OGH 12Os132/20h

OGH12Os132/20h16.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter in der Strafsache gegen Sandy-Nicole U***** und andere Angeklagte wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Sandy-Nicole U*****, Toma D***** und Marko P***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 2. September 2020, GZ 7 Hv 22/20g-24, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00132.20H.1216.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Freisprüche enthaltenden Urteil wurden Sandy-Nicole U*****, Toma D***** und Marko P***** jeweils des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB (I./) und Toma D***** sowie Marko P***** jeweils des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB (II./B./) sowie des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (II./C./) schuldig erkannt.

Danach haben in M***** und an anderen Orten

I./ Sandy-Nicole U*****, Toma D***** und Marko P***** in einverständlichem Zusammenwirken mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch einen Verkehrsunfall geschädigt worden zu sein, Verfügungsberechtigte der U***** AG zu einer Handlung, die diese in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigen sollte, und zwar zur Erbringung von Versicherungsleistungen in der Höhe von 73.592,82 Euro, zu verleiten versucht, indem sie angaben, dass Sandy-Nicole U***** einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht habe;

II./ durch die Aussage, dass der Verkehrsunfall mit Personenschaden am 22. März 2019 von Sandy-Nicole U***** verursacht wurde,

B./ Toma D***** am 8. August 2019 und Marko P***** am 12. August 2019 als Zeugin bei der Vernehmung zur Sache in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei falsch ausgesagt;

C./ Toma D***** am 8. August 2019 und Marko P***** am 12. August 2019 einen anderen, nämlich Sandy‑Nicole U*****, dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass sie die Genannte einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohter Handlung falsch verdächtigten, wobei sie wussten, dass die Verdächtigung falsch war.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von den Angeklagten auf Z 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten (gemeinsam ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden schlagen fehl.

Der Einwand der – sich auf eine Verletzung des Überraschungsverbots (vgl RIS-Justiz RS0120025) berufenden – Tatsachenrüge (Z 5a), wonach der Tatumstand, dass sich der Angeklagte Toma D***** bei dem inszenierten Verkehrsunfall tatsächlich die behaupteten (ihm von der Angeklagten Sandy-Nicole U***** zugefügten) Verletzungen zugezogen habe, nie in Zweifel gezogen worden und darüber auch kein Beweisverfahren abgeführt worden sei, trifft nicht zu. Insoweit genügt allein der Hinweis, dass sich der Angeklagte hinsichtlich, des bezughabenden Verleumdungsvorwurfs (II./B.) schuldig bekannte. Abgesehen davon sagte Toma D***** über Vorhalt der Vorsitzenden des Schöffengerichts aus, er habe gewusst, dass die behaupteten Verletzungen nicht von Sandy-Nicole U***** verursacht wurden (ON 15 S 40).

Da sich das Überraschungsverbot nur auf Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen bezieht (erneut RIS-Justiz RS0120025 [T4]), geht auch die Kritik am angeblichen Unterbleiben eines Beweisverfahrens zur Frage der genauen Aufprallposition der Unfallfahrzeuge ins Leere.

Schließlich bezieht sich auch der Einwand des „Fehlens eines Bereicherungsvorsatzes in Bezug auf den Sachschaden“ auf keine entscheidende Tatsache, weil die Wertgrenze des § 147 Abs 2 StGB schon durch die zu Unrecht geltend gemachten Schmerzengeldansprüche überschritten wird. Soweit die Beschwerde der Sache nach auf ein wertmäßiges Zurückbleiben des Bereicherungsvorsatzes hinter dem Schädigungsvorsatz abzielt (siehe dazu Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 6), stellt sie dessen Vorliegen aber (zu Recht) nicht in Frage.

Mit dem Vorbringen, es erscheine „ausgesprochen lebensfremd anzunehmen, dass jemand das Risiko einer ja bei jedem Unfall auch möglichen schweren Verletzung eingeht, um sich Schmerzengeldansprüche zu verschaffen“, wird nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung Beweiswürdigungskritik geübt.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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