OGH 15Os16/21y

OGH15Os16/21y17.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. März 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen J***** R***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 16. Oktober 2020, GZ 37 Hv 100/20s‑156, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00016.21Y.0317.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde J***** R***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG (I./1./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und § 15 StGB (I./2./), des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 2 dritter Fall SMG (I./3./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (I./5./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (I./6./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (III./1./) und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (III./2./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in N***** und anderen Orten

I./ vorschriftswidrig Suchtgift

1./von zumindest Oktober 2017 bis 16. Dezember 2019 in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) das 25‑fache übersteigenden Menge, nämlich Amphetamin mit einem Reinheitsgehalt von ca 71,4 %, Methamphetamin mit einem Reinheitsgehalt von ca 78,3 %, Cannabiskraut mit Reinheitsgehalten von ca 12,4 % THCA und 0,94 % Delta‑9‑THC, MDMA mit einem Reinheitsgehalt von ca 75,2 %, LSD-Trips mit dem Wirkstoff LSD, XTC‑Tabletten mit dem Wirkstoff MDMA, Heroin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 10 % und Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 20 %, zahlreichen Abnehmern überlassen, und zwar

1./1/ im Zeitraum von 2018 bis 16. Dezember 2019 zumindest 4.300 Gramm Amphetamin, „und zwar 2.800 Gramm, die A***** S***** an andere weitergegeben hat und 1.500 Gramm, die im Bunker lagen“, 900 Gramm Methamphetamin, 2.500 Gramm Cannabiskraut, 21 Gramm MDMA, 306 LSD-Trips, 1.011 Stück XTC-Tabletten, 60 Gramm Heroin und 100 Gramm Kokain dem A***** S*****,

….

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf Z 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Die Tatrichter gründeten ihre Feststellungen zu den von I./1./ erfassten Suchtgiftmengen – logisch und empirisch mängelfrei – auf die Aussagen des A***** S***** im Zusammenhalt mit den Angaben seiner Abnehmer (S***** H*****, L***** P*****, D***** Pr*****) und den am Computer des Angeklagten gesicherten Schuldenständen und Bestelllisten (US 16 ff, 19 und 21 f). Welche Angaben des Angeklagten diesen Feststellungen erörterungsbedürftig entgegenstehen sollten, legt die eine Unvollständigkeit reklamierende Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht dar.

[5] Entgegen dem weiteren Vorbringen (Z 5 vierter Fall) blieben die Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf das Überlassen einer übergroßen Menge Suchtgift (US 10; I./1./) nicht offenbar unbegründet (Z 5 vierter Fall). Sie wurden von den Tatrichtern – in unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit unbedenklicher Weise – aus dem objektiven Tatgeschehen, nämlich den hohen in Verkehr gesetzten Mengen und dem Vorliegen eines groß angelegten Suchtgiftvertriebssystem abgeleitet (US 24, 26).

[6] Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

[7] Mit der Behauptung, der Zeuge H***** habe kein „stringentes Aussageverhalten an den Tag“ gelegt und auch die Aussagen „diverser anderer einvernommener“ (von der Rüge aber nicht genannter) Personen hätten Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieses Zeugen zugelassen sowie mit dem Verweis auf die weitreichend geständige Verantwortung des Rechtsmittelwerbers gelingt es der Beschwerde nicht, beim Obersten Gerichtshof solch erhebliche Bedenken zu erwecken.

[8] Mit der Aussage des Zeugen Pr*****, H***** erzähle „viele Geschichten“ und wolle „halt cool dastehen“, haben sich die Tatrichter ebenso auseinandergesetzt (US 23; der Sache nach Z 5 zweiter Fall) wie mit der Frage möglicher anderer Suchtgiftlieferanten (US 15, 18).

[9] Entgegen der der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) offenbar zugrunde gelegten Prämisse wurde das „Überlassen über die Grenzmenge hinausgehender Suchtgiftquanten“ von den Tatrichtern „nicht gesondert bzw separat einem weiteren Verbrechen nach § 28a Abs 1 SMG“ unterstellt (zur echten Konkurrenz von Ein‑ und Ausfuhr [§ 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG] einerseits und Überlassen [§ 28a Abs 1 fünfter Fall SMG] andererseits vgl RIS‑Justiz RS0118871; Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 27 Rz 62/1). Weshalb daher die Wertung des Zusammentreffens von drei Verbrechen (I./1./, I./2./ und III./1./) mit mehreren Vergehen als erschwerend bei der Strafbemessung (US 27 f) nichtig sein sollte, vermag der Beschwerdeführer nicht darzulegen.

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte