OGH 15Os51/20v

OGH15Os51/20v5.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Walter, LL.M., LL.M., BA als Schriftführerin in der Strafsache gegen W***** K***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 17. Jänner 2020, GZ 12 Hv 22/19g‑211, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00051.20V.0605.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde W***** K***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 10. Juli 2018 in V***** G***** K***** vorsätzlich getötet, indem er ihn gewaltsam erstickte.

Die Geschworenen haben die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB bejaht, die entsprechende Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) hingegen verneint.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil aus § 345 Abs 1 Z 5 und 6 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt.

Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf Beiziehung eines „weiteren psychiatrischen Sachverständigen“ (ON 210 S 83) Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Ein weiterer Sachverständiger ist im Strafverfahren nur dann beizuziehen, wenn das bereits vorliegende Gutachten mangelhaft im Sinn des § 127 Abs 3 erster Satz StPO ist und diese Bedenken durch nochmalige Befragung des bestellten Sachverständigen nicht behoben werden können. Ein aus § 345 Abs 1 Z 5 StPO garantiertes Überprüfungsrecht hinsichtlich eines bereits durchgeführten Sachverständigenbeweises hat der Beschwerdeführer demnach, wenn er in der Hauptverhandlung einen in § 127 Abs 3 erster Satz StPO angeführten Mangel von Befund oder Gutachten aufzeigt und das dort beschriebene Verbesserungsverfahren erfolglos bleibt (vgl RIS-Justiz RS0117263).

Mit dem (bloßen) Hinweis auf eine von der psychologischen Sachverständigen Mag. R***** und dem psychiatrischen Sachverständigen Univ.‑Prof. Dr. W***** beim Angeklagten übereinstimmend diagnostizierte Psychopathie legte der Antrag nicht dar, dass der Befund unbestimmt (dazu RIS-Justiz RS0127941) oder das Gutachten widersprüchlich oder sonst mangelhaft (dazu RIS-Justiz RS0127942) wäre.

Das Verlangen aber, neue Befunde und Gutachten abzufordern, um die vom beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen erbrachten (im Sinn des § 127 Abs 3 StPO mängelfreien) Ergebnisse zu überprüfen, zielt auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS-Justiz RS0117263 [T10]).

Die in der Beschwerde zur Antragsfundierung nachgetragenen Argumente sind aufgrund des sich aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes ergebenden Neuerungsverbots unbeachtlich (vgl RIS-Justiz RS0099618).

Soweit die Fragenrüge (Z 6) die an der Textierung des § 11 StGB orientierte Formulierung der Zusatzfrage bemängelt und eine „konkretere“, die „Umstände der vorliegenden schweren Psychopathie“ einbeziehende Fragestellung vermisst, erklärt sie nicht, warum – entgegen dem Gesetzeswortlaut (vgl § 313 StPO „nach dem Strafausschließungs‑ oder Strafaufhebungsgrund … zu stellen“) – nach der konkreten Fallgestaltung und nicht nach dem Vorliegen der gesetzlichen Kriterien des – hier – Strafausschließungsgrundes (iwS) schlechthin zu fragen sein sollte (vgl RIS‑Justiz RS0117501; Lässig , WK-StPO § 313 Rz 9; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 619; Fabrizy , StPO 13 § 313 Rz 1c).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte