OGH 1Ob183/20y

OGH1Ob183/20y20.10.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Ulrich Schwab und Dr. Georg Schwab, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Christian Stocker, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen 7.941,60 EUR sA, über die Rekurse der klagenden und der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 31. August 2020, GZ 58 R 37/20v‑40, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 21. April 2020, GZ 7 C 770/18b‑36, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00183.20Y.1020.000

 

Spruch:

Die Rekurse werden zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der Kläger begehrt – gestützt auf Wandlung – die Rückzahlung des Kaufpreises von 7.500 EUR für einen vom Beklagten erworbenen Gebrauchtwagen. Er begründet seinen Anspruch damit, dass rund drei Monate nach Erwerb des Fahrzeugs ein Motorschaden aufgetreten und dieser auf einen bereits bei Übergabe vorhandenen Mangel zurückzuführen sei. Er begehrt auch den Ersatz von Abschlepp- und „Begutachtungskosten“ in Höhe von 441,60 EUR.

Der Beklagte bestreitet, dass das Fahrzeug bei Übergabe mangelhaft gewesen sei. Der Motorschaden sei durch den Kläger selbst verursacht worden. Er hielt dem Klagebegehren weiters in eventu eine Gegenforderung in Höhe von 3.260 EUR entgegen, die sich aus dem begehrten Ersatz von Reparaturkosten in Höhe von 2.760 EUR für einen vom Kläger am Fahrzeug verursachten Karosserieschaden sowie begehrtem Benützungsentgelt in Höhe von 500 EUR zusammensetzt.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung sowie die vom Beklagten eingewandte Gegenforderung als zur Gänze zu Recht bestehend und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung der Differenz von 4.681,60 EUR Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeugs. Das Mehrbegehren von 3.260 EUR wies es ab. Es ging davon aus, dass der Motorschaden durch eine Überbeanspruchung des Motors und ein dadurch erfolgtes „Anreiben des Pleuellagers“ verursacht wurde. Ob dies vor oder nach Übergabe des Fahrzeugs erfolgte, habe nicht festgestellt werden können. Diese Negativfeststellung gehe zu Lasten des Beklagten, weil der Motorschaden gemäß § 924 ABGB innerhalb von sechs Monaten ab Übergabe hervorgekommen sei.

Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach „allfälliger“ Verfahrensergänzung auf, weil die Negativfeststellung zur Frage, ob die Überbeanspruchung des Motors als Ursache des Motorschadens vor oder nach Fahrzeugübergabe erfolgte, nicht nachvollziehbar begründet worden und daher nicht überprüfbar sei. Dieser Negativfeststellung komme rechtliche Relevanz zu, weil daran die Vermutung des § 924 Satz 2 ABGB anknüpfe, wonach der Mangel im Zweifel schon bei Übergabe vorgelegen sei. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur – vom Berufungsgericht verneinten – Frage, „ob bei einem Gebrauchtwagenkauf von einem gewerblichen Fahrzeughändler die Vermutung des § 924 Satz 2 ABGB auch bei über die normale Abnützung hinausgehenden Vorschäden mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar sei“, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger sowie vom Beklagten erhobenen Rekurse sind mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Ihre Zurückweisung ist wie folgt kurz zu begründen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

1. Dass das Berufungsgericht die Negativfeststellung zur Frage, ob die Ursache für den Motorschaden (also die Überbeanspruchung des Motors) bereits bei Übergabe vorlag, als unzureichend begründet und den Sachverhalt daher insoweit als nicht ausreichend geklärt ansah, wird weder vom Kläger noch vom Beklagten, die jeweils nur eine Rechtsrüge erheben, konkret releviert. Wenn das Berufungsgericht der Ansicht ist, dass der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht hinreichend geklärt ist, könnte der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem auch nicht entgegentreten (RS0042179).

2. Soweit sich der Beklagte dadurch beschwert erachtet, dass das Berufungsgericht davon ausging, die Zweifelsregel des § 924 Satz 2 ABGB (also die widerlegbare Vermutung, dass ein Mangel, der innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe hervorkommt, bereits bei Übergabe vorhanden war) sei im Lichte des § 924 Satz 3 ABGB nicht ausgeschlossen, ist zu bedenken, dass eine Verfahrensergänzung durch das Erstgericht zu Feststellungen führen könnte, die eine verlässlichere Beurteilung, ob die Vermutung des § 924 Satz 2 ABGB hier mit der „Art des Mangels“ bzw der „Art der Sache“ vereinbar oder unvereinbar ist, ermöglichen. Es scheint daher nicht zweckmäßig, auf diese Frage bereits im derzeitigen Verfahrensstadium näher einzugehen.

3. Die vorstehenden Erwägungen sind auch dem Rekurs des Klägers entgegenzuhalten, der vor allem nicht plausibel darlegt, warum er sich durch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die Voraussetzungen des § 924 Satz 3 ABGB im vorliegenden Fall vorlägen, beschwert erachtet.

4. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten der Rekursbeantwortung des Klägers auf §§ 41, 50 ZPO und hinsichtlich jener des Beklagten auf §§ 40, 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die (mangels erheblicher Rechtsfrage letztlich verneinte) Zulässigkeit des Rechtsmittels gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO) findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RS0123222 [T2, T4]). Der Kläger hat in seiner Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses des Beklagten hingewiesen (RS0123222 [T8]). Der Beklagte hat in seiner Rekursbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des Rekurses des Klägers hingewiesen und somit keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten seines somit nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienenden Schriftsatzes.

Stichworte