OGH 6Ob211/20b

OGH6Ob211/20b25.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Klagenfurt zu FN ***** eingetragenen V***** Privatstiftung mit dem Sitz in V***** über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mitglieder des Stiftungsvorstands 1. Mag. Dr. I*****, 2. Mag. G*****, 3. Mag. B*****, 4. MMag. Dr. G*****, alle vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LLP & Co KG in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 17. September 2020, GZ 4 R 68/20g‑12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00211.20B.1125.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 15 FBG iVm § 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

Das Rekursgericht wies den Rekurs der aus dem Kopf dieser Entscheidung ersichtlichen Mitglieder des Vorstands der V***** Privatstiftung gegen den Beschluss des Erstgerichts, mit dem eine am 6. 3. 2020 erfolgte Änderung der Stiftungsurkunde im Firmenbuch eingetragen worden war, zurück; einzelnen Vorstandsmitgliedern komme im Eintragungsverfahren keine Rechtsmittellegitimation zu. Beantragt hatten diese Eintragung jene Mitglieder des Stiftungsvorstands, die auch zum jetzigen Zeitpunkt als solche im Firmenbuch eingetragen sind. Die Rekurswerber waren hingegen vom (maßgeblichen) Stifter bereits am 12. 12. 2019 aus wichtigem Grund und mit sofortiger Wirkung abberufen worden, wogegen sie sich zwar mittels Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Abberufung zur Wehr setzen, über welche jedoch bislang (offensichtlich) noch nicht entschieden wurde.

Die Rekurswerber waren zuletzt mit Erklärung/Beschluss des Stifters vom 4. 9./14. 11. 2018 bis 30. 6. 2025 (Erst- und Zweitrekurswerber) bzw für sechs Jahre ab Eintragung im Firmenbuch (Dritt- und Viertrekurswerber) zu Mitgliedern des Stiftungsvorstands bestellt worden. Mit Änderung der Stiftungsurkunde vom 6. 3. 2020 legte der Stifter (unter anderem) die Bestellungsdauer von Mitgliedern des Stiftungsvorstands (generell, jedoch wiederholbar) mit drei Jahren fest und formulierte folgende „Übergangsbestimmung“:

Die Funktionsperiode von Mitgliedern des Stiftungsvorstands, deren restliche Funktionsperiode zum Zeitpunkt der Errichtung dieser Änderung der Stifungsurkunde [das ist der sechste März 2020] länger als drei Jahre dauert, endet am fünfzehnten März 2023, 24 Uhr, ohne dass es hierfür einer weiteren Erklärung oder Beschlussfassung bedarf.

 

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Rekurswerber ist mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

1. Der erkennende Fachsenat hat bereits in der Entscheidung https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True&GZ=6ob261/09i&VonDatum=&BisDatum=27.10.2020&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=7d4c9454-45e2-49e7-8044-9550a6ed342d&Dokumentnummer=JJT_20100114_OGH0002_0060OB00261_09I0000_000 (PSR 2010/17 [Arnold] = EvBl 2010/74 [Schimka] = GesRZ 2010, 230 [Csoklich]) klargestellt, dass im Verfahren zur Genehmigung und Eintragung einer Änderung der Stiftungserklärung nach § 33 Abs 2 PSG – anders als im Verfahren zur Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern und auf Auflösung der Privatstiftung bzw Aufhebung eines Auflösungsbeschlusses des Vorstands durch das Gericht nach § 35 Abs 3 und 4 PSG –Antrags- und Rechtsmittellegitimation nur dem Vorstand als Gesamtorgan und nicht auch einzelnen Vorstandsmitgliedern persönlich zukommt. Auch in der Entscheidung https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20141119_OGH0002_0060OB00140_14B0000_000 (PSR 2015/21 [Zollner] = ZfS 2015, 59 [Oberndorfer/Zobl] = GesRZ 2015, 209 [Eiselsberg] = ecolex 2015/159 [Rizzi]) setzte sich der Senat ausführlich mit der Frage der Rechtsmittellegitimation einzelner Mitglieder des Stiftungsvorstands auseinander und hielt fest, dass im Verfahren auf Abberufung von Vorstandsmitgliedern nicht nur dem Stiftungsvorstand als Gesamtorgan, sondern auch einzelnen Organmitgliedern Parteistellung zukommt. Diese Judikatur betreffe aber ausschließlich das Bestellungs- bzw Abberufungsverfahren nach § 27 PSG und lasse sich nicht ohne weiteres auf das firmenbuchrechtliche Eintragungsverfahren wie etwa zur Änderung der Stiftungserklärung übertragen; vor allem bestehe dort kein spezifisches Kontrolldefizit, weil die Eintragung einer Satzungsänderung oder eines vertretungsbefugten Organs auch im Gesellschaftsrecht von einzelnen Mitgliedern des Vorstands bzw einzelnen Geschäftsführern in der Regel nicht angefochten werden könne. Der Senat betonte in dieser Entscheidung den Grundsatz, dass die erforderliche Rechtmäßigkeitskontrolle durch die amtswegige Prüfungsbefugnis des Firmenbuchgerichts gewährleistet sei, der daher gerade bei diesen – in der Regel einseitigen – Verfahren besondere Bedeutung zukomme (ErwG 3.5.).

2. Daran ist – entgegen der im außerordentlichen Revisionsrekurs vertretenen Ansicht – auch in einem Fall festzuhalten, in dem sich ein Teil des Stiftungsvorstands – wie hier offensichtlich die einschreitenden Mitglieder – mit ihrer Auffassung im Gesamtvorstand nicht durchzusetzen vermochten und deshalb ein vom Gesamtvorstand zu erhebendes Rechtsmittel nicht zustande kam. Es entspricht eben dem Wesen eines Kollegialorgans, dass sich die Position einzelner Organmitglieder mitunter nicht durchsetzt; ein hinreichendes Argument zur Bejahung der Rechtsmittellegitimation einzelner Organmitglieder ist darin nicht zu sehen, zumal insoweit kein Unterschied zum Kapitalgesellschaftsrecht besteht und somit auch das bei der Privatstiftung sonst bestehende Kontrolldefizit als Argument nicht überzeugt.

3. Dem außerordentlichen Revisionsrekurs kann auch nicht gefolgt werden, wenn er in der hier vorgenommenen Änderung der Stiftungserklärung (Verkürzung der Funktionsperiode der einschreitenden Vorstandsmitglieder) ein Verfahren zur Abberufung nach § 27 PSG erkennen will und von einer „aufschiebend bedingten Abberufung“ ausgeht. Dies hat jedenfalls für einen Fall zu gelten, in dem – wie hier – zwar die Funktionsperiode berufener Vorstandsmitglieder mittels Änderung der Stiftungserklärung verkürzt, deren (restliche) Mindestfunktionsdauer jedoch nach dieser Änderung gewahrt bleibt.

3.1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehen zwar gegen eine Bestellung des Vorstands durch den Stifter, auch wenn dieser selbst Begünstigter ist, keine Bedenken; Voraussetzung ist allerdings eine entsprechende Mindestfunktionsdauer (RS0115030 [T4]). Die Entscheidung https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20110224_OGH0002_0060OB00195_10K0000_000 (JBl 2011, 321 [Karollus] = ecolex 2011/176 [Rizzi] = GesRZ 2011, 239 [Torggler; Kalss, 161] = ZfS 2011, 68 [Kalss] = PSR 2011/21 [Hochedlinger, 52; Zollner/Paulsen, PSR 2012, 66; Hartlieb, PSR 2012, 100; Simonishvili, PSR 2015, 160) führte aus, ließe man die Festlegung der Funktionsdauer ohne jedwede Untergrenze zu, würde dies im Ergebnis eine freie Abberufbarkeit bedeuten, weshalb zur Wahrung der Unabhängigkeit des Vorstands dieser grundsätzlich für zumindest drei Jahre zu bestellen sei, und zwar unabhängig davon, ob ein Begünstigter oder ein mit Begünstigten besetzter Beirat oder eine sonstige Stelle den Vorstand bestellt; erfolge die Bestellung der Mitglieder des Stiftungsvorstands auf unbestimmte Zeit, sei eine Mindestbestelldauer allerdings nicht erforderlich, weil die Abberufung auf wichtige Gründe beschränkt sei. In der Entscheidung https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20141119_OGH0002_0060OB00140_14B0000_000 wies der Senat darauf hin , dass eine Änderung der Stiftungserklärung im praktischen Ergebnis nicht auf eine Abberufung des Vorstands hinauslaufen dürfe, sei diese doch nur durch ein stiftungsinternes Organ nach Maßgabe des § 14 Abs 2 und 3 PSG oder durch das Gericht nach Maßgabe des § 27 Abs 3 PSG möglich; für bereits bestellte Mitglieder des Stiftungsvorstands könne zwar durch Änderung der Stiftungsurkunde nachträglich eine Höchstgrenze bestimmt werden, dabei sei jedoch darauf zu achten, dass eine verbleibende angemessene Mindestfunktionszeit gewährleistet ist, die sich an den in der Entscheidung 6 Ob 195/10k entwickelten Grundsätzen zu orientieren habe.

3.2. Dass zwischen einer ursprünglich befristeten (wie hier) und einer ursprünglich unbefristeten (wie in den den Entscheidungen https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20110224_OGH0002_0060OB00195_10K0000_000 und https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20141119_OGH0002_0060OB00140_14B0000_000 zugrunde liegenden F ällen) Bestellung zu differenzieren sei, wie der außerordentliche Revisionsrekurs meint, ist nicht zutreffend. Es überzeugt nicht, dass ein von vornherein auf bestimmte Zeit bestellter Vorstand unabhängiger agiere als ein auf unbestimmte Zeit bestellter Vorstand, weil auch letzterer nur aus wichtigem Grund abberufen werden kann (6 Ob 195/10k [ErwGr 10.4.]; Arnold, PSG³ § 15 Rz 107). Hinzu kommt, dass der bestellungsbefugten Stelle grundsätzlich Ermessen zukommt, ob sie die Mitglieder des Stiftungsvorstands auf bestimmte Dauer oder unbefristet bestellt (Arnold aaO Rz 105).

3.3. Schließlich wird vom außerordentlichen Revisionsrekurs mit dem Hinweis auf die Unterschreitung der Funktionsdauer von drei Jahren um wenige Tage noch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dargestellt, weil es sich nur um eine geringfügige Unterschreitung handelt und die drei Jahre in der Entscheidung 6 Ob 195/10k (bloß) als „grundsätzliche“ Mindestbestelldauer bezeichnet wurden. Zudem erfolgte die Änderung der Stiftungserklärung hier am 6. 3. 2020 und wurde das Ende der Funktionsperiode mit dem 15. 3. 2023 festgelegt, sodass ein Eingriff in die Unabhängigkeit des Stiftungsvorstands durch Unterschreiten der dreijährigen Mindestfunktionsdauer nicht erkannt werden kann; der Eingriff in den vom Revisionsrekurs genannten Vertrauenstatbestand liegt ja bereits in der Änderung der Stiftungserklärung selbst und nicht erst in deren Eintragung im Firmenbuch, auch wenn diese Wirksamkeitsvoraussetzung ist (vgl dazu https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=RS0123556&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=27.10.2020&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=91fd0ac1-ac3b-41fd-864f-a7a7709a75d8&Dokumentnummer=JJR_20080313_OGH0002_0060OB00049_07K0000_001 ).

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