OGH 24Ds4/20b

OGH24Ds4/20b22.6.2020

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 22. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Fetz und Dr. Jilek sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Walter in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 21. November 2018, AZ D 32/17, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Oberstaatsanwalt Dr. Santeler, des Kammeranwalts Dr. Lindner sowie des Beschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0240DS00004.20B.0622.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Berufung wegen Schuld wird das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Disziplinarrat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer verwiesen.

Mit seiner Berufung wegen Strafe wird der Beschuldigte auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.

Danach hat er im Februar 2017 (in *****) – unter Verstoß gegen § 9 Abs 1, § 10 Abs 1 und 2 RAO sowie gegen § 10 Abs 1 Z 2, 3 und 4 und § 1 Abs 2 RL‑BA 2015 – trotz aufrechten Vertretungsverhältnisses zur N***** GmbH an der Errichtung der Ne***** GmbH mitgewirkt und damit gegen die Interessen der erstgenannten Gesellschaft gehandelt.

Über den Beschuldigten wurde hiefür eine Geldbuße von 2.000 Euro verhängt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen s RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) und Strafe; sie ist im Recht.

Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) auf, dass die – entscheidende Tatsachen betreffenden – Feststellungen, wonach der Beschuldigte mit seinen aus der jahrelangen Vertretung der N***** GmbH resultierenden Kenntnissen für einen der Gesellschafter seiner Mandantschaft ein direktes und unmittelbar konkurrierendes Unternehmen zu gründen half (ES 7 dritter Absatz), zur Gänze unbegründet geblieben sind.

Gemäß § 77 Abs 3 DSt iVm § 270 Abs 2 Z 5 StPO haben die Entscheidungsgründe eines Disziplinarerkenntnisses – ebenso wie die eines Strafurteils – nicht nur die Feststellungen zu den als erwiesen angesehenen Tatsachen, sondern auch die hiefür vom Disziplinarrat angenommenen Gründe, mit anderen Worten eine Beweiswürdigung zu enthalten. Aus dieser muss klar zu erkennen sein, welche Beweise konkreten Feststellungen zugrunde gelegt worden sind und warum bei der Entscheidung einzelnen Beweisergebnissen Glauben geschenkt, anderen aber nicht gefolgt wurde (vgl Danek/Mann , WK‑StPO § 270 Rz 38 [in Druck]).

Diesen Anforderungen wird das Erkenntnis, das sich unter dem Titel „Sachverhaltsfeststellungen und Beweiswürdigung“ eingangs damit begnügt, auf (nicht konkretisierte) „Beweisergebnisse“ zu verweisen und diese als „widerspruchsfrei“ zu bezeichnen (ES 3), ohne in der Folge die Erwägungen zu den Feststellungen über entscheidende Tatsachen anzuführen, nicht gerecht.

Das diesen Ausführungen vorangestellte, die Beweismittel bloß chronologisch aufzählende „Beweismittelverzeichnis“ (ES 3) ersetzt nicht die gebotene Würdigung aller relevanten Verfahrensergebnisse, weil es keine Begründung bestimmter Feststellungen, sondern nur ein Referat des Inhalts der Disziplinarverhandlung darstellt (RIS‑Justiz RS0132828; Danek/Mann , WK‑StPO § 270 Rz 25 [in Druck]; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 429).

Der vorliegende Begründungsmangel erfordert die Aufhebung des Schuldspruchs und demgemäß des Strafausspruchs sowie die Verweisung der Sache an den Disziplinarrat zu neuer Verhandlung und Entscheidung.

Mit seiner Berufung wegen Strafe war der Beschuldigte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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