OGH 15Os4/20g

OGH15Os4/20g5.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Walter, LL.M., LL.M., BA, als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marc S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 8. März 2019, GZ 17 Hv 37/17f‑86, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00004.20G.0605.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marc S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in S***** gewerbsmäßig (vgl US 8) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen nachstehende Personen zu Handlungen verleitet, die den Verein „M*****“ in einem insgesamt 5.000 Euro, nicht jedoch 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar

1) von 13. Jänner 2014 bis 18. Mai 2015 Mag. Barbara B***** zur Autorisierung der Bezahlung von Rechnungen vom Vereinskonto für den Ankauf von „Messepark“-Gutscheinen, indem er wahrheitswidrig vorgab, diese würden für Spendenzwecke benötigt und verwendet, nämlich zur Freigabe

a) einer Überweisung von 5.000 Euro betreffend eine Rechnung vom 14. Jänner 2014;

b) einer Überweisung von 5.000 Euro betreffend eine Rechnung vom 4. Februar 2014;

c) einer Überweisung von 5.000 Euro betreffend eine Rechnung vom 4. März 2014;

d) einer Überweisung von 5.000 Euro betreffend eine Rechnung vom 29. Juli 2014;

e) einer Überweisung von 10.000 Euro betreffend eine Rechnung vom 20. November 2014;

f) einer Überweisung von 10.000 Euro betreffend eine Rechnung vom 18. Mai 2015;

2) von 16. April 2014 bis 28. April 2015 in zahlreichen Angriffen Mag. Barbara B***** zur Autorisierung der Bezahlung von Rechnungen in der Höhe von 1.000 Euro bis 19.200 Euro (US 6) für den Ankauf von Gutscheinen bei verschiedenen Unternehmen, indem er wahrheitswidrig vorgab, diese würden zur Gänze für Spendenzwecke benötigt und verwendet, obwohl er tatsächlich Gutscheine im Wert von 78.250 Euro für sich vereinnahmte;

3) von 10. Jänner 2014 bis 2. September 2015 Mag. Barbara B***** zur Autorisierung von Barbehebungen in der Höhe von 1.000 Euro bis 15.000 Euro (US 7) vom Vereinskonto durch Hans D*****, indem er wahrheitswidrig vorgab, das Bargeld würde zur Gänze für Spendenzwecke benötigt und verwendet, obwohl er tatsächlich Bargeld im Gesamtwert von 61.800 Euro für sich vereinnahmte;

4) von Jänner bis 1. April 2015 Maria Luise M***** zur Übergabe von ihr überlassenen Spenden, indem er wahrheitswidrig vorgab, die Beträge auf das Vereinskonto einzuzahlen, nämlich

a) im Jänner 2015 hinsichtlich einer Spende von 347 Euro;

b) am 12. Jänner 2015 hinsichtlich einer Spende von 1.055 Euro;

c) im Jänner 2015 hinsichtlich einer Spende von 600 Euro;

d) am 1. April 2015 hinsichtlich einer Spende von 1.020 Euro.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Der Erledigung der Mängelrüge (Z 5) ist voranzustellen, dass eine unter Nichtigkeitsdrohung stehende Begründungspflicht ausschließlich für den Ausspruch über entscheidende Tatsachen besteht (RIS-Justiz RS0099497). Entscheidend ist eine Tatsache dann, wenn die Feststellung ihres Vorliegens oder Nichtvorliegens in den Urteilsgründen entweder die rechtliche Entscheidung über Schuld- oder Freispruch oder – im Fall gerichtlicher Strafbarkeit – darüber beeinflusst, welche strafbare Handlung begründet wurde (RIS‑Justiz RS0117264).

Die Mängelrüge ist nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie sich an den gesetzlichen Anfechtungskategorien orientiert und an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß nimmt (RIS-Justiz RS0119370). Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird keine Nichtigkeit aus Z 5 oder 5a aufgezeigt (RIS-Justiz RS0102162).

Mit einer eigenständigen Würdigung der Aussagen der Zeuginnen Mag. Barbara B*****, Elli Bö*****, Maria Luise M***** und des Zeugen Hans D***** zu Ausmaß und Wert der „Messepark“-Gutscheine und zur Höhe der Bargeldabhebungen sowie mit Erwägungen zur Glaubwürdigkeit der Verantwortung des Angeklagten zeigt die Mängelrüge (Z 5) kein Begründungsdefizit im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes auf, sondern kritisiert lediglich die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld.

Die Angaben der Zeuginnen Angelika A***** und Gabriela Sch*****, der Mutter des Angeklagten, wurden – der Kritik der Beschwerde zuwider (Z 5 zweiter Fall) – berücksichtigt (US 11 f), vom Erstgericht aber für nicht glaubwürdig erachtet. Der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Zeugin aufgrund des von dieser in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende

kritisch-psychologische Vorgang als solcher ist der Anfechtung mit Mängelrüge jedoch entzogen (RIS-Justiz RS0106588).

Ein zur Frage der Spendeneinnahmen des Vereins vorgelegter Zeitungsartikel wurde gleichfalls nicht übergangen, ihm aber Beweiskraft abgesprochen (US 18, 20). Davon, dass es in der Buchhaltung des Vereins zu „Ungereimtheiten“ kam und „nicht alles so war, wie es eigentlich sein sollte“, ist das Gericht ohnehin ausgegangen (US 18). Die aus diesem Umstand gezogenen Schlüsse der Beschwerde wiederum verbleiben im Bereich bloßer Beweiswürdigungskritik.

Auch auf Unsicherheiten in der Aussage der Zeugin M***** sind die Tatrichter eingegangen (US 19). Weshalb es einen Widerspruch in der Begründung (Z 5 dritter Fall) darstellen sollte, wenn das Gericht diese Zeugin einerseits für (grundsätzlich) glaubwürdig erachtet, andererseits „Angaben von dieser unberücksichtigt lässt“, erklärt der Beschwerdeführer nicht. Genauso wenig legt er dar, welche Zeugenaussagen konkret unrichtig oder unvollständig wiedergegeben worden sein sollen (Z 5 fünfter Fall).

Soweit die Rüge schließlich den vom Gericht angenommenen Tatzeitraum (ab 10. Jänner 2014) mit dem Argument bekämpft, der (mit einer Veränderung in der Buchführung verbundene) Wechsel in der Führung des Vereins sei erst nach März 2014 erfolgt, bekämpft sie neuerlich bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) will nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Mit dem neuerlichen Hinweis darauf, dass sich die Zeuginnen Bö***** und M***** „mehrfach widersprochen“ hätten (vgl dazu die Erwägungen der Tatrichter US 9 f und 18 f), gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, solche erheblichen Bedenken beim Obersten Gerichtshof zu erwecken.

Gegenstand von Rechts‑ und Subsumtionsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem festgestellten Sachverhalt. Die Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat daher das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).

Die von der Beschwerde (Z 9 lit a) vermissten Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz finden sich auf US 5, 6 f und 8. Danach hielt es der Angeklagte zumindest für möglich und fand sich damit ab, sich die gegenständlichen Gutscheine und Beträge „zweckentfremdet zuzueignen, wobei er wusste, dass er auf die dadurch bewirkte Vermehrung seines Vermögens keinen Anspruch hatte“. Weshalb es diesen Konstatierungen an einem Sachverhaltsbezug fehlen sollte, erklärt die Rüge nicht.

Mit dem Hinweis auf die – selektiv wiedergegebene – Aussage der Zeugin B*****, wonach immer Marlies M***** die Überweisungen freigegeben habe (ON 46 S 46 f), benennt die Beschwerde kein weitere Konstatierungen indizierendes Sachverhaltssubstrat, sondern bekämpft die entgegenstehenden Feststellungen des Erstgerichts.

Gleichfalls bloß Beweiswürdigungskritik übt der Beschwerdeführer mit dem Verweis auf diverse Zeugenaussagen zur Existenz eines „Sparbuchs für Notfälle“ (Einlage ca 10.000 Euro), aus dem sich „Unstimmigkeiten in der Gebarung des Vereins“ ergeben würden.

Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) kritisiert, den Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit (§ 70 Abs 1 Z 2 StGB) sei nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte „bei der Tatbegehung zwei weitere solche [auf die Zueignung von jeweils mehr als 5.000 Euro gerichtete] Taten“ schon im Einzelnen geplant habe, übergeht sie die eben dies konstatierenden Urteilsaussagen (US 8 dritter Absatz, 24 f). Ein Nichtigkeit begründender Widerspruch (der Sache nach Z 5 dritter Fall) dieser Feststellung zu der beweiswürdigenden Erwägung der Tatrichter, dass der Angeklagte „zunächst mit kleineren Beträgen operierte, um feststellen zu können, ob diese Malversationen […] auffallen“ (US 25), ist nicht auszumachen.

Im Übrigen ist nach den Urteilsfeststellungen auch die Qualifikationsvariante der Z 3 erster Fall des § 70 Abs 1 StGB gegeben (vgl RIS‑Justiz RS0130965 [T2], RS0130850).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO). Bleibt dazu anzumerken, dass sich für den Obersten Gerichtshof aus der Urteilsausfertigung zweifelsfrei ergibt, dass die „in Anwendung des § 43a Abs 2 StGB“ verhängte Freiheitsstrafe von neun Monaten (allerdings ohne Setzung einer Probezeit; vgl RIS-Justiz RS0091481) bedingt nachgesehen wurde (vgl US 3, 27).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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