OGH 5Ob15/21y

OGH5Ob15/21y15.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. M*, und 2. S*, beide vertreten durch Dr. Joachim Tschütscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen sämtliche übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft *, als Antragsgegner, alle vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen §§ 16, 52 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 6. November 2020, GZ 3 R 148/20s (3 R 149/20p)‑39, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130922

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Nach Bewilligung der Umwidmung des Wohnungseigentumsobjekts der Antragsteller (von Gastlokal auf Wohnung) sowie der Änderung der Außenfassade ist Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens nur mehr a) die Herstellung eines Deckendurchbruchs zwischen Wohnungseigentumsobjekt und dessen Zubehör‑Keller samt Errichtung einer Innenstiege und b) die Installation einer Fußbodenheizung. Das Rekursgericht wies den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung (§ 16 WEG) insoweit ab, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[2] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[3] 1.1 Bei der Beurteilung der in § 16 Abs 2 WEG normierten negativen und positiven Voraussetzungen sind alle in Betracht kommenden Umstände der Interessenbeeinträchtigung und die Änderungen in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0109643; RS0083309; 5 Ob 38/19b mwN).

[4] 1. 2 Wenn der änderungswillige Wohnungseigentümer – wie hier die beiden Antragsteller – nicht alleine die Genehmigung einer Widmungsänderung, sondern zugleich die Genehmigung entsprechender baulicher Änderungen begehrt, sind diese Änderungen grundsätzlich in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Selbst wenn ein Wohnungseigentümer (anders als im vorliegenden Fall) seinen Antrag ausdrücklich auf die Widmungsänderung beschränkt, sind die mit der angestrebten Widmungsänderung objektiv notwendig verbundenen Baumaßnahmen in die Beurteilung der Zulässigkeit der Widmungsänderung einzubeziehen. Beeinträchtigen die Baumaßnahmen schutzwürdige Interessen anderer Wohnungseigentümer, führt dies nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG zum Ausschluss des Änderungsrechts. Greifen notwendige bauliche Maßnahmen in allgemeine Teile der Liegenschaft ein, ist nach § 16 Abs 2 Z 2 WEG die Verkehrsüblichkeit oder ein wichtiges Interesse des Wohnungseigentümers notwendig (5 Ob 38/19b).

[5] 1.3 Entgegen dem Verständnis, das die Antragsteller dieser Entscheidung beimessen wollen, bewirkt die Genehmigung einer Widmungsänderung somit nicht zwingend die Bewilligung sämtlicher vom änderungswilligen Wohnungseigentümer im Zusammenhang mit der Umwidmung gewünschten Umbaumaßnahmen. Im Gegenteil: Erfüllen diese die Erfordernisse des § 16 Abs 2 Z 2 WEG nicht, ist auch die Widmungsänderung nicht zu genehmigen.

[6] 2.1 Dem Außerstreitgericht steht bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 2 WEG vorliegen, ein vom Gesetzgeber eingeräumter Ermessensspielraum zu. Solange dieser – wie hier – nicht überschritten wird, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RS0083309 [T9, T16] ua).

[7] 2.2 Maßgeblich für die Beurteilung der Verkehrsüblichkeit ist, ob die konkrete Änderung aufgrund der Beschaffenheit des Hauses, des Umfelds, des Ausmaßes des Eingriffs in die Bausubstanz sowie des Ausmaßes der Inanspruchnahme oder der Umgestaltung allgemeiner Teile verkehrsüblich ist (5 Ob 145/17k mwN).

[8] 3.1 Zubehör‑Keller und Wohnungseigentumsobjekt waren vor Durchführung der baulichen Änderungen durch einen Speiselift, der im Zug des Umbaus entfernt wurde, verbunden. Die Antragsteller sehen die Schaffung eines Deckendurchbruchs und die Herstellung einer Innenstiege im Gegensatz zum Rekursgericht als geringfügigen Eingriff in allgemeine Teile, weil die Geschoßdecke bereits durchbrochen und die Entfernung des Speiselifts samt Verschließung der Öffnung ohnehin eine mit der Umwidmung notwendig verbundene Maßnahme gewesen seien. Anlässlich des Umbaus wurde aber keine bereits bestehende Deckenöffnung ausgenützt. Die Geschoßdecke wurde in größerem Ausmaß geöffnet und es wurde eine Innenstiege als Verbindung zum Keller errichtet. Warum ein direkter Zugang von einem Wohnungseigentumsobjekt zu einem darunterliegenden Zubehör‑Keller, der wie die anderen Keller über Allgemeinflächen zu erreichen ist, am konkreten Standort verkehrsüblich sein sollte, legen die Revisionsrekurswerber nicht dar.

[9] 3.2 Die Beurteilung des Rekursgerichts, der bessere Zugang zum Keller begründe als reine Zweckmäßigkeitsmaßnahme (RS0110977) kein wichtiges Interesse, ziehen die Antragsteller im Revisionsrekurs nicht in Zweifel.

[10] 4. Dass in irgendeinem anderen Objekt der Wohnungseigentumsanlage bereits eine Fußbodenheizung installiert worden wäre, wurde weder behauptet noch festgestellt. Der Oberste Gerichtshof hat in vergleichbaren Fällen die Verkehrsüblichkeit einer Fußbodenheizung nicht bejaht (5 Ob 113/15a; 5 Ob 13/17y). Die Antragsteller behaupten auch nicht, dass die Beheizung ihrer Wohnung mit der vorhandenen Heizung in einer dem angemessenen Wohnstandard entsprechenden Weise unmöglich gewesen wäre.

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