OGH 13Os73/20i

OGH13Os73/20i13.10.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in der Strafsache gegen Valentin Z***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB, AZ 602 Hv 3/19p des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00073.20I.1013.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 17. September 2019, GZ 602 Hv 3/19p-87, wurde Valentin Z***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt und zu einer Zusatzfreiheitsstrafe (§ 31 Abs 1 StGB) verurteilt.

Mit Beschluss vom 10. Dezember 2019, GZ 11 Os 146/19h-4, wies der Oberste Gerichtshof die von Valentin Z***** dagegen aus Z 6 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde gemäß §§ 344, 285d Abs 1 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurück.

Mit Urteil vom 25. Februar 2020, AZ 32 Bs 6/20x, gab das Oberlandesgericht Wien der Berufung des Genannten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Bezogen auf das erstgerichtliche Urteil brachte der Verurteilte am 12. August 2020 beim Obersten Gerichtshof einen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens ein.

Dieser Antrag ist unzulässig.

Bei einem – wie hier – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf. Demgemäß gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 sowie 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß auch für derartige Anträge (RIS‑Justiz RS0122737).

Es sind daher (unter anderem) die zeitlichen Schranken des Art 35 Abs 1 MRK zu beachten, der die Einhaltung einer sechsmonatigen Frist nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung verlangt (RIS‑Justiz RS0122736). Als eine solche kommt nur eine Entscheidung in Betracht, die letztinstanzlich infolge eines effektiven Rechtsmittels und in Bezug auf den Beschwerdegegenstand ergangen ist (RIS-Justiz RS0122736 [T1]); Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 13 Rz 39).

Vorliegend wären die behaupteten Grundrechtsverletzungen in der an den Obersten Gerichtshof gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde geltend zu machen gewesen. Demnach war insoweit letztinstanzliche und solcherart endgültige innerstaatliche Entscheidung der Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 10. Dezember 2019, GZ 11 Os 146/19h‑4. Die am 2. Jänner 2020 erfolgte Zustellung einer Ausfertigung dieses Beschlusses an den Verteidiger löste somit die Frist des Art 35 Abs 1 MRK aus (zu den Kriterien der Fristberechnung vgl Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 13 Rz 40, 44).

Der am 12. August 2020, also mehr als sechs Monate danach eingebrachte Antrag ist daher verspätet.

Im Übrigen wäre der Antrag auch deshalb zurückzuweisen gewesen, weil bei vorangegangener Anrufung des Obersten Gerichtshofs mit Nichtigkeitsbeschwerde ein nicht auf ein Erkenntnis des EGMR gestützter Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens unzulässig ist (vgl RIS‑Justiz RS0122737). Wurde (wie hier) betreffend im Antrag behaupteter Grundrechtsverletzungen ein entsprechendes Vorbringen im Rahmen der erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde unterlassen, fehlt es an der Zulässigkeitsvoraussetzung der Rechtswegausschöpfung (Art 35 Abs 1 MRK; RIS‑Justiz RS0122737 [T12]; Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 13 Rz 36 f).

Der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – schon bei der nichtöffentlichen Beratung als unzulässig zurückzuweisen (§ 363b Abs 1 und 2 StPO).

Stichworte