OGH 28Ds6/19z

OGH28Ds6/19z16.7.2020

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 16. Juli 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Dr. Wippel und Dr. Strauss als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, AZ D 26/18, über die Beschwerde des Kammeranwalts gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 25. März 2019, GZ D 26/18-7, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0280DS00006.19Z.0716.000

 

Spruch:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss aufgehoben.

Es liegt Grund zur Disziplinarbehandlung des ***** in mündlicher Verhandlung wegen des Vorwurfs vor, er habe die Honorarnote des Mag. Egmont N***** für eine von diesem für den Disziplinarbeschuldigten verrichtete Substitution am 25. Jänner 2018 vor dem Bezirksgericht S***** wesentlich verspätet, nämlich mehr als vier Monate nach Rechnungslegung, beglichen.

Zur Durchführung des weiteren Verfahrens werden die Akten dem Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich zugeleitet.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss wurde ausgesprochen, dass kein Grund zur Disziplinarbehandlung des ***** wegen des Vorwurfs besteht, er habe dadurch, dass er die Honorarnote des Mag. Egmont N***** für eine von diesem für den Disziplinarbeschuldigten verrichtete Substitution am 25. Jänner 2018 vor dem Bezirksgericht S***** wesentlich verspätet, nämlich mehr als vier Monate nach Rechnungslegung, beglich, das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen.

Begründend führte der Disziplinarrat aus, dass nicht der Disziplinarbeschuldigte, sondern die in Graz ansässige ***** & Partner Rechtsanwalts-GmbH als ausgewiesene Vertreterin im Verfahren vor dem Bezirksgericht S***** im Wege ihrer Wiener Niederlassung den Substitutionsauftrag an Mag. Egmont N***** erteilt habe. Die Verpflichtung zur Zahlung der Substitutionskosten habe daher die genannte GmbH getroffen. Der Disziplinarbeschuldigte sei zwar deren Geschäftsführer und Gesellschafter und sohin im Außenverhältnis vertretungsbefugt und disziplinarrechtlich verantwortlich für die von ihm vertretene AnwaltsGmbH. In Ermangelung eines Sitzes der ***** & Partner Rechtsanwalts-GmbH in Niederösterreich bestehe allerdings keine Zuständigkeit der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich für Disziplinarvergehen, die der Disziplinarbeschuldigte in seiner Funktion als Geschäftsführer der bei der Rechtsanwaltskammer Steiermark eingetragenen Anwaltsgesellschaft gesetzt hat.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Kammeranwalts, der im Wesentlichen vorbringt, dass der Akt Indizien für einen persönlich durch den Disziplinarbeschuldigten für die ***** & Partner Rechtsanwalts-GmbH erteilten Substitutionsauftrag an Rechtsanwalt Mag. N***** biete und infolge des Kanzleisitzes des Disziplinarbeschuldigten in ***** die Zuständigkeit des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich gegeben, aber selbst im Fall dessen mangelnder Zuständigkeit eine Entscheidung in der Sache unzulässig sei.

Die Beschwerde ist berechtigt.

Ein Einstellungsbeschluss (§ 28 Abs 3 DSt) ist vom Disziplinarrat zu fassen, wenn nicht einmal der Verdacht eines ein Disziplinarvergehen begründenden Verhaltens des angezeigten Rechtsanwalts besteht. Vom eine Verfahrenseinstellung rechtfertigenden Fehlen eines solchen Verdachts ist – im Lichte des § 212 Z 2 StPO (§ 77 Abs 3 DSt) – dann auszugehen, wenn das vorliegende Tatsachensubstrat Grund zu der Annahme bietet, dass seine Dringlichkeit und sein Gewicht nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Beschuldigten auch nur für möglich zu halten, und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist (RIS-Justiz RS0056973 [T5], RS0056969, RS0057005).

Fehlende Zuständigkeit des angerufenen Disziplinarrats stellt demnach keinen tauglichen Grund für die Fassung eines Einstellungsbeschlusses dar.

Im Übrigen ergeben sich aus dem Akt – worauf der Kammeranwalt ebenfalls zutreffend hinweist – Anhaltspunkte dafür, dass der Disziplinarbeschuldigte den Substitutionsauftrag selbst erteilt hat und solcherart für das Substitutionshonorar gemäß § 22 Abs 1 RL-BA 2015 persönlich haftet (vgl auch § 21d Abs 2 RAO zur persönlichen Verantwortlichkeit des einer Gesellschaft angehörenden Rechtsanwalts für die Erfüllung seiner Berufs- und Standespflichten).

So wurde in einem von „*****“ versendeten E‑Mail vom 21. Jänner 2018 Rechtsanwalt Mag. N***** für die Übernahme der Verhandlung am 25. Jänner 2018 gedankt (Beilagenmappe). Am 24. Jänner 2018 wurden gleichfalls von der bezeichneten Adresse per E-Mail weitere Informationen zu der zu verrichtenden Verhandlung erteilt, wobei eine der Nachrichten mit „***** & Partner Rechtsanwalts-GmbH *****“ gezeichnet ist (Beilagenmappe). Damit im Einklang steht das Anzeigevorbringen des Mag. N***** in seinen Schreiben vom 3. und 23. Mai 2018 (Mappe ad ON 1), aus denen telefonische Kontakte mit dem Disziplinarbeschuldigten im Zusammenhang mit dem Substitutionsauftrag hervorgehen. Dies wird letztlich auch in der Stellungnahme des Disziplinarbeschuldigten vom 12. Dezember 2018 (ON 4) nicht bestritten, wenn auch die Beauftragung durch „die Wiener Kanzlei“ der ***** & Partner Rechtsanwalts‑GmbH erwähnt wird, ohne allerdings eine handelnde Person zu nennen.

Die Nichterfüllung von Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Berufsausübung stellt eine Berufspflichtenverletzung dar und kann – bei Kenntnis durch einen größeren Personenkreis – auch Ehre und Ansehen des Standes zusätzlich beeinträchtigen (Engelhart in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek,RAO10 §§ 3, 4 RL-BA 2015 Rz 10). In Ansehung der somit gegebenen Verdachtslage lagen die Voraussetzungen für die Fassung eines Einstellungsbeschlusses nicht vor.

Da der Disziplinarbeschuldigte seinen Kanzleisitz in ***** hat (vgl zur Möglichkeit der Wahl eines vom Sitz der Rechtsanwaltsgesellschaft abweichenden Kanzleisitzes Rohregger in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek,RAO10 § 21c RAO Rz 20), ist die Zuständigkeit des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich gegeben (§ 20 Abs 1 DSt iVm § 5 Abs 1 RAO).

Der Beschwerde war daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluss in nichtöffentlicher Beratung (§ 56 DSt) aufzuheben und gemäß § 77 Abs 3 DSt iVm § 89 Abs 2b zweiter Satz StPO (vgl Fabrizy , StPO 13 § 89 Rz 3) in der Sache zu entscheiden, dass Grund zur Disziplinarbehandlung des Beschuldigten ***** in mündlicher Verhandlung wegen des Vorwurfs vorliegt, er habe die Honorarnote des Mag. Egmont N***** für eine von diesem für den Disziplinarbeschuldigten verrichtete Substitution am 25. Jänner 2018 vor dem Bezirksgericht S***** wesentlich verspätet, nämlich mehr als vier Monate nach Rechnungslegung, beglichen.

Zur Durchführung des weiteren Verfahrens wären die Akten dem Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich zuzuleiten.

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