OGH 15Os136/20v

OGH15Os136/20v3.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Februar 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen M***** S***** wegen des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 26. August 2020, GZ 79 Hv 21/20z‑47a, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00136.20V.0203.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen I./ und III./, demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde M***** S***** des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (I./), der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (II./) und der Ausbildung für terroristische Zwecke nach § 278e Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er „von einem unbekannten Tatzeitpunkt im Jahr 2006 bis zu einem unbekannten Tatzeitpunkt im Jahr 2016“ im Libanon,

[3] I./ sich an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, „die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs von Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen, gefährlichen Abfällen, Falschgeld oder Suchtmitteln ausgerichtet ist, die dadurch eine Bereicherung im großen Umfang anstrebt und die andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen versucht“, nämlich an der Terrororganisation „der libanesischen Hisbollah Miliz“, in dem Wissen als Mitglied beteiligt, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen fördert, indem er dieser Organisation freiwillig beitrat, als Kommandant eine Einheit von 60 Kämpfern anführte, sich selbst im Umgang mit Waffen ausbilden ließ und in weiterer Folge selbst für die Terrororganisation Menschen rekrutierte und im Umgang mit Waffen ausbildete;

[4] II./ sich durch die zu Punkt I./ genannte Tat als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an einer terroristischen Vereinigung, nämlich an einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere terroristische Straftaten (§ 278c StGB) ausgeführt werden oder Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) betrieben wird, in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen fördert;

[5] III./ „durch die zu Punkt I./ genannte Tat“ andere Personen im Gebrauch von Schuss- oder sonstigen Waffen zum Zweck der Begehung einer terroristischen Straftat zumindest nach § 278c Abs 1 Z 1, Z 2 und Z 6 StGB unterwiesen, wobei er wusste, dass die vermittelten Fähigkeiten für diesen Zweck eingesetzt werden sollten.

Rechtliche Beurteilung

[6] Dagegen richtet sich die auf Z 5, 5a sowie 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.

[7] Entgegen der Kritik der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu II./ blieb der Umstand, dass der Angeklagte im Libanon gelebt hat und sozialisiert wurde und dort „die Sichtweise bzw die Wahrnehmung der Hisbollah jedenfalls eine andere ist“ als in Österreich, bei Feststellung der subjektiven Tatseite nicht unberücksichtigt, sondern wurde von den Tatrichtern ausdrücklich erwogen (US 20). Das gilt auch für die Einlassung des Angeklagten (ON 20 S 5), wonach er die Hisbollah Miliz nicht als terroristische Vereinigung wahrgenommen und sich als Widerstandskämpfer gesehen hätte (US 16, 20).

[8] Mit dem Verweis darauf, dass bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten keine auf eine Beteiligung bei der Hisbollah Miliz hinweisenden Beweise gefunden wurden, und der Wiederholung seiner Verantwortung, er habe sich für den wahren Fluchtgrund geschämt und deshalb seine Beteiligung erfunden (vgl dazu die Erwägungen der Tatrichter US 18 f), gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (II./) zu erwecken. Gleiches gilt für den zur subjektiven Tatseite gegebenen Hinweis, der Angeklagte habe die Hisbollah Miliz nicht als terroristische (oder kriminelle) Vereinigung wahrgenommen.

[9] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde bereits nach nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[10] Zutreffend aber zeigt die Rüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) zu I./ auf, dass sich die Konstatierung, wonach die Hisbollah Miliz (ua auch) eine Bereicherung in großem Umfang anstrebe (§ 278a Z 2 StGB; US 3; vgl RIS‑Justiz RS0122049), auf die Wiedergabe der verba legalia beschränkt. Denn die von den Tatrichtern konkret festgestellten Straftaten, nämlich (Selbstmord‑)Attentate und Anschläge, Geiselnahmen zwecks Erzwingung der Freilassung eigener Leute sowie kriegerische Auseinandersetzungen mit Israel (US 4 ff), bieten keine Grundlage, die die Beurteilung erlauben würde, dass dadurch eine Bereicherung in einem großen Umfang (vgl dazu Plöchl in WK2 StGB § 278a Rz 19 f) angestrebt wurde.

[11] Der bloßen Wiedergabe der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale mit ihrem Wortlaut (US 3) mangelt es daher vorliegend an der Herstellung eines Sachverhaltsbezugs (vgl auch US 2, 12), sodass tatsächlich gar keine entsprechende Feststellung getroffen wurde (vgl RIS‑Justiz RS0119090).

[12] Zu III./ wendet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu Recht ein, dass der Tatbestand des § 278e StGB erst seit 1. Jänner 2011 in Geltung steht (BGBl I 2010/108). Davor sind die in dieser Bestimmung beschriebenen Verhaltensweisen allenfalls (nur) unter einen oder mehrere Vereinigungstatbestände gefallen.

[13] Aus den Festellungen der Tatrichter geht aber nicht konkret hervor, wann (während des Tatzeitraums 2006 bis 2016; US 1, 11) der Angeklagte andere im Gebrauch von Schuss- oder sonstigen Waffen für terroristische Zwecke (US 11) unterwiesen haben soll. Damit wird auch nicht klar, ob der Angeklagte (auch) nach dem 1. Jänner 2011 solche Tathandlungen gesetzt hat (§ 1, 61 StGB; vgl RIS‑Justiz RS0098557 [T16]).

[14] Diese Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordern – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung der Schuldsprüche I./ und III./.

[15] Auf das auf diese Schuldsprüche bezogene weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde war nicht weiter einzugehen.

[16] Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

[17] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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