European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00015.21V.0323.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** B***** jeweils mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 (richtig) vierter Fall StGB idF BGBl I 2013/116 (A), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (B), des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (C) und der schweren Nötigung nach § 105 Abs 1, § 106 Abs 1 Z 1 (erster und zweiter Fall) StGB (G) sowie jeweils mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (D), der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB (E) und der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB (F) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit hier von Bedeutung – in W***** seine Tochter Milana Be*****
A./ von August 2013 bis zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt im Jahr 2014 in mehreren Angriffen mit Gewalt zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung, nämlich zur Durchführung eines Oralverkehrs, genötigt, indem er sie jeweils an einer Hand erfasste, sie von ihrer liegenden Stellung im Bett in eine sitzende Position hochzog, sie am Nacken erfasste und seinen Penis so lange gegen ihren Mund drückte, bis sie diesen öffnete, wobei er in einem Fall in ihren Mund und in einem anderen Fall in ihr Gesicht ejakulierte, wodurch er sie in besonderer Weise erniedrigte;
G./ von 2012 bis Herbst 2019 seine durch Drohungen mit einer erheblichen Verstümmelung und mit dem Tod zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme davon, jemandem von seinen (von den übrigen Punkten des Schuldspruchs erfassten) Übergriffen zu erzählen, indem er 2012 einmal ihre (über seine Aufforderung) herausgestreckte Zunge festhielt, ein Messer hervorholte und ankündigte, diese abzuschneiden, und im übrigen Zeitraum mehrmals jährlich äußerte, er werde sie umbringen, wobei er in einem Fall diese Drohung auch damit unterstrich, dass er drohend ein Kabel in der Hand hielt (vgl US 5 f).
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, (nominell) 5a und 10 StPO ergriffene – lediglich gegen die Subsumtion nach § 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB zu Punkt G des Schuldspruchs gerichtete – Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
[4] Die Mängelrüge kritisiert die im Zusammenhang mit Punkt G des Schuldspruchs getroffene Feststellung, die Familie des Beschwerdeführers habe gewusst, dass dieser „in der Regel ein Klappmesser einstecken hatte“ (US 6), als undeutlich, unbegründet und aktenwidrig (Z 5 erster, vierter und fünfter Fall, nominell [verfehlt] auch Z 5a). Sie verfehlt damit den ausschließlich in Konstatierungen zu entscheidenden Tatsachen gelegenen gesetzlichen Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0117499). Die rechtliche Annahme (vgl RIS‑Justiz RS0092538 [T1]), die zu G inkriminierten Äußerungen seien geeignet gewesen, beim Opfer begründete Besorgnis zu wecken, der Beschwerdeführer sei in der Lage und willens gewesen, die angekündigte Todesfolge gegebenenfalls herbeizuführen (vgl RIS‑Justiz RS0092255 [T4, T15 und T19]; zum Ganzen Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 74 Rz 33 f mwN), stützten die Tatrichter nämlich – dem Beschwerdeeinwand zuwider – nicht auf die kritisierte Urteilspassage. Vielmehr verwiesen sie auf das konstatierte – durch jahrelangen (mittels seiner Autoritätsstellung und teils gewaltsam durchgesetzten) sexuellen Missbrauch gekennzeichnetes – Täterverhalten insgesamt, wobei sie hervorhoben, dass der Beschwerdeführer bei der ersten angelasteten Drohung (mit dem Abschneiden der Zunge des Opfers) ein Messer eingesetzt habe und bei einer weiteren Nötigung „drohend ein Kabel in der Hand hielt“ (US 20 iVm US 5 f).
[5] Die Argumentation der Subsumtionsrüge (Z 10), aus dem regelmäßigen Mitführen eines Messers sei die erforderliche Eignung im Sinn des § 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB „nicht zwangsläufig“ abzuleiten, wird (wie sich aus der Antwort auf die Mängelrüge ergibt) prozessordnungswidrig nicht auf Basis der Gesamtheit des Urteilssachverhalts entwickelt (RIS‑Justiz RS0099810). Gleiches gilt für die Überlegung zum (fehlenden) Bedeutungsinhalt des als (unterstützendes) Nötigungsmittel eingesetzten Kabels (US 6).
[6] Weshalb es für die rechtsrichtige Subsumtion darauf ankomme, dass das Opfer den möglichen Eintritt der Todesfolge tatsächlich befürchtet habe, wird nicht erklärt (vgl demgegenüber RIS‑Justiz RS0092753).
[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[8] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die gegen den Strafausspruch gerichtete Berufung (§ 285i StPO). Dieses wird dabei zu berücksichtigen haben, dass der Schuldspruch wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 (richtig) vierter Fall StGB idF BGBl I 2013/116 einen nicht zum Nachteil des Angeklagten wirkenden, demnach nicht von Amts wegen aufzugreifenden Subsumtionsfehler (Z 10) aufweist (vgl Ratz , WK-StPO § 290 Rz 23). Der Günstigkeitsvergleich (§ 61 zweiter Satz StGB) ist stets konkret auf Basis des festgestellten Sachverhalts vorzunehmen (RIS-Justiz RS0119085 [T5 und T8]). Der auf dessen Grundlage (richtig mehrfach [14 Os 12/19z]) subsumierte § 201 Abs 2 (vierter Fall) StGB war in der zur Tatzeit geltenden Fassung (zufolge gleicher Strafdrohung) nicht günstiger als in der im Urteilszeitpunkt geltenden, weshalb nach § 61 zweiter Satz StGB Letztere anzuwenden gewesen wäre. Ein Schuldspruch nach dem (zur Urteilszeit ungünstigeren) Grundtatbestand des § 201 Abs 1 StGB (wegen weiterer real konkurrierender strafbarer Handlungen [vgl RIS‑Justiz RS0089011]) erfolgte im Übrigen nicht, weshalb die hier für den Günstigkeitsvergleich nicht von Bedeutung ist. Angesichts dieses Hinweises ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870).
[9] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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