European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00024.21G.0324.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurswird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.087,42 EUR (hierin enthalten 173,62 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der in Österreich wohnhafte Kläger ist Eigentümer eines von der in Deutschland ansässigen Beklagten hergestellten Pkw der Marke Audi, Modell A6 allroad 3.0 TDI quattro. Er besichtigte dieses (damals bereits gebrauchte) Fahrzeug am 27. März 2017 bei einer in Deutschland situierten (zum selben Konzern wie die Beklagte gehörenden) Händlerin und unterzeichnete noch am selben Tag eine verbindliche Bestellung zu einem Kaufpreis von 63.600 EUR. Nach Erhalt der Auftragsbestätigung überwies er von seinem österreichischen Bankkonto den Kaufpreis an die Händlerin. Diese übermittelte ihm in der Folge die EG‑Übereinstimmungsbescheinigung für das Fahrzeug, aufgrund derer sich der Kläger von einem österreichischen Händler eine Konformitätsbescheinigung ausstellen ließ; anschließend bezahlte er die NoVA und meldete das Fahrzeug in Österreich an. Danach holte er den Pkw am Standort der deutschen Händlerin ab und überstellte ihn nach Österreich.
[2] Mit Schreiben vom 16. Jänner 2019 wurde der Kläger von der P***** GmbH & Co KG darüber informiert, dass Unregelmäßigkeiten in der Motorsteuerungssoftware auch des von ihm erworbenen Fahrzeugs festgestellt worden seien, weshalb ein Software-Update am Motorsteuergerät vorgenommen werden müsse.
[3] Der Kläger begehrt von der Beklagten den Betrag von 15.100 EUR sA als Ersatz für den Minderwert des Fahrzeugs aufgrund der rechtswidrig eingebauten Abschaltvorrichtung. Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts stützte er sich, soweit in dritter Instanz noch relevant, auf Art 7 Nr 2 EuGVVO (2012). Es sei den Vertragsparteien bereits bei Abschluss des Kaufvertrags klar gewesen, dass der Kläger das Fahrzeug nach Österreich importieren und daher auch überwiegend hier nutzen werde. Damit sei der Schaden im Sinn der Ubiquitätstheorie in Österreich eingetreten.
[4] Die Beklagte wendete insbesondere die internationale Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein. Weder der Handlungs‑ noch der Erfolgsort liege in Österreich.
[5] Das Erstgericht erklärte sich für international unzuständig und wies die Klage zurück. Nach dem Urteil des EuGH vom 9. Juli 2020, C-343/19 , VKI, sei die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte nach Art 7 Nr 2 EuGVVO in Fällen wie dem hier vorliegenden nur dann eröffnet, wenn der Käufer das Fahrzeug in Österreich erwerbe und übergeben erhalte, weil der Schaden erst mit Übergabe an den Erwerber real eintrete.
[6] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Da der Kläger den Kaufvertrag in Deutschland abgeschlossen und das Fahrzeug dort von der Verkäuferin übernommen habe, liege der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei, in Deutschland. Auf das Argument des Klägers, es sei schon bei Kaufvertragsabschluss festgestanden, dass er das Fahrzeug nach Österreich importieren und überwiegend hier nutzen werde, komme es nicht an.
[7] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage zu, ob die dem Verkäufer bekannte Absicht des Käufers, das im Ausland erworbene Fahrzeug im Anschluss nach Österreich zu importieren und überwiegend in Österreich zu nutzen, die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte gemäß § 7 Nr 2 EuGVVO begründen könne.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Revisionsrekurs des Klägers ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.
[9] 1. Der Vorabentscheidung des EuGH vom 9. Juli 2020, C-343/19 , VKI, lag der Sachverhalt zugrunde, dass in Österreich wohnhafte Verbraucher neue oder gebrauchte, in einem anderen Mitgliedstaat (konkret in Deutschland) hergestellte Fahrzeuge, deren Motoren mit einer unzulässigen „Abschalteinrichtung“ versehen waren, in Österreich gekauft und übergeben erhalten hatten. Der EuGH legte dar, dass der in jenem Verfahren (wie auch im vorliegenden Prozess) geltend gemachte Schaden in der Wertminderung der Fahrzeuge bestehe, die sich aus der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem tatsächlichen (geringeren) Fahrzeugwert aufgrund des Einbaus einer Software, in der die Daten über den Abgasausstoß manipuliert werden, ergebe. Wenngleich die Fahrzeuge bereits beim Einbau dieser Software mit einem Mangel behaftet gewesen seien, habe sich der geltend gemachte Schaden erst zum Zeitpunkt des Kaufs der Fahrzeuge durch ihren Erwerb zu einem über ihrem tatsächlichen Wert liegenden Preis verwirklicht. In einem solchen Fall befinde sich der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs iSd Art 7 Nr 2 EuGVVO daher in jenem (anderen) Mitgliedstaat, in dem das Fahrzeug bei einem Dritten erworben werde.
[10] 2. Dass die Vorinstanzen unter Zugrundelegung dieser Vorabentscheidung zum Ergebnis kamen, dass der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs in Deutschland liege, weshalb das Erstgericht international unzuständig sei, ist nicht zu beanstanden:
[11] 2.1. Der EuGH geht in der zitierten Vorabentscheidung davon aus, dass sich der (auch hier) geltend gemachte Schaden im Moment des Erwerbs des von der Manipulation betroffenen Fahrzeugs und damit an jenem Ort verwirklicht, an dem dieser Erwerb stattfindet. Der Kläger hat das Fahrzeug in Deutschland gekauft und übernommen. Damit hat sich der Schaden an dem in Deutschland gelegenen Kaufort verwirklicht.
[12] 2.2. Auch wenn der Verkäuferin bereits bei Vertragsabschluss die Absicht des Klägers bekannt war, das Fahrzeug nach Österreich zu importieren und hier überwiegend zu nutzen, kann dies nichts daran ändern, dass der Kaufvertragsabschluss und die Übergabe in Deutschland erfolgten und der Kläger das Fahrzeug ohne Mitwirkung der Verkäuferin nach Österreich brachte.
[13] 2.3. Es kann auch keine Rede davon sein, dass kein Unterschied zwischen der hier zu beurteilenden Konstellation und einem Fall bestünde, in dem das Fahrzeug dem in Österreich wohnenden Käufer von dem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Verkäufer in Österreich verkauft und übergeben wird. Im Gegenteil kommt es im Lichte der Vorabentscheidung C-343/19 , VKI, entscheidend darauf an, ob der Käufer das Fahrzeug in seinem Wohnsitzmitgliedstaat gekauft und übernommen hat, oder ob er – wie hier der Kläger – für den Erwerb einen anderen Mitgliedstaat aufgesucht und das Fahrzeug von dort an seinen Wohnsitz überstellt hat.
[14] 2.4. Dass der Kläger den Kaufpreis zuvor von seinem bei einer österreichischen Bank geführten Konto an die Verkäuferin überwiesen hat, ist in der vorliegenden Konstellation ebenfalls ohne Bedeutung, weil es hier – anders als etwa in dem der Vorabentscheidung des EuGH vom 12. September 2018, C-304/17 , Löber, zugrunde liegenden Fall einer auf Prospekthaftung gestützten Klage gegen den Emittenten – nicht um einen bereits unmittelbar mit der Tätigung einer Überweisung vom Bankkonto des Anlegers verwirklichten Schaden geht, sondern um den Erwerb einer mangelhaften körperlichen Sache.
[15] 2.5. Es trifft auch nicht zu, dass der Kläger als Käufer eines Gebrauchtwagens schlechter gestellt wäre, als wenn er einen Neuwagen von derselben Verkäuferin erworben hätte. Hätte er unter ansonsten identischen Umständen ein fabriksneues Fahrzeug gekauft, könnte er nach dem oben Gesagten nämlich ebenfalls nicht unter Berufung auf Art 7 Nr 2 EuGVVO einen Gerichtsstand in Österreich gegen den Hersteller in Anspruch nehmen.
[16] 2.6. Soweit sich der Kläger erstmals in dritter Instanz darauf beruft, dass das von ihm letztlich erworbene Fahrzeug im Internet „in deutscher Sprache, also auch im österreichischen Bundesgebiet“ auf einer offiziellen Plattform zum Kauf angeboten worden sei, was nach den Grundsätzen des (richtig:) Art 6 Abs 1 lit b Rom I‑VO zur Anwendbarkeit österreichischen Rechts führe, handelt es sich um eine unzulässige und damit unbeachtliche Neuerung.
[17] 2.7. Angesichts des eindeutigen Ergebnisses der Vorabentscheidung C‑343/19 , VKI, ist das vom Kläger angeregte ergänzende Vorabentscheidungsersuchen entbehrlich.
[18] 3. Der Revisionsrekurs muss daher erfolglos bleiben.
[19] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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