OGH 13Os76/20f

OGH13Os76/20f18.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. November 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart des Schriftführers Dr. Koller in der Strafsache gegen Giovanni G***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 5. Juni 2020, GZ 8 Hv 23/20m‑104, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00076.20F.1118.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (A/VI), demzufolge auch im Ausspruch über die Strafe (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im Einziehungserkenntnis betreffend drei „Kampf‑ bzw Fixiermesser“ aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – Giovanni G***** jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/I/a) und nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/I/b) sowie der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB (A/V) und jeweils eines Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG (A/II) und nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (A/VI) schuldig erkannt.

Gestützt auf § 26 (zu ergänzen) Abs 1 StGB wurden drei „Kampf‑ bzw Fixiermesser“ eingezogen.

Danach hat er

(A) in K***** und an anderen Orten

I) vom Juni 2017 bis zum 15. Oktober 2019 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

a) anderen überlassen und verschafft, indem er wiederholt insgesamt 941 Gramm Pico mit einem Reinheitsgehalt von 46 % (Reinsubstanz 432,86 Gramm Methamphetamin) im Urteil namentlich genannten Abnehmern verkaufte, und

b) von der Slowakei aus‑ und nach Österreich eingeführt, und zwar insgesamt 705 Gramm Pico mit einem Reinheitsgehalt von 46 % (Reinsubstanz 324,3 Gramm Methamphetamin), indem er das Suchtgift wiederholt, teils im einverständlichen Zusammenwirken mit im Urteil genannten Personen als Mittätern (US 7 f), in der Slowakei übernahm und nach Österreich transportierte (§ 12 erster Fall StGB), und dazu beigetragen, indem er es in der Slowakei an Matus L***** und Ivona C***** (US 7 f) in Kenntnis deren nachfolgenden Transports des Suchtgifts nach Österreich übergab (§ 12 dritter Fall StGB),

II) am 16. Dezember 2019 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich 0,7 Gramm Methamphetamin, besessen,

V) vom 21. Juni 2019 bis zum 23. Juli 2019 in mehreren Angriffen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Nikola H***** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung, teils mit dem Tod, zu einer Handlung zu nötigen versucht, die diese am Vermögen schädigen sollte, indem er sie schlug, würgte und ihr teils unter Vorhalt eines Messers drohte, er werde sie oder ihren Sohn umbringen, sofern sie ihm kein Geld gebe, weiters

VI) bis zum 16. Dezember 2019, wenn auch nur fahrlässig, Waffen, nämlich drei „Kampf‑ bzw Fixiermesser“ besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten ist.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Schuldsprüche A/I, II und V richtet sich die auf Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) blieben die Feststellungen, wonach der Angeklagte um die Vorschriftswidrigkeit des Besitzes, der Ein‑ und Ausfuhr sowie des Überlassens und Verschaffens des von den Schuldsprüchen A/I und II umfassten Suchtgifts wusste, sowie jene zum Vorsatz des Angeklagten auf Besitz von 0,7 Gramm Methamphetamin (US 9 f), nicht unbegründet (Z 5 vierter Fall). Die Tatrichter stützten sich dazu vielmehr auf das äußere Tatgeschehen (US 23), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist (RIS‑Justiz RS0116882, RS0098671).

Der zu A/II erhobene Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall), weil der Angeklagte nur den Besitz von 0,4 Gramm, nicht aber – wie von den Tatrichtern erwogen (US 23) – von 0,7 Gramm Methamphetamin zugestanden habe, spricht – mangels Normierung einer Mindestmenge in § 27 Abs 1 SMG - keine (für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage) entscheidende Tatsache an (siehe aber RIS‑Justiz RS0117499, RS0099431 [T1]).

Die Subsumtionsrüge (Z 10), die zum Schuldspruch A/V eine rechtliche Unterstellung nach § 105 Abs 1 StGB anstrebt, vermisst Feststellungen zum auf unrechtmäßige Bereicherung des Angeklagten oder eines Dritten gerichteten Vorsatz. Sie legt aber nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (RIS‑Justiz RS0116565), weshalb es zur Tatbestandsverwirklichung nach § 144 Abs 1 StGB in subjektiver Hinsicht über die getroffenen Konstatierungen, wonach der Angeklagte das Opfer „durch die von ihm beabsichtigte Herausgabe von Geld am Vermögen schädigen“ wollte und „dabei wusste“, dass er „auf das verlangte Geld keinen Anspruch hat“ (US 14), hinausgehender Feststellungen bedurft hätte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass dem angefochtenen Urteil – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – in Bezug auf den (unbekämpften) Schuldspruch A/VI nicht geltend gemachte, gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet.

Ein Schuldspruch nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG erfordert den Besitz von (hier) Waffen trotz Verbots nach § 12 WaffG.

Anders als beim strafrechtlichen (funktionalen) Waffenbegriff, der nach herrschender Meinung und ständiger Rechtsprechung neben Waffen im technischen Sinn (nach § 1 WaffG) auch solche Gegenstände umfasst, die diesen nach ihrer Anwendbarkeit und Wirkung gleichkommen, ist nach der Legaldefinition des § 1 WaffG für die Qualifikation eines Gegenstands als Waffe im Sinn des Waffengesetzes nur die objektive Zweckwidmung maßgeblich, die subjektive Zweckwidmung durch den Inhaber des Gegenstands spielt dabei keine Rolle (RIS‑Justiz RS0122916).

Gewöhnliche Messer – das sind Messer mit stumpfem Rücken, wie etwa Brot‑, Tisch‑ und Küchenmesser, Hirschfänger und Jagdmesser – sowie Taschenmesser aller Art sind selbst dann, wenn sie eine Feststellungsvorrichtung für die Klinge besitzen (sog „Fixiermesser“), in der Regel nicht als Waffen im technischen Sinn, sondern als Gebrauchsgegenstände anzusehen. Erst dann, wenn ein solches feststellbares Taschenmesser überdies noch eine besondere Vorrichtung zum Ausspringen der Klinge besitzt (etwa „Springmesser“ und „Fallmesser“), ist es als Waffe im technischen Sinn zu werten (RIS‑Justiz RS0082031, RS0122916 [T2]).

Daraus folgt, dass für eine Einordnung unter § 50 Abs 1 Z 3 WaffG besondere Eigenschaften eines Messers festgestellt werden müssen, die über jene eines gewöhnlichen Gebrauchsgegenstands hinausgehen (RIS‑Justiz RS0082031 [T10]).

Nach den Feststellungen des Erstgerichts besaß der Angeklagte „ohne entsprechende Genehmigung drei verbotene Waffen, nämlich drei Kampf- und Fixiermesser“ (US 14; vgl auch US 4: „Kampf‑ bzw Fixiermesser“ sowie US 14: „Kampf‑ oder Fixiermesser“). Besondere Eigenschaften der Messer lassen sich den Feststellungen nicht entnehmen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO). Demzufolge liegen nach diesen Konstatierungen keine Waffen im Sinn des Waffengesetzes und damit kein § 50 Abs 1 Z 3 WaffG subsumierbarer Sachverhalt vor.

Des Weiteren hat das Erstgericht keine für eine Subsumtion nach dieser Gesetzesstelle hinreichenden Feststellungen zum Bestehen eines aufrechten Waffenverbots des Angeklagten im Tatzeitraum getroffen (vgl US 14 iVm US 28 f). Für eine rechtliche Unterstellung nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG fehlen hinwieder Feststellungen zum Vorliegen einer verbotenen Waffe im Sinn des § 17 WaffG.

Das angefochtene Urteil war daher bei der nichtöffentlichen Beratung im Schuldspruch A/VI, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im Einziehungserkenntnis betreffend die vom Schuldspruch A/VI umfassten Messer aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

Mit Blick auf den zweiten Rechtsgang sei zum aufgehobenen Einziehungserkenntnis hinzugefügt:

Die Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB setzt voraus, dass diese vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS‑Justiz RS0121298).

Eine solche ist bei gewöhnlichen Messern ohne besondere Eigenschaften, die in der Regel als Gebrauchsgegenstände anzusehen sind, zu verneinen (vgl RIS‑Justiz RS0082031 [T9]).

Das Erstgericht wird daher gegebenenfalls (auch) Feststellungen zu einer aus der besonderen Beschaffenheit der gegenständlichen Messer resultierenden Deliktstauglichkeit als (notwendige) Grundlage der Gefährlichkeitsprognose zu treffen haben.

Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Der Zuspruch an die Privatbeteiligte Nikola H***** blieb von der Aufhebung unberührt, sodass die Akten zur Entscheidung über die dagegen gerichtete Berufung vorerst dem Oberlandesgericht zuzuleiten waren (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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