European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128600
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Antrag der klagenden Partei, anstelle des Bezirksgerichts F* das Bezirksgericht K* zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache zu AZ * des Bezirksgerichts F* zu bestimmen, wird abgewiesen.
Begründung:
Der Kläger begehrt von der beklagten GmbH eine Ablöse für Möbel und Heizöl. Die Beklagte habe von ihm und seiner Ehegattin eine Liegenschaft in K* gekauft. Für den Fall der Weiterveräußerung an einen Dritten, die mit Kaufvertrag vom 11. Juli 2019 zwischenzeitlich erfolgt sei, sei die geltend gemachte Ablöse vereinbart worden.
Als Beweismittel bot der Kläger neben dem Kaufvertrag und Korrespondenz einen Mitarbeiter der S* GmbH mit Sitz in K* und seine Ehegattin als Zeugen sowie seine Einvernahme als Partei an.
Die Beklagte entgegnete, dass keine Ablösevereinbarung getroffen worden sei. Neben einem Exekutionsakt des Bezirksgerichts K* und Urkunden bot die Beklagte die Parteieneinvernahme ihres Geschäftsführers als Beweismittel an.
Nach einem Schriftsatzwechsel der Parteien führte das angerufene Gericht am 13. Februar 2020 die vorbereitende Tagsatzung durch, in der es ein Rechtsgespräch führte und das Prozessprogramm erstellte.
Mit Schriftsatz vom 11. März 2020 stellte der Kläger den Antrag, seine Einvernahme sowie jene seiner Ehegattin und des von ihm angebotenen Zeugen im Weg einer Videokonferenz vor dem Bezirksgericht K* durchzuführen. In eventu stellte er den Antrag auf Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht K*. Die Führung des Rechtsstreits vor diesem Bezirksgericht sei zweckmäßig, weil die verkaufte Liegenschaft im Stadtgebiet von K* gelegen sei. Zudem hätten drei der zu vernehmenden Personen ihren Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichts K*. Überdies halte sich der Geschäftsführer der Beklagten häufig in Kärnten auf, weil die Beklagte dort über mehrere Liegenschaften verfüge. Im Rahmen einer Videokonferenz könne der persönliche Eindruck der einvernommenen Personen nicht vollständig gewahrt werden. Außerdem sei in Pkt VII.4 des Kaufvertrags für Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Kaufgeschäft die Zuständigkeit des Bezirksgerichts K* vereinbart worden.
Die Beklagte sprach sich gegen die beantragte Delegierung aus. Im Anlassfall könne ohne weiteres eine Videokonferenz durchgeführt werden. Der Kläger habe nicht vorgebracht, woraus sich eine erhebliche Verkürzung der Prozessdauer oder eine Verringerung der Prozesskosten ergeben solle. Ein überwiegendes Interesse für eine Delegierung bestehe nicht.
Das Bezirksgericht F* legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Delegierungsantrag vor. Es bestehe kein sachlicher Grund für eine Abweichung vom Beklagtengerichtsstand. Der Kläger und die von ihm beantragten Zeugen könnten problemlos vor dem Bezirksgericht K* einvernommen und – im Rahmen einer Videokonferenz – zugeschaltet werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
1. Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Delegierungen aus einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen sind dem Obersten Gerichtshof vorbehalten (§ 31 Abs 2 JN). Die Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Verfahrens, zur Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Kostenersparnis beitragen kann (RS0053169; RS0046333). Dabei ist zu beachten, dass die Delegierung der Ausnahmefall ist und nicht durch eine allzu großzügige Handhabung zu einer faktischen Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen darf. Gegen den Willen der anderen Partei darf die Delegierung daher nur ausgesprochen werden, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RS0046589; RS0046324; RS0046455).
2. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der Verweis des Klägers auf eine Gerichtsstandsvereinbarung ist schon deshalb nicht stichhaltig, weil er selbst die Klage beim Bezirksgericht F* eingebracht hat. Die zuständige Richterin hat sich mit der Rechtssache bereits befasst und ist in diese eingearbeitet. Dieser Umstand spricht eindeutig gegen eine Delegierung (vgl 4 Nc 30/19b). Hinzu kommt, dass sich die Beklagte für eine Verhandlung vor dem angerufenen Gericht ausgesprochen hat.
In Bezug auf die Einvernahme des Klägers sowie seiner Ehegattin und des weiteren Zeugen verweist die zuständige Richterin zutreffend auf die Möglichkeit der Videokonferenz. Nach dem bisherigen § 3 des 2. COVID‑19‑JuBG, BGBl I 2020/16, sollte eine mündliche Verhandlung nach Möglichkeit unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel, insbesondere einer Videokonferenz, durchgeführt werden. Nach § 3 des 8. COVID‑19‑JuBG, BGBl I 2020/30 (in Kraft seit 6. Mai 2020), können Anhörungen, mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen weiterhin unter Nutzung von Videotechnologie durchgeführt werden, sofern die Parteien zustimmen. In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass sich der Kläger selbst primär auf die Durchführung einer Videokonferenz berufen und den Delegierungsantrag nur eventualiter gestellt hat.
Der Kläger kann sich damit auf keine ausreichenden Gründe berufen, die für eine Delegierung sprechen. Für die Annahme einer wesentlichen Verkürzung des Verfahrens oder einer erheblichen Kostenersparnis im Fall der beantragten Delegierung bestehen keine genügenden Anhaltspunkte. Die Zweckmäßigkeit der beantragten Delegierung kann demnach nicht aus Sicht aller Parteien eindeutig bejaht werden.
Der Delegierungsantrag war daher abzuweisen.
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