European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0100OB00049.20H.1215.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Die Klägerin erwarb von der beklagten Bauträgerin ein Reihenhaus (Wohnungseigentum) samt Garten. In sämtlichen Verträgen und im Nutzwertgutachten war die Grenze zwischen Gartenanteil und einem Grundstück des Landes Niederösterreich entsprechend dem Grundbuchstand richtig dargestellt. Abweichend davon war im Zuge der Bauarbeiten ein Zaun errichtet worden, der eine 42 m2 große Fläche des Grundstücks des Landes Niederösterreichs einschloss. Nach Übergabe des Kaufobjekts im Jahr 2003 nutzte die Klägerin auch diesen Bereich. Errichtet wurden unter anderem ein Grillplatz sowie eine Holzhütte. Die – von der Klägerin nicht beabsichtigte Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands würde über 6.000 EUR kosten. 2017 schloss sie – anwaltlich vertreten – mit dem Land Niederösterreich ein Grundbenutzungsübereinkommen, indem sie sich zur Zahlung eines jährlichen Pauschalbetrags von 105 EUR verpflichtete.
[2] Die (1960 geborene) Klägerin begehrt als Schadenersatz 749,70 EUR Anwaltskosten sowie den Pachtzins für die nächsten 52 Jahre (2017 bis 2069) von 5.460 EUR, insgesamt somit 6.209,70 EUR sA. Die Beklagte habe sie über die Beschränkung ihres Nutzungsrechts nicht aufgeklärt.
[3] Die Beklagte wendet unter anderem ein, die falsche Umzäunung sowie allfällige Zusagen eines Architekten seien ihr nicht zuzurechnen. Der Gesamtpachtzins sei nicht fällig.
[4] Das Erstgericht stellte die Klagsforderung als mit 959,70 EUR (Anwaltskosten: 749,70 EUR, fälliger Pachtzins für 2 Jahre: 210 EUR) als zu Recht, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 959,70 EUR sA (Spruchpunkte 1 bis 3). Es legte (seiner rechtlichen Beurteilung nach als „Minus“) fest, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin jeweils am 2. 1. jeden Jahres beginnend mit 2. 1. 2020, zuletzt am 2. 1. 2069, jeweils 105 EUR zu zahlen (Spruchpunkt 4). Das Zahlungsbegehren auf „weitere“ 5.250 EUR sA wies es – von der Klägerin unbekämpft und damit rechtskräftig – ab (Spruchpunkt 5). Rechtlich qualifizierte das Erstgericht die Übergabe der Liegenschaft samt eingezäuntem Garten als schlüssige Erklärung der Beklagten, dass der Käuferin die uneingeschränkte Nutzung über den eingezäunten Bereich zustehe. Die vom Plan abweichende Umzäunung sei der Beklagten zuzurechnen. Mit dem Abschluss des Grundbenutzungsübereinkommens habe die Klägerin jenen Zustand hergestellt, der der von der Beklagten schlüssig zugesicherten Rechtslage entspreche. Die noch nicht fälligen Beträge aus dem Grundbenutzungsübereinkommen seien jedoch nicht zu ersetzen. Über den noch nicht fälligen Anspruch sei ein positives, über den eingeklagten Leistungsanspruch nicht hinausgehendes Feststellungsurteil zu fällen.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das angefochtene Urteil im Sinn einer gänzlichen Abweisung des Begehrens auf Zahlung von 6.209,70 EUR sA ab. Rechtlich folgerte es, die Bevollmächtigung eines Architekten mit Planung und Bauleitung samt Bauaufsicht durch die Beklagte erfasse keine Zusagen im Zusammenhang mit der Nutzung des im Eigentum des Landes Niederösterreich stehenden Grundstücksstreifens. Die Annahme einer uneingeschränkten Nutzung durch Übergabe des Reihenhauses samt unrichtig umzäuntem Garten sei nicht anzunehmen, weil die Klägerin gewusst habe, dass nicht der gesamte eingezäunte Garten ihr gehöre.
[6] Die Revision wurde mit der Begründung zugelassen, dass die Frage, ob in der Übergabe eines Reihenhauses samt unrichtig eingezäuntem Garten eine schlüssige Nutzungszusage bezüglich der im Eigentum Dritter stehenden Fläche liege, nicht nur die Klägerin, sondern mehrere Wohnungseigentümer betreffe.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die – beantwortete – Revision der Klägerin ist entgegen diesem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[8] 1. Die Abweisung des noch nicht fälligen Benützungsentgelts/Pachtzinses von 5.250 EUR sA war mangels Bekämpfung durch die Klägerin nicht mehr Gegenstand der zweitinstanzlichen Entscheidung. Das Berufungsgericht hatte aber über die Feststellung des Erstgerichts in Ansehung der künftigen Zahlungsverpflichtung der Beklagten zu entscheiden. Einer gesonderten Bewertung bedurfte es nicht, weil diese in Spruchpunkt 4 des erstinstanzlichen Urteils aufgenommene Feststellung einer künftigen Leistungsverpflichtung (105 EUR jährlich von 2. 1. 2020 bis 2. 1. 2069) ziffernmäßig dem abgewiesenen Leistungsbegehren von 5.250 EUR entspricht. Der Entscheidungsgegenstand in zweiter Instanz übersteigt daher jedenfalls 5.000 EUR, weshalb die Revision nicht nach § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig ist.
[9] 2.1 Eine Leistung ist mangelhaft im Sinn des § 922 ABGB, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem vertraglich Geschuldeten zurückbleibt (RIS‑Justiz RS0018547). Die Mangelhaftigkeit eines Leistungsgegenstands ist nicht abstrakt, sondern immer anhand des konkreten Vertrags zu beurteilen (RS0107680; RS0126729; 5 Ob 7/20w).
[10] 2.2 Das Ausmaß des Hausgartens als Zubehör (vgl 5 Ob 7/20w mwN) des Wohnungseigentumsobjekts (Reihenhaus) war in den Kauf‑(Anwartschafts‑)verträgen und dem Nutzwertgutachten samt jeweils angeschlossenen Plänen klar definiert und dargestellt. Die Begründung von (Zubehör-)Wohnungseigentum an einer liegenschaftsfremden Teilfläche wäre rechtlich unzulässig. Die Klägerin behauptet in der Revision auch nicht, dass die beklagte Bauträgerin die vertraglich zugesicherte Leistung mangelhaft erbracht hat, indem ihr (Zubehör‑)Wohnungseigentum nicht im vertraglich zugesicherten Ausmaß verschafft wurde. Sie widerspricht ausschließlich den Aussagen des Berufungsgerichts, sie habe auf die Zusage eines Mitarbeiters des von der Beklagten beauftragten Architekten und Bauleiters nicht vertrauen dürfen (gemeint im Zusammenhang mit der Berechtigung, die Teilfläche eines fremden Grundstücks benutzen zu dürfen). Mit ihrer knapp gehaltenen Argumentation zeigt sie keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.
[11] 2.3 Die Auslegung (konkludenter) Willenserklärungen ist nach ständiger Rechtsprechung von den Umständen des Einzelfalls abhängig und begründet – von hier nicht verwirklichten Ausnahmefällen abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage.
[12] 2.4 Nach den Feststellungen der Vorinstanzen verläuft der Gartenanteil des Reihenhauses der Klägerin (so wie von weiteren) zunächst eben in Richtung hinterer Grundgrenze. Dann schließt eine Böschung an, die in einen zwei bis drei Meter breiten Streifen ausläuft, der mit einem Zaun zu einem Kanal begrenzt ist. Außerhalb des Zauns verläuft ein Rad‑ und Gehweg entlang des Kanals. Weder das Land Niederösterreich noch die Beklagte wussten zunächst, dass entgegen den vorliegenden Plänen die Einzäunung der Gartenflächen nicht an der Grundstücksgrenze errichtet wurde. Noch vor Unterzeichnung des intabulierungsfähigen Kaufvertrags und Einverleibung des Wohnungseigentums sprach die Klägerin bei der Übergabe des Objekts mit dem Mitarbeiter des Architekten über die innerhalb des Zauns stehenden Bäume. Der Mitarbeiter erklärte, sie solle sich keine Sorgen machen, die Bäume würden auf einem Streifen stehen, der im Bereich der Böschung beginne und dem Land Niederösterreich gehöre.
[13] 2.5 Diese Äußerungen des Mitarbeiters stellten klar, dass Böschung und angrenzender Grundstreifen zur Nachbarliegenschaft gehörten und die Umzäunung daher nicht die Grundstücksgrenze darstellte. Wieso ein Käufer daraus zu Lasten des Eigentümers der Nachbarliegenschaft erschließen kann, er dürfe die nicht vom (Zubehör‑)Wohnungseigentum erfasste Fläche ohne Entgelt uneingeschränkt nutzen und verbauen (Abflachen der Böschung, Verfliesung, Errichtung einer Holzhütte und eines Grillplatzes), erklärt die Revision nicht. Dass das Land Niederösterreich (das nach den Feststellungen davon auch nichts wusste) über einen längeren Zeitraum dieser Nutzung nicht widersprochen hat, tangiert die Frage, ob zwischen den Wohnungseigentümern und dem Land Niederösterreich eine konkludente Nutzungsvereinbarung zustande gekommen wäre. Für die angebliche schadenersatzrechtliche Haftung der Beklagten, welche die Klägerin – nicht gerechtfertigt durch die Feststellungen – aus einer unrichtigen Aufklärung über das Ausmaß ihres Nutzungsrechts ableitet, ist die faktische Nutzung der fremden Teilfläche ohne Bedeutung. Die Frage, ob und inwieweit das Verhalten des Architekten und seines Mitarbeiters der Beklagten zuzurechnen ist, stellt sich aus diesen Erwägungen nicht.
[14] 3. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[15] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.
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