European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:504PRA00043.20P.1130.000
Spruch:
Der Präsident des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer ist im Verfahren D 30/20 des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer ausgeschlossen.
Begründung:
In dem gegen den Disziplinarbeschuldigten geführten Disziplinarverfahren zeigte der Präsident des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer seine Ausgeschlossenheit an. Dieser Anzeige liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Eine Kanzleipartnerin und ein Kanzleipartner des Präsidenten der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer hatten den Angeklagten des Verfahrens 39 Hv 151/19z des Landesgerichts Linz als Verteidiger vertreten. In diesem Verfahren wurde der Angeklagte als Bestimmungstäter weiterer, in einem anderen Verfahren rechtskräftig verurteilter Beitragstäter verurteilt.
Der Einleitungsbeschluss der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 14. September 2020 wirft dem Disziplinarbeschuldigten vor, er habe als Verteidiger eines Beitragstäters in der Berufungsverhandlung trotz Kenntnis, dass bei ihm kein Treuhandbetrag in Höhe von 5.000 Euro zur Weiterleitung an den Geschädigten hinterlegt wurde, wider besseres Wissen vorgebracht, dass ihm von dem von ihm vertretenen Angeklagten ein Beitrag in Höhe von 5.000 Euro zur Schadenswiedergutmachung übergeben worden sei.
Der Präsident des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer begründete seine Ausgeschlossenheit in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17. November 2020 damit, dass seine Kanzleipartnerin und sein Kanzleipartner mit einem weiteren Rechtsanwalt, dem späteren Anzeiger im Disziplinarverfahren, ein Gespräch führten, in dem Ungereimtheiten des nunmehrigen Disziplinarbeschuldigten betreffend das Thema „Erledigung des Privatbeteiligtenzuspruchs“ erörtert wurden. Nach Beischaffung des Protokolls der Berufungsverhandlung des vom Disziplinarbeschuldigten verteidigten Beitragstäters seien zwischen seinen Kanzleipartnern und dem späteren Anzeiger im Disziplinarverfahren die disziplinarwidrigen Handlungen des Disziplinarbeschuldigten besprochen worden, wobei vereinbart worden sei, dass die Disziplinaranzeige von dem anderen Rechtsanwalt erstattet werde.
Rechtliche Beurteilung
Die Anzeige der Ausgeschlossenheit, über die gemäß § 26 Abs 5 Satz 2 DSt die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs zu entscheiden hat, ist berechtigt.
Zur Annahme einer Befangenheit genügt grundsätzlich schon der Anschein, Organe des Disziplinarrats könnten an die von ihnen zu entscheidende Sache nicht mit voller Unvoreingenommmenheit und Unparteilichkeit herantreten. Ein solcher Anschein setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass konkrete Umstände dargetan werden, die aus der Sicht eines objektiven Beurteilers bei diesem den Eindruck erwecken, das Entscheidungsorgan könnte sich aus persönlichen Gründen bei seiner Entscheidung von anderen als sachlichen Erwägungen leiten lassen. Befangenheit ist entweder eine tatsächliche Hemmung der unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive oder aber eine besondere Fallgestaltung, die einen unbefangenen Außenstehenden begründeterweise an der unparteiischen Entscheidungsfindung zweifeln lassen können (23 Ns 1/16y; RS0056962).
Im vorliegenden Fall hat der Präsident der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer derartige konkrete Umstände dargetan. Der von den Kanzleipartnern des Präsidenten geäußerte Wille zur Erstattung einer Disziplinaranzeige gegen den Disziplinarbeschuldigten begründet einen derartigen objektiven Anschein. Es ist daher die Ausgeschlossenheit des Präsidenten des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer festzustellen.
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