1.5. Allerdings wäre die bestätigende Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis zutreffend, wenn der Begründung des Erstgerichts zu folgen wäre, sodass im nächsten Schritt zu prüfen ist, ob im vorliegenden Fall die Ausschlagung der Erbschaft in Form eines Notariatakts erfolgen hätte müssen.
[19] 2. Zum Erfordernis eines Notariatsakts:
[20] 2.1. Rechtsprechung:
[21] 2.1.1. Nach der bisherigen Rechtsprechung ist eine Ausschlagung der Erbschaft dann anzunehmen, wenn der Ausschlagende schlechthin auf den ihm zugefallenen Nachlass verzichtet, mit der Wirkung, dass die Erbschaft nicht ihm, sondern denjenigen Personen anfällt, die berufen gewesen wären, wenn er bereits vor dem Anfall weggefallen wäre (RS0013018). Der Ausschlagende bestimmt autonom, ob durch seine Erklärung seine Nachkommen begünstigt werden sollen oder nicht, sei es, dass er einen anderen positiv begünstigen will, sei es, dass er nur negativ den Willen äußert, dass seine Nachkommen vom Erbrecht ausgeschlossen sein sollen. Hatte der Ausschlagende keinen Willen dahin geäußert, ob das Freiwerden seiner Erbquote seinen Nachkommen zugute kommen soll oder nicht, war seine Erklärung vor dem ErbRÄG 2015 nach den Umständen des Falles und den vom Ausschlagenden verfolgten Zielsetzungen auszulegen (1 Ob 739/82 SZ 55/165; 6 Ob 3/09y mwN; RS0007909 [T2]). Nunmehr bestimmt § 758 Abs 2 Satz 2 ABGB idF des ErbRÄG 2015, dass sich die Ausschlagung im Zweifel auch auf die Nachkommen erstreckt. Darauf wird noch zurückzukommen sein.
[22] 2.1.2. Wie schon mehrfach erwähnt wurde, hat die wirksame Ausschlagung der Erbschaft die Wirkung, dass die Erbschaft als dem Ausschlagenden nicht angefallen gilt, sodass anzunehmen ist, das Recht sei schon mit dem Tod des Erblassers den Nachberufenen angefallen (1 Ob 25/06t; RS0025116). Wird die gesamte Erbschaft oder eine Quote zu Gunsten bestimmter Personen ausgeschlagen, denen die Erbschaft oder die Quote des Ausschlagenden bei dessen Wegfall ohnedies zur Gänze angefallen wäre, liegt eine „schlichte“ Ausschlagung nach § 805 ABGB und nicht eine qualifizierte Ausschlagung „zugunsten Dritter“ im Sinne einer Erbschaftsschenkung vor (10 ObS 37/94 SZ 67/175; RS0025121).
[23] 2.1.3. Eine Ausschlagung des Erben zugunsten von Personen, die bei seinem Wegfall nicht ohnedies zu Erben berufen wären, bedarf dagegen als Erbschaftsschenkung der Annahme durch den Begünstigten und gemäß § 1278 Abs 2 ABGB eines Notariatsakts oder eines gerichtlichen Protokolls (6 Ob 3/09y; 2 Ob 134/20z; RS0013025 [T5]). Im Fall der Entscheidung 6 Ob 3/09y hatte der Sohn der Erblasserin auf seinen Erbteil mit Wirkung für sich und seinen Sohn, nicht aber für seine Tochter verzichtet, was mangels Notariatsakts zur Unwirksamkeit der Erbausschlagung führte, weil der Tochter die Erbschaft (Quote) des Verzichtenden bei seinem Wegfall nicht zur Gänze angefallen wäre (RS0013018).
[24] 2.2. Literatur:
[25] 2.2.1. Kogler (Die Ausschlagung im neuen Erbrecht, EF‑Z 2018/2, 4 [6 f]), billigt der neuen Regelung des § 758 Abs 2 Satz 2 ABGB trotz ihrer Ansiedelung im Pflichtteilsrecht allgemeine Geltung zu, die nicht nur dann eingreife, wenn ein Plichtteilsberechtigter ausschlägt, sondern bei jeder Ausschlagung einer Erbschaft. Er sieht darin allerdings keine Zweifelsregel, sondern eine Dispositivnorm, sodass es für die Wirkungserstreckung auf die Nachkommen, „nur“ um den Inhalt der einseitigen Ausschlagungserklärung gehe, also darum, ob der Erbe nur für sich oder für sich und seine Nachkommen ausschlägt.
[26] 2.2.2. Auch Arnold/Schwarzenegger (Die erbrechtliche Position von Kindeskindern nach dem ErbRÄG 2015, JBl 2017, 152 [156]) konstatieren zwar, dass die Anordnung des § 758 Abs 2 Satz 2 ABGB systematisch besser bei § 805 ABGB aufgehoben gewesen wäre. Unmissverständlich sei aber klargestellt, dass die Ausschlagung im Zweifel auch für die Nachkommen des Ausschlagenden wirke. Die Reichweite der Ausschlagung sei vorrangig durch Auslegung zu ermitteln.
[27] 2.2.3. Hingegen sei es laut Nemeth (in Schwimann/Kodek 5 § 805 ABGB Rz 8) aufgrund des Umstands, dass sich dem Gesetzeswortlaut des § 805 ABGB selbst kein Hinweis hinsichtlich der Erstreckung der Erklärung auf die Nachkommen entnehmen lässt, nicht selbstverständlich, dass die Wertung des § 758 Abs 2 Satz 2 ABGB „automatisch“ auf die Fälle der Ausschlagung zu erstrecken sei (vgl auch dies aaO bei § 758 Rz 11).
[28] 2.2.4. Nach Christandl (in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang³ §§ 733, 734 Rz 11) entfällt aufgrund des § 758 Abs 2 Satz 2 ABGB das gesetzliche Erbrecht der Nachkommen des Ausschlagenden, sofern sich der Ausschlagung im Wege der Auslegung nicht entnehmen lasse, dass dies nicht gelten solle. Verblieben trotz Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden Zweifel daran, ob der Ausschlagende die Ausschlagung nur auf sich habe beziehen wollen, so gelte die Ausschlagung auch für die Nachkommen. Dabei handle es sich nicht um eine Ausschlagung zu Lasten der Nachkommen, denn diese Rechtsfolge entspringe einer gesetzlichen Anordnung und nicht einer privatautonomen Entscheidung des Ausschlagenden.
[29] 2.2.5. Welser (Erbrechts-Kommentar § 805 ABGB Rz 7) und Ferrari (in Ferrari/Likar-Peer , Erbrecht² Rz 12.30) beschränken sich auf den Hinweis, dass sich nun die Ausschlagung der Erbschaft im Hinblick auf § 758 Abs 2 ABGB nF im Zweifel auch auf die Nachkommen erstreckt.
[30] 2.2.6. Soweit ersichtlich setzen sich die genannten Autoren nicht explizit mit der Frage auseinander, ob sich durch die Regelung des § 758 Abs 2 Satz 2 ABGB nF am Kreis derer, die infolge einer „schlichten“ Ausschlagung nach § 805 ABGB erwerben können bzw jener, für die § 1278 ABGB maßgeblich ist, etwas geändert hat, und was zu gelten hat, wenn der Ausschlagende – wie hier – die Wirkung der Ausschlagung ausdrücklich auf seine Nachkommen erstreckt.
[31] 2.3. Schlussfolgerungen:
[32] 2.3.1. Klarheit besteht aufgrund der bisherigen und weiterhin gültigen Rechtsprechung (vgl Punkt 2.1.2.) jedenfalls insoweit, als die Ausschlagung nach § 805 ABGB die Formerfordernisse des § 1278 Abs 2 ABGB nicht erfüllen muss. Ob es sich bei der Bestimmung des § 758 Abs 2 Satz 2 ABGB nF hinsichtlich der Ausschlagung um eine Dispositivnorm oder eine Zweifelsregel handelt, kann hier auf sich beruhen. Denn der Vater der Kläger hat – nach dem zu unterstellenden Sachverhalt – die Wirkung der Ausschlagung ausdrücklich auf seine Nachkommen erstreckt. Die Beurteilung, wem nach dem ausschlagenden Erben bei dessen „Wegfall“ die Erbschaft oder die Quote „ohnedies“ zugefallen wäre, ist daher um den Aspekt zu erweitern, dass mit dem Erben in Bezug auf das Erbrecht auch dessen Nachkommen „weggefallen“ sind. Auch diesen gilt infolge der Wirkungserstreckung der Ausschlagung die Erbschaft als nicht angefallen.
[33] 2.3.2. Nächstberufene im Sinne der obigen Ausführungen sind daher die übrigen gesetzlichen Erben, demnach die Witwe und die Beklagten. Es liegt somit ein Fall der „schlichten“ Ausschlagung nach § 805 ABGB vor, bei der es eines Notariatsakts nicht bedarf.
[34] 2.3.3. Zu demselben Ergebnis käme man auch, wenn der Vater der Kläger die Ausschlagung nicht ausdrücklich auf die Nachkommen erstreckt hätte. Denn dann käme die Regelung des § 758 Abs 2 Satz 2 ABGB zum Tragen:
a) Sieht man darin eine Dispositivnorm ( Kogler ), so bliebe es bei der gesetzlichen Regelung und die Nachkommen kämen schon kraft gesetzlicher Anordnung als „Nächstberufene“ nicht in Betracht.
b) Sieht man darin eine Zweifelsregel (so die offenbar überwiegende Ansicht), wäre zunächst im Auslegungsweg zu ermitteln, ob der Ausschlagende auch seine Nachkommen vom Erbrecht ausschließen wollte oder nicht. Lässt sich sein Wille nicht eindeutig klären, käme die Zweifelsregel zur Anwendung, wonach sich die Ausschlagung auf die Nachkommen erstreckt.
c) Folgte man der Auffassung der Kläger, dass auch in solchen Fällen – Ausschlagung ohne ausdrückliche Wirkungserstreckung – von einer Erbschaftsschenkung auszugehen wäre, würde es an den Voraussetzungen einer solchen regelmäßig fehlen. Es könnte erst ex post beurteilt werden, ob „im Zweifel“ von einer notariatsaktspflichtigen Erbschaftsschenkung auszugehen wäre oder nicht.
[35] 2.3.4. Der erkennende Senat gelangt aufgrund dieser Erwägungen zum Ergebnis, dass zumindest im Fall der ausdrücklichen Ausschlagung der Erbschaft für sich und die Nachkommen die Formerfordernisse des § 1278 Abs 2 ABGB nicht eingehalten werden müssen, sondern die Erklärung auch ohne Notariatsaktsform dazu führt, dass die – abgesehen von den ebenfalls „weggefallenen“ Nachkommen – Nächstberufenen gültig zum Zug kommen.
[36] 3. Ergebnis:
[37] 3.1. Somit trägt auch die Begründung des Erstgerichts die Stattgebung des Klagebegehrens nicht. Dies macht die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen unumgänglich.
[38] Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht somit zunächst zu klären haben, ob die Ausschlagungserklärung überhaupt vom Vater der Kläger stammt. Sollte dies zu bejahen sein, werden auch zu den näheren Umständen der Vorlage der Ausschlagungserklärung an den Gerichtskommissär ergänzende Feststellungen zu treffen sein. Für den Fall, dass dies dann noch erforderlich sein sollte, wird auch auf die vorgebrachte Irrtumsanfechtung einzugehen sein. Erst auf dieser Grundlage wird die Entscheidung über den Anspruch der Kläger möglich sein. Die Abweisung der Aufrechnungseinrede und der Zug‑um‑Zug‑Einrede blieb in der Revision unbekämpft. Dieser Streitpunkt kann im fortgesetzten Verfahren nicht mehr aufgerollt werden.
[39] 3.2. Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 50 Abs 1, 52 Abs 1 ZPO.
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