OGH 13Os51/20d

OGH13Os51/20d23.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. September 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Setz‑Hummel in der Finanzstrafsache gegen DI Roland M***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 16. Dezember 2019, GZ 8 Hv 77/11i‑112, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00051.20D.0923.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde DI Roland M***** mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat er im Amtsbereich des Finanzamts Bruck Eisenstadt Oberwart vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten, nämlich durch die Nichtabgabe von Jahressteuererklärungen, Abgabenverkürzungen bewirkt, und zwar

(1) für das Jahr 1998 an Umsatzsteuer um 17.946,69 Euro,

(2) für das Jahr 1998 an Einkommensteuer um 143.623,38 Euro,

(3) für das Jahr 1999 an Umsatzsteuer um 6.711,45 Euro,

(4) für das Jahr 1999 an Einkommensteuer um 24.479,84 Euro,

(5) für das Jahr 2000 an Umsatzsteuer um 4.697,78 Euro,

(6) für das Jahr 2000 an Einkommensteuer um 47.931,36 Euro,

(7) für das Jahr 2001 an Umsatzsteuer um 7.092,15 Euro,

(8) für das Jahr 2001 an Einkommensteuer um 34.214,37 Euro,

(9) für das Jahr 2002 an Umsatzsteuer um 4.158,20 Euro,

(10) für das Jahr 2002 an Einkommensteuer um 112.846,39 Euro und

(11) für das Jahr 2003 an Einkommensteuer um 214.055,61 Euro,

„wobei es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung einen nicht bloß geringfügigen abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 (richtig) lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider begründet unterbliebene Auseinandersetzung mit den Angaben der Zeugin Christa S***** in Bezug auf die Häufigkeit des Zusammentreffens mit dem Angeklagten anlässlich sporadischer sonntäglicher Besuche bei ihrer Mutter in M***** (ON 111 S 3 ff) schon deshalb keine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), weil diese Aussagepassage den insoweit relevierten Feststellungen (US 4 f) zum Wohnsitz (§ 1 Abs 2 EStG) und zur Betriebsstätte (§ 1 Abs 1 Z 1 UStG) des Angeklagten nicht entgegensteht (RIS‑Justiz RS0098646 [T8]).

Nach den tatrichterlichen Feststellungen (US 9 f) lag die subjektive Tatseite des § 33 Abs 1 FinStrG beim Angeklagten beginnend mit der Nichtabgabe der Jahressteuererklärungen für das Jahr 1998 (Schuldsprüche 1 und 2) spätestens Ende März 1999 (vgl Lässig in WK 2 FinStrG § 33 Rz 36) vor.

Entgegen der Beschwerdebehauptung (Z 5 zweiter Fall) war daher diesbezüglich eine gesonderte Erörterung der Angaben des Zeugen Mag. V*****, wonach er den Angeklagten ab dem Jahr 2002 steuerlich vertreten habe und der Meinung gewesen sei, dieser wäre ausschließlich in Italien steuerpflichtig (ON 85 S 80), nicht geboten.

Entsprechendes gilt insoweit für die Aussage dieses Zeugen, wonach er aufgrund der Reisekosten davon ausgegangen sei, dass der Angeklagte „nie einen Wohnsitz in Österreich“ gehabt habe (ON 85 S 80), weil sich diese Angaben auf die im Jahr 2006 durchgeführte Betriebsprüfung bezogen.

Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 9 f) stützte das Erstgericht auf das äußere Tatgeschehen, insbesondere das Legen von Scheinrechnungen, das hohe Maß an Bargeschäften und das Nichtbestehen eines korrespondierenden Bankkontos (US 20 f). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit ist die dargelegte Ableitung nicht zu beanstanden. Der Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) übergeht diese Entscheidungsgründe. Solcherart ist die Mängelrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS‑Justiz RS0119370).

Die Konstatierungen des Erstgerichts, wonach nicht festgestellt werden könne, dass der Angeklagte in Italien Steuern bezahlt habe (US 6), sind für die Lösung der Schuld- und der Subsumtionsfrage nicht von Bedeutung. Grundlage für die Feststellung entscheidender Tatsachen bildete der Ausspruch ebenso wenig. Einer Anfechtung aus Z 5 und 5a ist die Urteilspassage solcherart entzogen (RIS‑Justiz RS0117499 und RS0116737).

Mit den Hinweisen auf die Angaben des Zeugen Mag. V***** erweckt die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über die subjektive Tatseite.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 richtig: lit b) Verjährung der Strafbarkeit durch „Zeitablauf“ behauptet, versäumt sie es, aus dem Gesetz abgeleitet darzulegen (vgl dazu RIS‑Justiz RS0116565), weshalb die in § 31 Abs 3 und 4 lit b FinStrG normierte Hemmung der Verjährungsfrist im Fall einer langen Verfahrensdauer oder eines langjährigen Stillstands des Hauptverfahrens – bis zum Einlangen der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts und des Abschlussberichts des Finanzamts – nicht zum Tragen kommen sollte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei hinzugefügt:

§ 4 Abs 2 FinStrG ordnet (anders als § 61 StGB) grundsätzlich die Anwendung des Tatzeitrechts an, es sei denn, die im Urteilszeitpunkt geltende Rechtslage wäre für den Täter günstiger.

Auf Basis der getroffenen Feststellungen (insbesondere US 9 f) erfüllen sämtliche urteilsgegenständliche Taten die Tatbestandselemente des (während des gesamten hier interessierenden Zeitraums unveränderten) § 33 Abs 1 FinStrG, die von den Schuldsprüchen 3 bis 11 umfassten Taten darüber hinaus die Tatbestandselemente des § 38 FinStrG in der zur jeweiligen Tatzeit geltenden Fassung (BGBl I 1999/28 [3 bis 10] und BGBl I 2004/57 [11]).

§ 33 Abs 5 erster Satz FinStrG in der zu sämtlichen Tatzeitpunkten geltenden Fassung BGBl I 1999/28 bedrohte die Abgabenhinterziehung mit einer Geldstrafe (§ 16 FinStrG) bis zum Zweifachen des strafbestimmenden Wertbetrags (§ 53 Abs 1 FinStrG). Daneben sah Abs 5 letzter Satz des § 33 FinStrG in der angeführten Fassung die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren nach Maßgabe des § 15 FinStrG vor.

§ 38 FinStrG idF BGBl I 1999/28 und BGBl I 2004/57 normierte eine Strafdrohung bis zum Dreifachen des Betrags, nach dem sich sonst die Strafdrohung richtet, und sah daneben eine nach Maßgabe des § 15 FinStrG zu verhängende Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor. § 38 FinStrG idF BGBl I 2004/57 erhöhte die vorgesehene Freiheitsstrafe bei einem strafbestimmenden Wertbetrag von mehr als 500.000 Euro überdies auf bis zu fünf Jahre.

Mit Inkrafttreten des Art 4 des EU‑Finanz‑Anpassungsgesetzes 2019 BGBl I 2019/62 am 23. Juli 2019 wurde § 38 FinStrG ersatzlos aufgehoben und die in § 33 Abs 5 FinStrG vorgesehene Freiheitsstrafe auf bis zu vier Jahre erhöht.

Davon ausgehend war die Normenlage zum Urteilszeitpunkt – in ihrer fallkonkreten Gesamtauswirkung (RIS‑Justiz RS0119085 [insbesondere T1]) – in Ansehung der den Schuldsprüchen 1 und 2 unterstellten Taten nicht günstiger als die Normenlage zur Tatzeit, weshalb auf diese gemäß § 4 Abs 2 FinStrG jeweils Tatzeitrecht anzuwenden gewesen wäre. Gleiches gilt – bei einem wie hier 500.000 Euro nicht übersteigenden strafbestimmenden Wertbetrag von 456.187,15 Euro – in Ansehung der von den Schuldsprüchen 3 bis 11 umfassten Taten, weil § 38 Abs 1 FinStrG in der Fassung vor BGBl I 2019/62 die geringere Freiheitsstrafe androht (RIS‑Justiz RS0132910).

Die von den Schuldsprüchen 1 und 2 umfassten Taten hätten daher jeweils § 33 Abs 1 FinStrG in der Fassung BGBl I 1999/28, die von den Schuldsprüchen 3 bis 11 umfassten Taten jeweils §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG (in der Fassung BGBl I 1999/28 [3 bis 10] und BGBl I 2004/57 [11]) unterstellt werden müssen.

Die verfehlte Subsumtion (Z 10) blieb aber hier ohne Nachteil für den Angeklagten im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO (vgl Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 22 f), weil das Erstgericht keine Freiheitsstrafe verhängt hat (US 24) und die Geldstrafdrohung des § 33 Abs 5 FinStrG unverändert geblieben und günstiger ist als jene des § 38 Abs 1 FinStrG in der Fassung vor BGBl I 2019/62.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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