European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00118.20X.1207.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde M***** A***** gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf freigesprochen, er habe in W***** und anderen Orten gegen die nachgenannten Personen längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar
A./ von Anfang 2017 bis August 2019 gegen unmündige Personen, wobei die Gewalt jeweils länger als ein Jahr ausgeübt wurde, indem er ihnen in zumindest mehrmals monatlichen Angriffen Ohrfeigen mit der flachen Hand versetzte, ihnen mit der Faust gegen den Körper schlug, sie an den Haaren und den Ohren zog, ihnen Fußtritte verpasste, wodurch sie teilweise blaue Flecken erlitten und sie ab zumindest Anfang 2018 mehrfach, teilweise auch mit einem Messer, mit zumindest einer Verletzung am Körper bedrohte und zwar
1./ gegen S***** T*****, geboren am 15. Jänner 2009;
2./ gegen A***** A*****, geboren am 19. April 2010;
3./ gegen M***** A*****, geboren am 14. Jänner 2012;
B./ von 2014 bis August 2019 gegen A*****A***** S*****, indem er ihr in zumindest mehrmals monatlichen Angriffen Schläge mit der Hand und mit dem Fuß gegen den Körper versetzte, sie an den Haaren zog, sie mehrfach im Badezimmer einsperrte und ihr dort Schläge gegen den Körper versetzte, wodurch sie teilweise das Bewusstsein verlor und teilweise blaue Flecken davontrug, und sie ab zumindest Anfang 2018 mehrfach, teilweise auch mit einem Messer, mit zumindest einer Verletzung am Körper bedrohte, wobei er durch die Taten eine umfassende Kontrolle des Verhaltens der verletzten Person herstellte sowie eine erhebliche Einschränkung der autonomen Lebensführung bewirkte, indem er ihr untersagte, ohne seine Zustimmung fortzugehen bzw Freunde zu treffen, ohne Begleitung Einkaufen zu gehen und ihr vorschrieb, welche Kleidung sie zu tragen hatte, wobei die Gewalt länger als ein Jahr ausgeübt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die ihr Ziel verfehlt.
Das Schöffengericht gründete den Freispruch darauf, dass nicht festgestellt werden könne, dass „der Angeklagte gegenüber seinen Kindern […] gewalttätig wurde, insbesondere diesen Ohrfeigen mit der flachen Hand versetzte, ihnen mit der Faust gegen den Körper schlug, sie an den Haaren und Ohren zog, ihnen Fußtritte versetzte, noch diesen in irgendeiner Weise – insbesondere – unter Anwendung eines Messers – drohte“ (US 5 f). Es könne weiters nicht festgestellt werden, dass „er gegenüber seiner Ehefrau […] jemals Gewalt anwendete, wie etwa dieser Schläge mit der Hand oder dem Fuß gegen den Körper versetzte, sodass diese teilweise das Bewusstsein verlor und blaue Flecken davon trug, diese an den Haaren zog, sie ins Badezimmer einsperrte und sie mehrfach bedrohte – teilweise unter Einsatz eines Messers“ (US 6). Feststellungen zur subjektiven Tatseite traf das Erstgericht nicht.
Zusammengefasst könne es „keine der angeklagten Gewalt‑ und Drohungshandlungen durch den Angeklagten gegenüber seiner Frau und seinen Kindern mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit“ feststellen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass A***** A***** S***** ihren Mann zu Unrecht belaste und ihre Kinder „zu den getätigten unrichtigen Aussagen anleiten konnte“ (US 20).
Gründet das Gericht den Freispruch auf die Verneinung der Täterschaft des Angeklagten im Zweifel zu dessen Gunsten, ohne eine Aussage zu sämtlichen Tatbestandselementen zu treffen, reicht es für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde nicht hin, einen Begründungsmangel (Z 5) bloß in Ansehung der getroffenen Urteilsannahme (der Negativfeststellung zur Täterschaft) aufzuzeigen. Vielmehr ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0127315).
Diesen Kriterien genügt die Rüge nicht, weil sie es unterlässt, zu den zur Erfüllung des Tatbestands des § 107b StGB jeweils erforderlichen subjektiven Tatbestandsmerkmalen einen Feststellungsmangel (vgl dazu RIS‑Justiz RS0118580, insbesondere [T17, T20]) geltend zu machen.
Im Übrigen zeigt die Mängelrüge mit dem Verweis auf die Deposition des Zeugen A***** A*****, wonach der Angeklagte ihm nach Schlägen oder Tritten gegen den Oberschenkel gesagt habe, er solle das niemandem in der Schule zeigen (ON 20 S 16), keine Unvollständigkeit der Beweiswürdigung auf (Z 5 zweiter Fall). Die Tatrichter erachteten die Aussage dieses Zeugen nämlich insgesamt für nicht glaubwürdig (US 16 f), weshalb dieses Detail seiner Angaben nicht gesondert erörterungsbedürftig war (vgl RIS-Justiz RS0098642).
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
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