OGH 4Ob205/20f

OGH4Ob205/20f22.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U* GmbH, *, vertreten durch CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S* GmbH, *, Deutschland, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert im Sicherungsverfahren 30.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 23. September 2020, GZ 1 R 80/20x‑27, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 30. April 2020, GZ 53 Cg 55/19p‑20, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130396

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie lautet:

Das Sicherungsbegehren des Inhalts, der beklagten Partei werde gegenüber der klagenden Partei für die Dauer des Verfahrens bis zur Rechtskraft des Urteils im geschäftlichen Verkehr verboten, die nationalen Wortmarken „JÖ“ (AT299699 und AT301426) sowie die nationalen Wort‑Bild‑Marken (AT297573 und AT301427) und/oder Zeichen, die diesen Marken ähnlich sind, in der Werbung, insbesondere für die Bewerbung von Software, insbesondere ihrer App „S*“, und/oder die genannten Marken innerhalb ihrer App „S*“ als Hinweis für die angebotenen Mobile‑Wallet‑Dienste zu benutzen,

wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 8.832,66 EUR (darin enthalten 1.202,83 EUR USt und 1.287 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Sicherungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist eine österreichische GmbH, die ein händler- und branchenübergreifendes Multipartnerprogramm unter dem Namen „Jö‑Bonusclub“ betreibt und zu diesem Zweck Jö‑Kundenkarten ausgibt. Sie ist Markeninhaberin der österreichischen Wortmarken „JÖ“ AT299699 und AT301426 mit Prioritäten vom 23. 1. 2018 und 17. 12. 2018 sowie der Wort‑Bild‑Marken AT297573 und AT301427 mit Prioritäten vom 2. 3. 2018 und 17. 12. 2018, die jeweils in den Klassen 9, 35, 36 und 42 geschützt sind. Diese Marken haben in Österreich ein gewisses Maß an Bekanntheit erlangt. Die Mitglieder des Jö‑Bonusclubs erhalten eine Jö‑Kundenkarte und genießen bei den teilnehmenden Partnerunternehmen diverse Vorteile in Form von Rabatt- und Gutscheinaktionen.

[2] Die Beklagte, eine deutsche GmbH, betreibt eine Smartphone‑App („S*“). In dieser App können Nutzer ihre Kundenkarten verschiedener Anbieter speichern und verwalten und über ihr Smartphone verwenden. In der App kann die jeweilige virtuelle Kundenkarte aufgerufen werden; die Kundennummer wird in Form eines Strichcodes angegeben. Die Beklagte bietet auf diese Weise eine Software als Zubehör zu Kundenkarten und Bonusprogrammen vieler anderer Unternehmen an.

[3] Zur Auswahl der vom Nutzer anzulegenden Kundenkarten verwendet die Beklagte in der App eine Auflistung der verfügbaren Unternehmen, die in der Regel unter Abbildung ihrer Marke dargestellt werden. Dabei wird keines der abgebildeten Logos im Vergleich zu den anderen besonders hervorgehoben. Die Beklagte hat auch die Jö‑Kundenkarte in ihre App integriert und benutzt in den Kundenkartenlisten daher auch die Wort‑Bild‑Marken der Klägerin, und zwar ohne deren Zustimmung.

[4] Nach dem Hinzufügen der virtuellen Jö‑Karte kann der Nutzer auch sein Jö‑Kundenkonto über die App der Beklagten abrufen. Zu diesem Zweck muss er die jeweilige Kundenkarte in der App aufrufen und sodann das Kennwort und das Passwort seines Jö‑Kundenkontos eingeben. Zur Erleichterung künftiger Abfragen wird das Jö‑Passwort in der App gespeichert, worauf der Nutzer hingewiesen wird. Über das Jö‑Kundenkonto kann der Nutzer sein aktuelles Guthaben an Bonuspunkten und seine bisherigen Transaktionen abrufen. Zudem werden Angebote von den Jö‑Partnerunternehmen angezeigt.

[5] Darüber hinaus hat die Beklagte die Wort‑Bild‑Marken der Klägerin auch zu Werbezwecken für ihre App verwendet. Dazu wurde im Google Play‑Store ein Stapel von Kundenkarten abgebildet, auf dem an oberster Stelle die Jö‑Kundenkarte positioniert war.

[6] Die Klägerin verlangte von der Beklagten eine umfassende Unterlassungserklärung. In Abweichung davon erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 17. 5. 2019 unwiderruflich

1. es ab sofort zu unterlassen, die Marken „Jö“ und/oder damit ähnliche Marken im geschäftlichen Verkehr blickfangmäßig zur Bewerbung von Software, insbesondere mobilen Apps zu verwenden; von dieser Unterlassungsverpflichtung nicht erfasst ist die Verwendung in der App selbst, insbesondere in einer Liste von Kundenkarten;

2. im Fall eines Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung gemäß Pkt 1, diese über Aufforderung der Klägerin binnen 14 Tagen unter der fett und gesperrt gedruckten Überschrift „Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung“ mit Fettumrandung und fett sowie gesperrt gedruckten Namen der Parteien, im Übrigen jedoch in Normallettern, auf ihrem Facebook- und Pinterest-Profil für die Dauer eines Monats zu veröffentlichen;

3. über Aufforderung der Klägerin über Pkt 1 dieser Erklärung einen gerichtlichen Vergleich zu schließen und die Kosten der Klägerin zu tragen.

 

[7] In der Werbung verwendet die Beklagte die Marken der Klägerin oder ähnliche Schriftzüge bzw Grafiken nicht mehr.

[8] Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragte die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der Beklagten verboten werden soll, die Klagsmarken und/oder ähnliche Zeichen in der Werbung für ihre App und/oder innerhalb dieser App als Hinweis für die angebotenen Mobile‑Wallet‑Dienste zu benutzen. Durch die kennzeichenmäßige Nutzung der Klagsmarken greife die Beklagte in ihre Markenrechte ein. Die Beklagte wolle am guten Ruf der Klägerin schmarotzen und vermittle daher den unrichtigen Eindruck, dass zwischen den Streitteilen eine Kooperation bestehe. Da die Verwendung der Klagsmarken nicht erforderlich sei, gelange die Ausnahmebestimmung des § 10 Abs 3 Z 3 MSchG nicht zur Anwendung. Aufgrund der unzureichenden Unterlassungserklärung der Beklagten sei die Wiederholungsgefahr nicht weggefallen.

[9] Die Beklagte entgegnete, dass sie die Klagsmarken gerade nicht zur Kennzeichnung ihrer App verwende. Vielmehr dienten die Marken nur dazu, dass sich die Nutzer einen Überblick über die Funktionen der App verschaffen könnten. Diese Darstellungsform in ihrer App sei branchenüblich und erforderlich, weshalb der Ausnahmetatbestand des § 10 Abs 3 Z 3 MSchG erfüllt sei. Davon abgesehen habe sie eine ausreichende Verpflichtungserklärung abgegeben, weshalb auch die Wiederholungsgefahr weggefallen sei.

[10] Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Da die Beklagte trotz Dienstleistungsidentität die Wort‑Bild‑Marken der Klägerin verwende, liege Verwechslungsgefahr und damit ein Eingriff in die Markenrechte der Klägerin vor. Ein die Wiederholungsgefahr ausschließendes Vergleichsangebot sei nicht erfolgt.

[11] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Nutzung der Klagsmarken durch die Beklagte beeinträchtige deren Herkunfts- und Werbefunktion, weshalb ein kennzeichenmäßiger Gebrauch vorliege. Die Beklagte verwende die Klagsmarken nicht bloß funktionskonform zur Kennzeichnung des Angebots der Klägerin, weil der Eindruck geschaffen werde, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten eine besondere geschäftliche, wirtschaftliche oder organisatorische Beziehung bestehe. Dies gelte nicht nur für die Verwendung der Klagsmarken in der Werbung, sondern auch für deren Integration in die App der Beklagten, weil die Beklagte nicht bloß eine 1:1‑Abbildung der Jö-Kundenkarte speichere, sondern zudem die Übertragung und Verwaltung von Kundendaten erlaube. Da es sich somit nicht nur um eine reine Funktionsbeschreibung handle, nütze die Beklagte den guten Ruf der Klägerin aus. Durch den von der Beklagten angebotenen Unterlassungsvergleich sei die Wiederholungsgefahr nicht weggefallen, weil die Klägerin dadurch nicht all das erhalten habe, was sie durch ein ihr Unterlassungsbegehren stattgebendes Urteil hätte erlangen können. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Zulässigkeit der Verwendung fremder Marken für E‑Wallet‑Dienste noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe.

[12] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten, der auf eine Abweisung des Sicherungsantrags abzielt.

Rechtliche Beurteilung

[13] Mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

[14] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist auch berechtigt.

[15] 1. Die Beklagte stützt sich vor allem auf die Schutzschranke des § 10 Abs 3 Z 3 MSchG und steht auf dem Standpunkt, dass seit der Markenrechtsnovelle BGBl I 2018/91 der verweisende Markengebrauch nicht mehr auf das absolut Notwendige oder Erforderliche beschränkt sei. Unzulässig sei nur die kennzeichenmäßige und funktionsbeeinträchtigende Benutzung einer fremden Marke. Derartiges liege im Anlassfall aber nicht vor. Die Klägerin könne ihr daher nur die blickfangmäßige Verwendung ihrer Marken in der Werbung verbieten. Dazu habe sie eine ausreichende Unterlassungserklärung abgegeben.

[16] Diese Ausführungen sind im Ergebnis berechtigt:

[17] 2. Die Beklagte bestreitet zunächst den kennzeichenmäßigen Gebrauch der Klagsmarken, weil sie diese nicht zur Kennzeichnung ihrer App bzw ihres Wallet‑Dienstes verwende.

[18] 2.1 Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es für einen kennzeichenmäßigen Gebrauch darauf an, ob durch die Verwendung der registrierten Marke deren Markenfunktionen (Herkunftsfunktion oder Werbefunktion) berührt werden. Dies ist bei der Benutzung einer Marke als Produktzeichen oder als Unterscheidungszeichen oder aber zum Zweck der Produktvermarktung der Fall (vgl C‑48/05 , Opel; vgl auch Mayer in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10a Rz 5). Im gegebenen Zusammenhang hat der EuGH bereits in der Grundsatzentscheidung zu C‑63/97 , BMW, ausgeführt, dass ein kennzeichenmäßiger Gebrauch auch dann vorliegt, wenn die Benutzung einer Marke zum Zweck erfolgt, die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass der Verwender eine Markenware instandsetzt und wartet. Der Verwender weise damit nämlich auf das Objekt der Erbringung seiner eigenen Dienstleistung hin.

[19] 2.2 Diese Voraussetzungen sind auch hier erfüllt, weil die Beklagte die Klagsmarken im Zusammenhang mit der Verwendung ihrer eigenen App als Zubehör-Dienstleistung zur Jö‑Kundenkarte gebraucht. Das Gleiche gilt für die Markenverwendung in der Werbung der Beklagten, weil sich auch diese auf ihre Zubehör-Dienstleistung bezieht (vgl Mayer in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10a Rz 41).

[20] 3. Die von der Beklagten weiters aufgeworfene Frage, ob im konkreten Anwendungsfall eine Ausnahme im Sinn des Gebrauchs einer Marke als Bestimmungsangabe vorliegt, ist im Rahmen des § 10 Abs 3 MSchG zu prüfen.

[21] 3.1 Nach § 10 Abs 3 Z 3 MSchG gewährt die eingetragene Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke zu Zwecken der Identifizierung von oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen als die des Inhabers dieser Marke, insbesondere wenn die Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware oder einer Dienstleistung, beispielsweise als Zubehör oder Ersatzteil, erforderlich ist, im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern dies den anständigen Gepflogenheiten im Gewerbe und Handel entspricht.

[22] Diese leicht modifizierte Neuformulierung geht auf die Markenrechtsnovelle BGBl I 2018/91 zurück. Damit sollte das MSchG an die geänderte Formulierung in Art 14 Abs 1 der neuen Marken‑RL 2015/2436 angepasst werden (RV 294 BlgNR 26. GP  4). Im Vordergrund steht nun die Identifizierung von oder der Hinweis auf die Produkte des Markeninhabers. Die Einschränkung auf das „Erforderliche“ wird sprachlich zwar nur mehr auf den insbesondere-Hinweis (insbesondere als Hinweis auf die Bestimmung eines Produkts als Zubehör oder Ersatzteil) bezogen. Dieser insbesondere‑Hinweis ist allerdings nur eine Hervorhebung der Bestimmungsangabe als Musterbeispiel für einen verweisenden Markengebrauch. Dementsprechend muss ein solcher Markengebrauch in seiner Art und Weise sowie in seinem Ausmaß weiterhin „erforderlich“ sein (vgl RV 294 BlgNR 26. GP  4; vgl auch 4 Ob 77/19f). Der Umformulierung kann aber dennoch das Bestreben einer gewissen Öffnung des Ausnahmetatbestands dahin entnommen werden, dass der zulässige verweisende Markengebrauch nicht unbedingt auf das praktisch einzige bzw alternativlose Mittel zur verständlichen und vollständigen Information des Publikums eingeschränkt werden muss.

[23] 3.2 Außerdem geht aus der Rechtsprechung des EuGH hervor, dass der Inhaber einer Marke der Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens dann nicht widersprechen kann, wenn diese Benutzung keine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann. Die herkunftshinweisende Funktion der Marke sei beeinträchtigt, wenn für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Nutzer nicht oder nur schwer zu erkennen sei, ob die bezeichneten bzw beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammten. Die Werbefunktion der Marke sei beeinträchtigt, wenn der Markeninhaber in seiner Möglichkeit, die Marke als Element der Verkaufsförderung oder Instrument der Handelsstrategie einzusetzen, nachteilig beeinflusst werde (C‑236–238/08, Google, Rn 76, 84 und 92).

[24] 3.3 Bei der Prüfung der „Erforderlichkeit“ des Markengebrauchs im Sinn des § 10 Abs 3 Z 3 MSchG steht somit die Frage nach der Funktionsbeeinträchtigung der Marke im Vordergrund. Dies ist insbesondere bei Vortäuschen einer geschäftlichen Verbindung zwischen dem Verwender und dem Markeninhaber (vgl EuGH C‑228/03 , Gillette, Rn 42; 4 Ob 77/19f) oder dann der Fall, wenn der Werbewert (die Wirksamkeit von Werbemaßnahmen) für den Markeninhaber geschmälert wird.

[25] 3.4 Zur Umformulierung des § 10 Abs 3 Z 3 MSchG bleibt noch anzumerken, dass durch die Ersetzung des Wortes „insbesondere“ vor den Begriffen Zubehör oder Ersatzteil durch „beispielsweise“ die beispielhafte Aufzählung der Marken‑RL zum Ausdruck gebracht werden soll. Es kommen daher auch andere Arten einer möglichen Bestimmung der Waren oder Dienstleistungen des Verwenders – zB als Serviceleistungen oder sonstige Zusatzleistungen – für die mit der Marke gekennzeichneten Produkte in Betracht (vgl 4 Ob 77/19f).

[26] 3.5 Im letzten Satz des § 10 Abs 3 MSchG findet sich zu allen drei Ausnahmetatbeständen (Abs 3 Z 1 bis 3) eine Schranken‑Schranke. Danach besteht die Duldungspflicht des Markeninhabers nur für solche Benutzungshandlungen, die den anständigen Gepflogenheiten im Gewerbe und Handel entsprechen. Diese Wendung nimmt auf lautere Geschäftspraktiken bzw lautere Mittel Bezug (4 Ob 77/19f; vgl auch Mayer in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10 MSchG Rz 790). Als Unlauterkeitskriterien kommen vor allem Rufausbeutung, Rufschädigung, Aufmerksamkeits-ausbeutung oder Verwässerung in Betracht (4 Ob 77/19f mwN). So ist etwa die Benutzung der Marke in einer Weise unlauter, die den Wert der Marke dadurch beeinträchtigt, dass sie deren Unterscheidungskraft oder deren Wertschätzung ungebührlich ausnützt (vgl 4 Ob 126/13b). Für eine Rufausbeutung reicht es aber nicht aus, wenn der Verwender von der Wertschätzung und der Unterscheidungskraft der Marke nur faktisch profitiert; vielmehr müssen weitere Anhaltspunkte für ein bewusstes Schmarotzen hinzukommen (4 Ob 77/19f mwN).

[27] 4.1 Zusammenfassend erlaubt § 10 Abs 3 Z 3 MSchG – als Schutzschranke – im Allgemeinen somit einen verweisenden Markengebrauch vor allem als erforderliche Bestimmungsangabe, das heißt als Verweis auf eine besondere Zusatzfunktion der eigenen Ware oder Dienstleistung, zB als Zubehör bzw Ersatzteil oder als Service- bzw Zusatzdienstleistung für das gekennzeichnete Produkt des Markeninhabers, sofern keine Funktionsbeeinträchtigung der Marke sowie keine unlautere Geschäftspraktik vorliegt.

[28] 4.2 Auf diese Weise soll das Interesse des Markeninhabers an einer möglichst weitgehenden Monopolisierung seines Kennzeichenrechts gegenüber jenem von anderen Verkehrsteilnehmern an der Verwendung von Angaben abgewogen werden, auf die sie im Zusammenhang mit ihrem eigenen Angebot angewiesen sind (Mayer in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10 MSchG Rz 803). In einem solchen Fall muss der Markeninhaber hinnehmen, dass der Verwender von der Wertschätzung und Unterscheidungskraft der Marke faktisch profitiert.

[29] 4.3 Grundsätzlich bleibt es also dabei, dass die Ausnahmebestimmung des § 10 Abs 3 Z 3 MSchG eng auszulegen ist. Dennoch ist bei der Beurteilung auf die konkrete Anwendung abzustellen und auf die Besonderheiten des Einzelfalls Bedacht zu nehmen. Ein generelles, in jedem Fall unumstößliches Verbot der Verwendung fremder Wort‑Bild‑Marken besteht allerdings nicht. Da bei der Interessenabwägung auch auf die Interessen des Drittanbieters Bedacht zu nehmen ist, muss diesem bei Ausschluss einer Funktionsbeeinträchtigung der Marke die Bereitstellung einer nutzerfreundlichen und modern gestalteten Zusatzleistung ermöglicht werden. Ist die irrtümliche Annahme einer geschäftlichen Verbindung zwischen dem Verwender und dem Markeninhaber ausgeschlossen und dient die Markenverwendung für das Publikum klar ersichtlich nur dazu, dem Nutzer eine leichtere Auswahl unter vielen Markeninhabern zu ermöglichen, so ist eine nutzerfreundliche technische Umsetzung grundsätzlich auch nicht als unlautere Geschäftspraktik zu qualifizieren.

[30] 5.1 Im Anlassfall wird durch die konkrete technische Umsetzung der App der Beklagten nicht der Eindruck einer geschäftlichen Verbindung zwischen dieser und der Klägerin erweckt, weil die Beklagte nicht nur die Jö‑Kundenkarte, sondern auf dieselbe Weise auch Kundenkarten anderer Anbieter abbildet und zu diesem Zweck für die Darstellung der jeweiligen Kundenkarte die zugehörige Marke verwendet, sodass der Nutzer rasch und benutzerfreundlich seine Auswahl treffen kann. Dadurch wird auch die Wirksamkeit von Werbemaßnahmen der Klägerin nicht geschmälert, weil die Jö‑Kundenkarte nach dem vermittelten Eindruck eine von vielen Kundenkarten ist, die in der elektronischen Brieftasche der Beklagten virtuell abgebildet werden. Werbung für die Jö‑Kundenkarte erkennt der Verbraucher als Werbung speziell für diese Karte. Aus diesem Grund liegt auch keine schmarotzerische Ausbeutung vor.

[31] 5.2 Die Einbindung der Jö‑Kundenkarte in die App der Beklagten unter Verwendung der Wort‑Bild‑Marken der Klägerin zur Auswahl der Jö‑Kundenkarte aus einer Vielzahl von anderen Kundenkarten ist ein Verweis auf eine Zusatzdienstleistung der Beklagten und damit eine Bestimmungsangabe im Sinn des § 10 Abs 3 Z 3 MSchG, die in der konkreten Ausgestaltung zulässig ist und keine unlautere Geschäftspraktik begründet. Warum die „Datenverwendung durch die App der Beklagten“ dieses Ergebnis ins Gegenteil verkehren soll, vermag das Rekursgericht nicht zu erklären. Nach den Feststellungen kann der jeweilige Nutzer über die App der Beklagten auf sein eigenes Jö‑Kundenkonto zugreifen, wobei er zu diesem Zweck sein Jö‑Kennwort und sein Jö‑Passwort eingeben muss. Über die App wird somit lediglich der Zugang zum Jö‑Kundenkonto hergestellt; die abrufbaren Informationen sind jene aus diesem Kundenkonto. Die App funktioniert somit nur als Anwendungstool für den Konto‑Zugang. Auch dabei handelt es sich um eine Zusatzdienstleistung zur Jö‑Kundenkarte der Klägerin. Für den Nutzer ist klar ersichtlich, dass er in sein Jö‑Kundenkonto einsteigt, zumal er die dafür von ihm bestimmten Zugangsdaten verwenden muss, was ihm auch erklärt wird. Auch die Speicherung des Jö‑Passworts in der App der Beklagten, um den Zugang zum Jö‑Kundenkonto zu erleichtern, ändert daran nichts.

[32] 6.1 Dieselben Überlegungen gelten für die Bewerbung der App der Beklagten als Zusatz-Dienstleistung, indem sie die Funktionen ihrer App bildlich darstellt und dazu mehrere Kundenkarten von unterschiedlichen Anbietern abbildet, sofern kein Kundenkartenanbieter übermäßig, etwa blickfangartig in den Vordergrund gerückt oder dessen Ruf sonst unlauter ausgenützt oder beeinträchtigt wird.

[33] 6.2 Nach dem bescheinigten Sachverhalt hat die Beklagte in ihrer Werbung einen Stapel von Kundenkarten abgebildet, wobei an der obersten Stelle die Jö‑Kundenkarte positioniert war. Zudem hat das Erstgericht festgehalten, dass keines der abgebildeten Logos im Vergleich zu den anderen besonders hervorgehoben wird. Davon, dass die Beklagte die Klagsmarken blickfangartig in den Vordergrund gerückt hätte, kann demnach nicht ausgegangen werden. Außerdem wärein dieser Hinsicht – entgegen der Beurteilung des Rekursgerichts – durch die abgegebene Unterlassungserklärung, die ein Angebot zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs enthält, auch die Wiederholungsgefahr weggefallen, weil die Unterlassungserklärung zutreffend auf eine solche blickfangartige Werbung mit den Klagsmarken abstellt (vgl dazu 4 Ob 156/20z).

[34] 7. Insgesamt hält die Entscheidung des Rekursgerichts der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht stand. In Stattgebung des Revisionsrekurses war der Sicherungsantrag abzuweisen.

[35] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Die Anträge auf Fristerstreckung und Fristeinräumung waren nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte