OGH 14Os128/20k

OGH14Os128/20k15.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2020 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter in Gegenwart des Schriftführers Mag. Nikolic in der Strafsache gegen ***** M***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten ***** F***** sowie die Berufungen des Angeklagten M***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 9. Juli 2020, GZ 30 Hv 15/20m‑295, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00128.20K.1215.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten F***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – ***** F***** je eines Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (1) und der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB idF BGBl I 2015/112 (2) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (3) schuldig erkannt.

Danach hat er am 4. Juni 2019 in S*****

1/ S***** H***** durch einen Schuss aus einer Faustfeuerwaffe getötet;

2/ D***** H***** durch einen Schuss aus einer Faustfeuerwaffe eine an sich schwere Körperverletzung in Form eines Durchschusses des linken Oberschenkels mit einer Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit von mehr als 24 Tagen absichtlich zugefügt;

3/ unbefugt eine Faustfeuerwaffe des Typs Glock 17, somit eine Schusswaffe der Kategorie B, geführt.

Die ausschließlich gegen den Schuldspruch zu 1/ gerichtete aus § 345 Abs 1 Z 6 und 8 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Gesetzeskonforme Geltendmachung einer Fragenrüge (Z 6) verlangt vom Beschwerdeführer nicht nur die deutliche und bestimmte Bezeichnung der vermissten Fragen, sondern auch jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, also zum Beispiel des eine Eventualfrage oder eine Zusatzfrage indizierenden Tatsachensubstrats (RIS‑Justiz RS0117447; Ratz , WK‑StPO § 345 Rz 23). Beruft sich die Rüge auf ein in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweisergebnis (Tatsachenvorbringen im Sinn des § 314 Abs 1 StPO) – wie hier auf den Inhalt von Aussagen – darf sie den Nachweis der geltend gemachten Nichtigkeit nicht bloß auf Grundlage einzelner, isoliert herausgegriffener Teile führen, sondern hat diese in deren Zusammenhang zu berücksichtigen (vgl RIS‑Justiz RS0120766). Diesen Anfechtungskriterien wird die Fragenrüge nicht gerecht:

Sie kritisiert – nur zur Hauptfrage I (nach dem Verbrechen des Mordes) – das Unterbleiben der Stellung einer Eventualfrage nach Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 Abs 1 StGB; vgl aber zur gebotenen Vorgangsweise, bei entsprechenden Indizien zunächst eine Zusatzfrage gemäß § 313 StPO nach dem korrespondierenden Schuldausschließungsgrund § 11 StGB und – für den Fall deren Bejahung – eine Eventualfrage nach § 314 StPO zu stellen „Dreifragenschema“ RIS‑Justiz RS0100558; Lässig , WK‑StPO § 317 Rz 13). Dabei stützt sie sich auf die Verantwortung des Beschwerdeführers bei der Tatrekonstruktion (ON 202 S 10) und in der Hauptverhandlung (ON 290 S 11), er habe am 4. Juni 2019 den ganzen Tag über Kokain (etwa 3 Gramm) und Alkohol („2–3 Flaschen Whiskey“ und „ein paar Bier getrunken und zwar gemeinsam mit“ zwei weiteren Personen). Die Rüge vernachlässigt dabei, dass sich der Beschwerdeführer unmittelbar im Zusammenhang mit diesen Aussagepassagen keineswegs in Richtung eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustands verantwortete, Erinnerungslücken gerade nicht behauptete, sondern seine Version des Tathergangs im Detail schilderte sowie deponierte, er trinke „jeden Tag Alkohol“, sei „an Drogen und Alkohol gewöhnt“ und leide „unter Angstzuständen“, wenn er „Drogen nehme“. Nach gesicherter Lebenserfahrung scheiden diese Angaben als ernst zu nehmendes Indiz für einen – den Gegenstand der begehrten Eventualfrage bildenden – Sachverhalt aus (RIS‑Justiz RS0100860 T1).

Gleiches gilt für die weiters ins Treffen geführte (nicht näher spezifizierte) Einschätzung des Mitangeklagten vor der Kriminalpolizei, der Beschwerdeführer sei – wie übrigens auch alle anderen Beteiligten (außer dem Mitangeklagten selbst) – „stark betrunken“ gewesen (ON 26 S 21). Hinweise auf Zurechnungsunfähigkeit des Beschwerdeführers gab auch der Mitangeklagte in diesem Zusammenhang nicht.

Die Instruktionsrüge (Z 8) kritisiert das Unterbleiben einer „Belehrung über den Tatbestand der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung gem. § 287 StGB“, leitet jedoch nicht aus dem Gesetz (§ 321 Abs 2 StPO) ab, weshalb eine solche Instruktion zu einer nicht gestellten Frage zu erteilen gewesen wäre (RIS-Justiz RS0101085).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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