OGH 12Os47/20h

OGH12Os47/20h15.7.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Juli 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in der Strafsache gegen David S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Christian Sch***** sowie über die Berufung des Angeklagten David S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 28. November 2019, GZ 30 Hv 86/19a-289, nach Einsichtnahme durch die Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00047.20H.0715.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Christian Sch***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche des Angeklagten David S***** und ebensolche des Angeklagten Christian Sch***** enthält, wurde der Erstgenannte aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach §§ 12 dritter Fall, 75 StGB (1./), des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 75 StGB (2./a./), des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (2./b./) sowie der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (3./) und nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (4./) schuldig erkannt.

Soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung, hat er

1./ am 20. Oktober 2018 in Z***** zur strafbaren Handlung des David S*****, welcher Irene P***** durch vier Schüsse aus einer zum Abfeuern von adaptierten Patronen des Kalibers 9 mm Luger umgebauten Schreckschusspistole getötet hat, dadurch beigetragen, dass er David S***** durch im Urteil näher bezeichnete Handlungen in seinem Tatentschluss bestärkte, diesen zur Tatbegehung mit dem Auto zu einem Parkplatz chauffierte und in Tatortnähe zwecks Ermöglichung der Flucht mit dem Auto wartete;

2./ vor dem 6. Dezember 2018 und am 6. Dezember 2018 in Z***** und anderorts David S***** durch Darlegung seines Tatplans samt an diesen gerichtete Aufforderung zur Umsetzung zu bestimmen versucht, am 6. Dezember 2018 in A***** Alexander F***** während einer Probefahrt mit einem Pkw durch Würgen von hinten mit einer Garrotte

a./ zu töten;

b./ mit Gewalt gegen eine Person und unter Verwendung einer Waffe, einen Pkw mit dem Vorsatz abzunötigen, sich oder einen Dritten durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 5, 6 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Verfahrensrüge (Z 5) ist voranzustellen, dass bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrags stets nur von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrags und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen ist. Ein den Beweisantrag (wie hier) ergänzendes Rechtsmittelvorbringen unterliegt dem Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.103).

In der Hauptverhandlung am 28. November 2019 hatte der Beschwerdeführer die Vernehmung des Zeugen Bujar I***** zum Beweis dafür beantragt, dass „Alexander D***** dem Bujar I***** im Zuge eines persönlich geführten Gespräches darüber berichtet hat, dass der Erstangeklagte Daniel [richtig: David] S***** dem Alexander D***** hinsichtlich der anklagegegenständlichen Tat gegenüber Irene P***** mitgeteilt hätte, dass diese Tat von Herrn David S***** begangen wurde und Herr David S***** dies im Auftrag eines namentlich noch unbekannten Drogendealers mit kleiner und schmächtiger körperlicher Statur durchgeführt hat“ (ON 288 S 6).

Weiters hatte er die Vernehmung des Zeugen Daniel N***** zum Beweis dafür beantragt, dass Iseni B***** dem Daniel N***** „im Zuge eines Betreuungsgespräches hinsichtlich des anklagegegenständlichen Mordfalles mitgeteilt hat, dass laut Iseni B***** – der wiederum seine Informationen von seinem Freund Alexander D***** hat – Daniel [David] S***** die anklagegegenständliche Mordtat gegenüber Irene P***** selbst durchgeführt [hat], dies aber im Auftrag eines schmächtigen und kleinen Drogendealers erfolgte“ (ON 288 S 6).

Diese Beweisanträge konnte der Schwurgerichtshof schon deshalb ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abweisen, weil der Antragsteller nicht bekannt gab, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse und inwieweit dieses für die Schuldfrage und die Subsumtionsfrage von Bedeutung ist (RIS-Justiz RS0118444). Solcherart war das Beweisbegehren auf unzulässige Erkundung gerichtet.

Soweit der Angeklagte das Unterbleiben einer Entscheidung über seinen schriftlich gestellten, nicht in der Hauptverhandlung wiederholten Antrag (ON 259) auf „Ladung eines in der Justizgerichtssachverständigenliste eingetragenen Sachverständigen mit der Spezialqualifikation des Fachgebietes: 'Kinder-/ und Jugendpsychiatrie / Jugendneuropsychiatrie' (Befund und Gutachten ist zu erstellen, dies in umgehender Beauftragung)“ kritisiert, fehlt ihm die erforderliche Beschwerdelegitimation (vgl RIS-Justiz RS0099511; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.95).

Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert die Stellung der Eventualfrage I (zur Hauptfrage IV) in Richtung Beitragstäterschaft zum Verbrechen des Mordes (§§ 12 dritter Fall, 75 StGB). Aus welchem Grund trotz der – vom Beschwerdeführer selbst ins Spiel gebrachten – Verfahrensergebnisse, wonach der Angeklagte Christian Sch***** mit dem Angeklagten David S***** zum Tatort gefahren ist (ON 265 S 14 f), kein Sachverhaltssubstrat vorgekommen sein soll, das einen gegenüber der (in Richtung §§ 12 zweiter Fall, 75 StGB erhobenen) Anklage geänderten Sachverhalt und damit eine andere rechtliche Beurteilung in den näheren Bereich des Möglichen rückt (vgl RIS-Justiz RS0100634; Lässig , WK-StPO § 314 Rz 2), macht die Beschwerde nicht klar.

Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen (das sind die im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen) aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583).

An diesen Anfechtungskriterien scheitert der Beschwerdeführer, der im Wesentlichen bloß die Ausführungen zur Fragenrüge wiederholt, die eigene leugnende Verantwortung hervorhebt und bezweifelt, dass das eingeholte psychiatrische Gutachten eine taugliche Grundlage für den Wahrspruch zur Eventualfrage I darstellt.

Gleiches gilt, soweit die gegen die Schuldsprüche 2./a./ und b./ gerichtete Rüge die belastenden Angaben des Angeklagten David S***** in Frage stellt und die Details zu der zu den Tathandlungen führenden Probefahrt mit eigenständigen Plausibilitätserwägungen zu seinen Gunsten interpretiert.

Der Vorwurf, die Geschworenen seien „durch die verfehlte Anklageschrift zur Hauptfrage V, Eventualfrage I unrichtig instruiert“ worden (inhaltlich ersichtlich § 345 Abs 1 Z 8 StPO), nimmt auf die den Geschworenen erteilte Rechtsbelehrung nicht Bezug (vgl Ratz , WK-StPO § 345 Rz 53) und entzieht sich damit einer inhaltlichen Erwiderung (vgl auch RIS-Justiz RS0100716).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

 

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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