OGH 4Ob153/20h

OGH4Ob153/20h22.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin Bundesarbeitskammer, Wien 4, Prinz-Eugen-Straße 20–22, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die Beklagte T***** AG, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 36.000 EUR), über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. März 2018, GZ 2 R 21/18z‑51, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. Dezember 2017, GZ 11 Cg 57/15t‑44, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00153.20H.1222.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das klagestattgebende Urteil des Erstgerichts in den Spruchpunkten 1. und 2. wiederhergestellt wird.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 11.250,92 EUR (darin 1.595,82 EUR USt und 1.676 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist eine zu Verbandsklagen nach § 14 Abs 1 UWG und § 29 KSchG legitimierte Körperschaft öffentlichen Rechts.

[2] Die Beklagte mit Sitz in Deutschland betreibt ein Internetportal, über das – auch von österreichischen Kunden – von ihr vermittelte Tickets für Flüge gebucht werden können.

[3] Die Klägerin begehrt, gestützt auf § 28a KSchG iVm § 1 UWG, der Beklagten aufzutragen, es unter anderem – soweit im Revisionsverfahren noch relevant – im geschäftlichen Verkehr in Österreich zu unterlassen, für den Fall der Nutzung bestimmter Zahlungsinstrumente (wie insbesondere von Kreditkarten der Kreditkartenunternehmen Visa, MasterCard und American Express) von den Kunden zusätzlich zum Grundpreis hinzutretende Entgelte welcher Bezeichnung auch immer (insbesondere sogenannte Service‑Fees) einzuheben.

[4] Die Beklagte lasse Zahlungen mit den genannten Kreditkarten zu, stelle aber allein bei Bezahlung mit VISA Electron keine Service-Fee in Rechnung. Dieses Zahlungsmittel, eine Pre-Paid -Kreditkarte, sei aufgrund seines geringen Marktanteils von unter 4 % nicht gängig. Die Beklagte verstoße mit der Verrechnung der Service-Fee bei Verwendung anderer (üblicher) Kreditkarten gegen § 27 Abs 6 ZaDiG aF, wonach die Einhebung eines Entgelts für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments unzulässig sei, und verschaffe sich dadurch einen unlauteren Vorteil gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern. Die Klägerin begehrte weiters die Veröffentlichung des auf dieses Unterlassungsbegehren bezogenen klagestattgebenden Urteilsspruchs sowie auch des klagestattgebenden Spruchs des vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang erlassenen Teilurteils.

[5] Die Beklagte beantragte die Abweisung auch des noch strittigen Begehrens. Der Gesamtpreis der von ihr vermittelten Flugtickets werde jeweils für sämtliche möglichen Zahlungsmittel übersichtlich dargestellt. Die Einhebung einer Service-Fee sei als Gebühr für die Reisebürotätigkeit der Beklagten zulässig; es handle sich dabei um kein Entgelt für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments. Überdies sei § 27 Abs 6 ZaDiG aF auf die Beklagte nicht anzuwenden, weil sie ihren Sitz in Deutschland habe und von dort aus tätig werde, sodass deutsches Recht zur Anwendung gelange; dieses verbiete gesonderte Entgelte für bestimmte Zahlungsinstrumente nicht.

[6] Das Erstgericht gab dem verbliebenen Unterlassungsbegehren statt. Die Beklagte verlange mit der Service-Fee ein (verpöntes) Entgelt bei Verwendung aller akzeptierten Zahlungsmittel ausgenommen die VISA Electron Kreditkarte; auf die Bezeichnung des Entgelts komme es nicht an. Die Service-Fee sei daher ein verstecktes Zahlungsmittelentgelt; deren Verrechnung verstoße gegen das ZaDiG aF. Unlauter sei auch, dass die Beklagte durch das Anpreisen ihrer Leistung mit einem unüblichen Zahlungsmittel einen niedrigen Preis vortäusche, den die Kunden aber bei Verwendung anderer Kreditkarten nicht für sich in Anspruch nehmen könnten.

[7] Das Berufungsgericht wies das Unterlassungsbegehren ab und bestätigte nur die Urteilsveröffentlichung hinsichtlich des Teilurteils im ersten Rechtsgang. § 27 Abs 6 ZaDiG aF normiere kein generelles Verbot, einen Mehraufwand weiter zu verrechnen, sondern es werde lediglich der Modus der Weiterverrechnung umgekehrt: Anstatt zusätzliche Gebühren zu fordern, sei der Mehraufwand in den Grundpreis einzurechnen. Gesetzwidrig sei somit nur die Erhebung eines separaten, zusätzlichen Entgelts, nicht aber dessen Einrechnung bereits im Grundpreis. Im Übrigen gelte die genannte Bestimmung nur für Zahlungsempfänger mit Sitz in Österreich. Nach deutschem Recht sei die gesonderte Verrechnung eines Entgelts für bestimmte Zahlungsinstrumente nicht verboten.

[8] Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich – mit Beschluss vom 25. 6. 2020 – zu; die Auslegung vorformulierter Vertragsbedingungen auf einer Website, die auf alle künftigen abgeschlossenen Verträge Anwendung finden sollen, sei eine erhebliche Rechtsfrage.

[9] Die Klägerin beantragt mit ihrer Revision die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts; die Beklagte beantragt mit ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist zulässig und berechtigt.

[11] 1. Zum anzuwendenden Recht

[12] 1.1. Der EuGH hat in seiner Entscheidung C‑191/15, VKI/Amazon EU Sàrl, zum anwendbaren Recht bei Verbandsklagen ausgesprochen, dass im Fall einer Unterlassungsklage, die sich gegen die Verwendung vermeintlich unzulässiger Vertragsklauseln durch ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen richtet, das im elektronischen Geschäftsverkehr Verträge mit Verbrauchern abschließt, die in anderen Mitgliedstaaten, insbesondere im Staat des angerufenen Gerichts, ansässig sind, das anzuwendende Recht dann nach Art 6 Abs 1 der Rom II-VO zu bestimmen ist, wenn ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften gerügt wird, die die kollektiven Verbraucherinteressen schützen soll. Demgegenüber ist das anzuwendende Recht nach der Rom I‑VO zu bestimmen, wenn in der gerügten Klausel eine vertragliche Verpflichtung begründet oder bestimmt werden sollen. Bei der Verwendung einer Rechtswahlklausel zum anzuwendenden Recht ist dies der Fall, weil sich das anzuwendende Recht auf die Bestimmung der konkreten vertraglichen Pflichten bezieht. Das Herkunftslandprinzip nach der EC‑RL gelangt in einem solchen Fall deshalb nicht zur Anwendung, weil für die Rechtswahl in Verbraucherverträgen eine Ausnahme davon vorgesehen ist.

[13] 1.2. Die im Anlassfall geltende – inhaltlich unstrittige – Rechtswahlklausel (Pkt C.2 der AGB der Beklagten) erklärt deutsches Recht für anwendbar, ohne eine Unterrichtung der zuvor aufgezeigten Art zu enthalten. Die Klausel ist daher unzulässig und das anwendbare Recht nach Art 6 Abs 1 Rom II-VO zu bestimmen (vgl 2 Ob 155/16g [2.4]). Überdies ist unstrittig, dass die Website der Beklagten (auch) auf Kunden in Österreich ausgerichtet ist. Dies führt zur Anwendbarkeit österreichischen Rechts (vgl 4 Ob 228/17h [1.1.2]).

[14] 1.3. Der Senat hat in der Entscheidung 4 Ob 169/17g die Anwendbarkeit von § 27 Abs 6 ZaDiG aF auf den ausländischen Betreiber eines Flugbuchungsportals bejaht. Dort hatte die Beklagte zwar österreichisches Recht vereinbart; ob aber auf den Vertrag aufgrund einer (zulässigen) Rechtswahl oder schon von Gesetzes wegen österreichisches Recht anzuwenden ist, macht keinen Unterschied (vgl 2 Ob 155/16g [4.8]). Die Verrechnung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger (dazu Weilinger/Knauder in Weilinger [Hrsg], ZaDiG [aF] § 27 Rz 22/1) ist somit unzulässig, weil hier österreichisches Recht anzuwenden ist (Leixner, ZaDiG [aF]2 § 27 Rz 10).

[15] 2. Zum Verstoß gegen das ZaDiG

[16] 2.1. Der Sachverhalt im vorliegenden Verfahren entspricht im Wesentlichen jenem der Entscheidung 4 Ob 169/17g. Dort wurde es als § 27 Abs 6 ZaDiG aF widersprechend angesehen, wenn der (günstigste) Preis für ein Flugangebot zunächst mit einem bestimmten (voreingestellten) Zahlungsinstrument angezeigt und in einem weiteren Schritt des Buchungsvorgangs für die Verwendung anderer Zahlungsinstrumente ein Aufschlag verrechnet wird. Auch dort war zu Beginn des Suchvorgangs für einen bestimmten Flug ersichtlich, dass der Preis nur für das günstigste Zahlungsinstrument gilt und gegebenenfalls Aufschläge verrechnet werden, und auch dort gab es – wie im Anlassfall – einen Zahlungsfilter, mit dessen Hilfe nur Angebote mit einem bestimmten Zahlungsmittel angezeigt werden konnten.

[17] 2.2.1. Novellierungen des zwingenden Rechts sind von Amts wegen zu beachten, selbst wenn der zu beurteilende Sachverhalt vor der Rechtsänderung verwirklicht wurde, sofern die rückwirkende Anwendung geänderter Normen durch deren Rechtsnatur geboten ist (4 Ob 225/07b, Stadtrundfahrten [A.2.] mwN).

[18] 2.2.2. Mit 1. 6. 2018 ist das ZaDiG 2018 in Kraft getreten. § 56 Abs 3 ZaDiG 2018 entspricht nunmehr im Wesentlichen § 27 Abs 6 ZaDiG aF. Nach den Gesetzesmaterialien (ErlRV 11 BlgNR XXVI. GP , 16) soll die Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu § 27 Abs 6 ZaDiG aF trotz der geringfügigen Änderungen der Bestimmung weiterhin maßgeblich bleiben. Diese „geringfügigen Änderungen“ betreffen im Übrigen den vorliegenden Sachverhalt nicht, findet sich doch sowohl in § 27 Abs 6 ZaDiG aF als auch in § 56 Abs 3 ZaDiG 2018 folgende idente Formulierung: „Die Erhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger im Falle der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstrumentes ist unzulässig.“

[19] 2.3. § 27 Abs 6 ZaDiG aF bzw § 56 Abs 3 ZaDiG 2018 zielt auf eine gewisse Markttransparenz (vgl Marous , Zur Einhebung von Entgelten für die Verwendung bestimmter Zahlungsmittel [„Surcharging“], ÖJZ 2014, 859 [861 f]; Jungwirth , Zahlscheingebühren – [Unzulässiges] Zusatzentgelt für Unternehmer oder [zulässige] Bestrafung von altmodischen Zahlern?, ecolex 2010, 340 [341]; Weilinger / Knauder in Weilinger [Hrsg], ZaDiG [aF] § 27 Rz 21). Gleichzeitig normieren die genannten Bestimmungen ein generelles Verbot der Berechnung von Aufschlägen. Es soll verhindern, dass ein Unternehmen vom Kunden bei der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments einen höheren Endpreis als den mitgeteilten fordert, den der Kunde mit anderen Preisangeboten vergleicht, da die Verbraucher für ihre Entscheidung, ein bestimmtes Produkt zu kaufen, die Preise und nicht die Entgelte für die Nutzung von Zahlungsinstrumenten vergleichen (10 Ob 27/14i [3.2]; 9 Ob 33/14i [3.2]).

[20] 2.4. Aus der Natur der Bestimmungen als generellem Verbot, aber auch aus dem Transparenzgebot folgt, dass das Verbot von Aufschlägen für jedes einzelne Angebot gilt. Das Produktangebot ist von der Gebühr für den Einsatz eines Zahlungsinstruments zu unterscheiden, denn die Verbraucher suchen – wie in den zitierten Entscheidungen dargelegt – nach ersterem und nicht nach letzterem. Es ist folglich unzulässig, in einem Vergleichsportal wie jenem der Beklagten ein bestimmtes Angebot für einen Flug in mehrere Angebote für einen Flug plus ein bestimmtes Zahlungsmittel aufzuspalten, wie es die Beklagte unternimmt. Ein derartiges Vorgehen widerspricht einerseits dem Gebot nach Transparenz, weil dem Verbraucher dieselbe Leistung (Flugticket für eine bestimmte Strecke zu einem bestimmten Abflugtermin) mehrfach mit unterschiedlichen Preisen angezeigt wird, und er sich sodann erst jenes Angebot auswählen muss, das dem von ihm präferierten Zahlungsmittel entspricht. Außerdem wird auf diese Weise bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise das gesetzliche Verbot von Aufschlägen umgangen, indem das selbe Leistungsangebot zunächst durch einen Entgeltaufschlag vervielfacht wird, um sodann in einem weiteren Schritt vom ausgewiesenen Preis pro forma wieder Abschläge vornehmen zu können. Hinzu kommt, dass selbst nach Auswahl eines Fluges plus bestimmtes Zahlungsmittel eine Änderung des Zahlungsmittels möglich bleibt und dann gegebenenfalls ein Aufschlag verrechnet wird.

[21] 3. Der in der Revisionsbeantwortung gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Ob ein Entgelt für eine bestimmte Zahlungsmethode verlangt wird, bestimmt sich nach der Auslegung des Vertrags unter objektiven Gesichtspunkten. Damit liegt kein Fall eines Zeugenbeweises vor. Die Beklagte berechnet ihre Service‑Fee ausschließlich bei Verwendung bestimmter Zahlungsinstrumente. Diese Verknüpfung lässt bei objektiver Betrachtung nur den Schluss auf einen Aufschlag zu.

[22] 4. Die aufgezeigte Geschäftspraktik der Beklagten widerspricht daher den zitierten Bestimmungen des ZaDiG aF und nF und erfüllt somit den Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 2 UWG in Verbindung mit § 28a KSchG. Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch samt dem korrespondierenden Veröffentlichungsanspruch besteht daher zu Recht. Der Revision ist daher Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das klagestattgebende Ersturteil im aufgezeigten Umfang wiederhergestellt wird.

[23] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Für den Protokollberichtigungsantrag vom 16. 11. 2015 ist nur TP 1 zu veranschlagen und die außerordentliche Revision der Klägerin im ersten Rechtsgang ist nicht zu honorieren.

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