OGH 8Nc8/21z

OGH8Nc8/21z26.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers mj A*****, geboren am *****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, als Kinder- und Jugendhilfeträger, *****, dessen Mutter Ai*****, und den Antragsgegner H*****, wegen Feststellung der Abstammung, aufgrund der vom Bezirksgericht Josefstadt verfügten Vorlage des Aktes AZ 23 Fam 1/21a zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080NC00008.21Z.0226.000

 

Spruch:

Der Akt wird dem Bezirksgericht Villach zurückgestellt.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag auf Feststellung der Abstammung des zum Zeitpunkt der Antragstellung am 24. 5. 2019 mit seiner Mutter und seiner Schwester in einer Flüchtlingsunterkunft in V***** wohnhaften Minderjährigen. Die Mutter und die Kinder sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und als Asylwerber im Inland aufhältig. Der Antragsgegner wohnt in Tschetschenien.

[2] Mit Beschluss vom 10. 8. 2020 übertrug das zunächst in dieser Rechtssache angerufene Bezirksgericht Vöcklabruck die Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 1 JN an das Bezirksgericht Villach, weil sich der Minderjährige nunmehr in einem Containerdorf in V***** aufhalte.

[3] Das Bezirksgericht Villach übernahm die Zuständigkeit mit Beschluss vom 18. 8. 2020, schrieb eine Tagsatzung für den 28. 6. 2021 aus und verfügte die Zustellung ua des Antrags und der Ladung nach Übersetzung in die russische Sprache an den Antragsgegner im Rechtshilfeweg.

[4] Mit Schreiben vom 2. 11. 2020 teilte die Mutter mit, dass sie mit ihren Kindern in ein Flüchtlingsheim in W***** verlegt worden sei. Daraufhin beraumte das Bezirksgericht Villach die Tagsatzung ab, widerrief das Rechtshilfeersuchen und übertrug mit Beschluss vom 10. 11. 2020 die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Rechtssache nach § 111 Abs 1 JN an das Bezirksgericht Josefstadt.

[5] Das Bezirksgericht Josefstadt lehnte die Übernahme der Zuständigkeit unter Rückmittlung des Aktes am 18. 1. 2021 bzw mit Beschluss vom 29. 1. 2021 ab, weil § 111 JN auf Verfahren in Abstammungssachen keine Anwendung finde und der Minderjährige im Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Sprengel des Bezirksgerichts Josefstadt gehabt habe.

[6] Das Bezirksgericht Villach retournierte den Akt daraufhin an das Bezirksgericht Josefstadt mit der Behauptung, dass der Akt vom Bezirksgericht Josefstadt dem gemeinsam übergeordneten Gericht vorzulegen sei.

[7] Letztlich legte das Bezirksgericht Josefstadt die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits vor.

Rechtliche Beurteilung

[8] Diese Vorlage ist verfrüht:

[9] Übertragungsbeschlüsse nach § 111 JN sind durch die Parteien anfechtbar (RIS‑Justiz RS0046981 [insb T5]). Ohne rechtskräftigen Übertragungsbeschluss nach § 111 Abs 1 JN kommt eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nach § 111 Abs 2 JN nicht in Betracht (RS0047067). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das für die Entscheidung über einen Rekurs gegen den Übertragungsbeschluss zuständige Gericht mit dem zur Genehmigung nach § 111 Abs 2 JN berufenen Gericht (hier der Oberste Gerichtshof) nicht ident ist (RS0047067 [T14]). Behebt das Rekursgericht den Übertragungsbeschluss, so ist endgültig über die Unzulässigkeit der Übertragung entschieden. In dem Fall, dass der Übertragungsbeschluss rechtskräftig bestätigt wird, bedarf es dagegen der Genehmigung des übergeordneten Gerichts (jüngst etwa 3 Nc 2/19b).

[10] Der Akt ist daher dem übertragenden Gericht zurückzustellen, das den Übertragungsbeschluss den Verfahrensbeteiligten zuzustellen haben wird (RS0128772). Nur wenn der Übertragungsbeschluss in Rechtskraft erwächst, werden die Akten erneut vorzulegen sein.

[11] Ergänzend ist zu bemerken, dass das übertragende Gericht die Fortdauer seiner Zuständigkeit auch anerkennen und das Verfahren über den offenen Antrag weiterführen kann, indem es seinen Übertragungsbeschluss widerruft. In einem solchen Fall erübrigt sich naturgemäß auch eine Zustellung des Übertragungsbeschlusses an die Parteien (RS0128772 [T1]). Für eine solche Vorgangsweise könnten hier die der Entscheidung 5 Nc 24/15x zugrundeliegenden Erwägungen sprechen.

Stichworte