European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00055.20G.0629.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei und die Nebenintervenientin haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Der Kläger buchte für seine Ehegattin, seine Tochter und für sich selbst bei der Beklagten eine Reise mit Karibikkreuzfahrt. Für die Anreise wurden ein Flug von Wien nach Frankfurt und ein Weiterflug nach Orlando/Florida gebucht. Die geplante Umsteigezeit zwischen der Landung in Frankfurt und dem Weiterflug betrug eine Stunde. Wegen der Verspätung des Flugs von Wien nach Frankfurt versäumten die Reisenden den Anschlussflug, weshalb sie die Kreuzfahrt erst erheblich später antreten konnten und ihnen Mehrkosten (bzw frustrierte Kosten) erwuchsen.
Der Kläger wirft der Beklagten im Wesentlichen vor, sie hätte aufgrund der extrem kurzen Umsteigezeit am Flughafen Frankfurt über das Risiko der Versäumung des Anschlussflugs aufklären müssen. Diesfalls hätte der Kläger einen früheren Flug von Wien nach Frankfurt gebucht.
Dem Kläger und seiner Familie seien im Einzelnen bezifferte (zusätzliche und frustrierte, weil infolge des Verpassens des Anschlussflugs nicht konsumierte Leistungen betreffende) Kosten von 7.468,86 EUR entstanden. Zuzüglich spreche der Kläger 2.400 EUR an Ersatz für entgangene Urlaubsfreude für sich, seine Ehegattin und die gemeinsame Tochter an (Gesamtstreitwert somit 9.868,86 EUR). Letztere hätten ihre Ansprüche an den Kläger zur Geltendmachung abgetreten.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Rechtsfrage zu, inwieweit einen Reisevermittler eine Aufklärungspflicht im Hinblick auf eine zwar kurze, jedoch über der „minimum connecting time“ liegende Umsteigezeit treffe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist absolut unzulässig.
Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand – und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts –, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RS0053096).
Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche sind nach § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen, wenn
1. sie von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen oder
2. sie von mehreren Parteien oder gegen mehrere Parteien erhoben werden, die Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind.
Nach § 11 Z 1 ZPO können mehrere Personen gemeinschaftlich klagen oder geklagt werden, wenn sie in Ansehung des Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch berechtigt oder verpflichtet sind.
Eine Berechtigung oder Verpflichtung aus demselben tatsächlichen oder rechtlichen Grund im Sinn des § 11 Z 1 ZPO setzt einen einheitlichen rechtserzeugenden Tatbestand voraus, ohne dass für einen Streitgenossen noch weitere rechtserzeugende Tatsachen für die Ableitung des Anspruchs hinzutreten (RS0035450).
Die Voraussetzungen für eine materielle Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO liegen hier nicht vor: Alle drei Reisenden haben nach dem Klagevorbringen eigene Schadenersatzansprüche, die sie aus der gegenüber jeder dieser Personen schädigenden Handlung (Unterlassung) der Beklagten ableiten. So sind etwa mehrere aus einem Unfall Geschädigte nach ständiger Rechtsprechung nur formelle Streitgenossen im Sinn des § 11 Z 2 ZPO (RS0110982). Dass die Ehefrau und die Tochter des Klägers ihre Ansprüche an den Kläger abgetreten haben, ändert nichts daran, dass die Ansprüche nicht zusammenzurechnen sind (RS0110982 [T2]).
Aus dem Klagevorbringen ergibt sich, dass fast alle geltend gemachten Schadenspositionen alle drei Reisenden gleichermaßen betroffen haben (müssen). Selbst wenn man für die minderjährige Tochter bei einzelnen Positionen geringere Beträge ansetzte, könnte beim Gesamtstreitwert von 9.868,86 EUR der Gesamtbetrag des Schadenersatzanspruchs für jeden der drei Reisenden 5.000 EUR nicht übersteigen.
Der Entscheidungsgegenstand übersteigt somit jeweils 5.000 EUR nicht, weshalb die Revision gemäß § 502 Abs 2 jedenfalls unzulässig und daher zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO. Die Revisionsgegnerinnen haben auf die absolute Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, weshalb ihre Revisionsbeantwortungen nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienten.
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