OGH 6Ob154/19v

OGH6Ob154/19v23.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Clemens Richter als Masseverwalter im Konkurs der A* Holding GmbH, *, vertreten durch Dr. Engelhart & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. C*, vertreten durch Rohregger Scheibner Bachmann Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. F* S.A., *, vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechstanwälte LLP & Co KG in Wien, wegen 50.000.000 EUR sA gegen die erstbeklagte Partei und 186.230.000 EUR sA gegen die zweitbeklagte Partei, über den Rekurs der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. März 2019, GZ 5 R 160/18p‑193, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 31. Juli 2018, GZ 143 Cg 1/16d‑178, in Ansehung der zweitbeklagten Partei aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E128131

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die A* Bau GmbH (künftig: A* Bau) war eines der größten österreichischen Bauunternehmen mit weltweiten Bauvorhaben. Die Zweitbeklagte ist Teil des börsennotierten spanischen F*-Konzerns. Bei ihr sind die Beteiligungen des Konzerns an zahlreichen Bauunternehmen gebündelt. Sie steht zu praktisch 100 % im Eigentum der börsennotierten Fo* S.A. (künftig: F*-Holding).

Im Juni 2006 erwarb die Zweitbeklagte rund 79 % der Anteile an der A* Holding GmbH (Schuldnerin, künftig: A* Holding). Die restliche Beteiligung von knapp 21 % verblieb vorerst bei deren langjährigen Geschäftsführer Ing. D* A* (künftig: A*). Im Jahr 2009 übernahm die Zweitbeklagte weitere 3,73 % und im Jahr 2011 zusätzliche 3,5 % der Geschäftsanteile von A*. Im Februar 2012 erwarb sie schließlich die gesamte verbliebene Beteiligung von A* und hielt ab diesem Zeitpunkt 100 % der Anteile an der A* Holding.

Die A* Holding war mit 94 % an der H* GmbH (künftig: H*) beteiligt; die restliche Beteiligung (6 %) hielt die Zweitbeklagte direkt. Die H* hielt ihrerseits 81,544 % der Anteile der A* Bau. Anteile in Höhe von 17,632 % hielt die Zweitbeklagte direkt. Die restlichen 0,824 % hielt die S* S.A., eine Konzerngesellschaft der F*-Gruppe. Die operative Tätigkeit des Baukonzerns der A* lag bei der A* Bau.

Im Zeitraum von 2010 bis 2012 begab die A* Holding drei Publikumsanleihen über insgesamt 290 Mio EUR:

1. 5,25 % A*-Anleihe 10‑15: Nominale 100 Mio EUR, Valutatag: 1. 7. 2010.

2. 5,25 % A*-Anleihe 11‑16: Nominale 90 Mio EUR, Valutatag: 10. 6. 2011.

3. 6 % A*-Anleihe 12‑17: Nominale 100 Mio EUR, Valutatag: 22. 5. 2012.

Im Anschluss an jede dieser Anleihebegebungen schloss die A* Holding als Kreditgeberin mit der A* Bau als Kreditnehmerin einen Gesellschafterkreditvertrag ab:

1. Darlehen vom 1. 7. 2010 über 99.290.000 EUR, Verzinsung 5,45 % pA, Laufzeit 5 Jahre;

2. Darlehen vom 10. 6. 2011 über 89.580.000 EUR, Verzinsung 5,45 % pA, Laufzeit 5 Jahre;

3. Darlehen vom 22. 5. 2012 über 96.650.000 EUR, Verzinsung 6,35 % pA, Laufzeit 5 Jahre.

Am 19. 6. 2013 wurde über das Vermögen der A* Bau das Insolvenzverfahren eröffnet (AZ * des Handelsgerichts Wiens). Am 2. 7. 2013 wurde auch über das Vermögen der A* Holding das Insolvenzverfahren eröffnet (AZ * des Handelsgerichtes Wien).

Im Insolvenzverfahren der A* Bau bestritt der dort bestellte Insolvenzverwalter die von der A* Holding angemeldeten Darlehensforderungen von 89.580.000 EUR (Darlehen vom 10. 6. 2011) und 96.650.000 EUR (Darlehen vom 22. 5. 2012) unter Hinweis auf deren Eigenkapitalersatzcharakter im Sinn des § 2 EKEG.

Der Kläger begehrt von der Zweitbeklagten die Zahlung von 186.230.000 EUR, das entspricht der Summe der in den Jahren 2011 und 2012 der A* Bau ausgezahlten Darlehen, gestützt auf § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG und § 83 GmbHG.

Er bringt vor, die Jahresabschlüsse 2009 bis 2011 seien unrichtig und die A* Bau spätestens seit Herbst 2010 materiell insolvent gewesen. Die von der A* Holding der A* BAU gewährten Darlehen der Jahre 2011 und 2012 hätten daher Eigenkapital ersetzenden Charakter.

Die finanziellen Schwierigkeiten des A* Konzerns reichten bis ins Jahr 2008 zurück, als der Abschlussprüfer gezwungen gewesen sei, seine Redepflicht auszuüben, weil die URG‑Kennziffern erreicht worden seien und die Voraussetzungen eines Reorganisationsverfahrens bestanden hätten.

Die erforderliche Liquidität für den weiteren Fortbestand sollte durch die Emission von Anleihen sichergestellt werden, weil die Zweitbeklagte zur Finanzierung nicht bereit gewesen sei. Die schlechten Bilanzkennzahlen hätten jedoch dazu geführt, dass die bereits für das Jahr 2009 geplante Anleihebegebung habe gestoppt werden müssen. Im Rahmen des Konzernabschlusses 2010 habe die Abschlussprüferin noch wenige Tage vor Erteilung des Bestätigungsvermerkes darauf beharrt, ihre Redepflicht wegen Bestandsgefährdung gemäß § 273 Abs 2 UGB auszuüben. Sie habe davon nur aufgrund von offenbar erfolgten Interventionen Abstand genommen. Bereits damals sei eine Überschuldung vorgelegen.

Die aus großen Auslandsprojekten (Major Projects) resultierenden dramatischen Verluste seien in den Jahresabschlüssen der A* Bau und der A* Holding nicht ausgewiesen worden. Vielmehr seien in den Bilanzen für die Geschäftsjahre 2009 bis 2011 aus diesen Großprojekten Gewinne und werthaltige offene Forderungen ausgewiesen worden, obwohl die Forderungen seit Jahren bestritten gewesen seien und im Wert hätten berichtigt werden müssen. Dadurch sei im Zeitraum 2009 bis 2012 ein Bilanzbild entstanden, dass den wahren wirtschaftlichen Gegebenheiten dramatisch widersprochen hätte. Durch die Nichteinbringlichmachung der strittigen Forderungen habe der A* Bau die Liquidität gefehlt, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Die gebotenen Wertberichtigungen hätten jedoch einen Verstoß gegen die Bedingungen der in den Jahren 2009 bis 2012 auf Basis des Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetzes (ULSG) gewährten Großkredite bedeutet und deren Fälligstellung bewirkt, sodass jede weitere Finanzierung ausgeschlossen gewesen wäre.

Um zu vermeiden, dass in den Bilanzen eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit aufscheine, seien unter aktiver Mitwirkung der Zweitbeklagten Bilanzverschönerungsmaßnahmen („Window‑Dressing“) betrieben worden. So habe etwa die Zweitbeklagte Forderungen erworben („F*-Factoring“). Dabei habe es sich aber um bloße Scheingeschäfte gehandelt.

Weder die Zweitbeklagte noch eine andere Gesellschaft des F*-Konzerns habe im Zeitraum 2010 bis zur Begebung der letzten Anleihe irgendwelche Zuschüsse an die A* Holding oder die A* Bau geleistet. Es seien weder Patronatserklärungen noch sonstige verbindliche Finanzierungszusagen abgegeben worden.

Die Begebung der Anleihen habe ausschließlich zur Finanzierung der exorbitanten Verluste der A* Bau gedient. Diese Vorgangsweise habe ein existenzgefährdendes Risiko dargestellt. Es sei absehbar gewesen, dass die A* Holding aufgrund der Weiterleitung der Anleiherlöse an die insolvente A* Bau ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Anleihegläubigern nicht aus eigener Kraft werde nachkommen können.

Die A* Holding sei im Rahmen der Anleihebegebung ein gänzlich von der Zweitbeklagten abhängiges Vehikel ohne eigene Entscheidungsberechtigung gewesen. Die Darlehensgewährungen seien durch einen von der Zweitbeklagten gesteuerten massiven Befugnismissbrauch der Organe der A* Holding zustande gekommen, die kollusiv mit der A* Bau zusammengewirkt hätten.

Die A* Holding habe selbst keine Mitarbeiter beschäftigt. Alleiniger Unternehmenszweck sei die Geldbeschaffung im Konzern durch die Begebung von Anleihen und die Übernahme von Haftungen gewesen. Darüber hinaus sei keine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt worden. Die wesentlichen Holding-Funktionen seien sämtlich von der A* Bau ausgeübt worden.

Die Geschäftsführungen der A* Bau und der A* Holding seien entscheidend durch die Zweitbeklagte dominiert worden. Für Schlüsselpositionen seien Vertreter des F*-Konzerns bestellt worden, die alle wesentlichen Entscheidungen mit der F* hätten abstimmen müssen. Auch die Aufsichtsräte der A* Holding und der A* Bau seien überwiegend mit Repräsentanten der Zweitbeklagten besetzt gewesen. Die Schlüsselpersonen seien unter anderem E* S* (künftig: S*), A* T* (künftig: T*) und A* M* (künftig: M*) gewesen. S* sei die wichtigste Vertrauensperson der Zweitbeklagten innerhalb des A*-Konzerns und als CFO des A*-Konzerns umfassend über die wirtschaftliche Situation informiert gewesen. Er sei als Dienstnehmer der Zweitbeklagten dieser gegenüber weisungsunterworfen gewesen. T* sei „Subdirector General“ der F* und für die A* zuständig gewesen; in den Aufsichtsratssitzungen habe im Wesentlichen nicht der Geschäftsführer, sondern T* über den Geschäftsverlauf, Aktionspläne zur Verbesserung der Ergebnissituation, Verschuldung und Sonderprüfungen berichtet. M* habe die Darlehensverträge mitgestaltet und sei in alle rechtlichen Belange eingebunden gewesen. Der für Finanzen zuständige Geschäftsführer der A* Bau, Mag. M*, habe direkte Anweisungen von T* und vom CFO des gesamten F*-Konzerns, V*, erhalten. Er sei für die Konzernfinanzierung und das Liquiditätsmangement der gesamten A*-Gruppe zuständig gewesen und habe auch die vermeintlich der A* Holding obliegenden Agenden ausgeübt.

Der letzte Darlehensvertrag sei auf Seiten der A* Holding und der A* Bau von S* abgeschlossen worden. Die Entscheidung für die Darlehensgewährung in der gewählten Form sei zunächst von der A* Bau gemeinsam mit der F* konzipiert und durch F*-interne Gremien beschlossen worden; der Aufsichtsrat der A* Holding habe diese Entscheidung bloß „durchgewunken“. Letztlich seien die Darlehensverträge auf unmittelbare Anweisung der Zweitbeklagten geschlossen wurden, weil S* alle wichtigen Entscheidungen zuvor mit der Zweitbeklagten habe abstimmen müssen.

Die Gesellschafter der A* Bau hätten bereits im Dezember 2010 Richtlinien für die Geschäftsführer der A* Bau erlassen, wonach diese sämtliche über das kleine Alltagsgeschäft hinausgehenden Rechtsgeschäfte nur nach Genehmigung durch die Gesellschafter der A* Holding hätten durchführen dürfen. Ein gleichlautender Beschluss sei auch auf Ebene der A* Holding gefasst worden. Dies habe bedeutet, dass sowohl die Begebung der Anleihen durch die A* Holding als auch die Darlehensvergabe an die A* Bau nur nach Genehmigung durch die Zweitbeklagte erfolgen durfte. Die Richtlinien seien von der Zweitbeklagten vorgegeben worden.

Die Willensbildung auf Ebene der A* Holding habe nur noch Formalcharakter gehabt. Der Geschäftsführung der A* Bau und der A* Holding seien das Managementmeeting, das Investmentkomitee und als oberstes Organ der F*-Prüfungsausschuss vorgelagert und übergeordnet gewesen. Sämtliche wesentlichen Entscheidungen (Anleihen, Darlehensvergabe, „Window-Dressing“-Maßnahmen) seien vom Managementmeeting und dem F*-Prüfungsausschuss angeordnet worden.

Die Einflussnahme der Zweitbeklagten ergebe sich darüber hinaus aus einem mit A* abgeschlossenen, noch im Jahr 2012 verlängerten Konsulentenvertrag, mit dem A* ein Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der A* Bau eingeräumt worden sei. A* habe in Abstimmung mit und im Auftrag der Zweitbeklagten gehandelt, sodass sich ein direkter Weisungsstrang zu dieser ergebe. Dadurch habe letztlich ein „Organtausch“ auf Ebene der A* Holding stattgefunden. Aus dem Gesamtkonzept der Finanzierungen und der Entscheidungsstruktur folge, dass die auf Ebene der A* Bau getroffene Entscheidung, sich die erforderliche Liquidität über die A* Holding zu beschaffen, auf einem abgestimmten Verhalten von A* und der Zweitbeklagten beruht habe. Aufgrund des Konsulentenvertrags müsse sich die Zweitbeklagte das Verhalten A* zurechnen lassen. Im Ergebnis sei die Geschäftsführung der A* Holding ersetzt und auf die Zweitbeklagte übertragen worden.

Die der A* Bau eingeräumten Darlehen hielten einem Fremdvergleich nicht stand. Kein außenstehender Dritter hätte diese Darlehen mit einer derart geringen Verzinsung (Aufschlag von lediglich 0,2 bzw. 0,35 % gegenüber den eigenen Anleihefinanzierungskosten) gewährt, ohne eine entsprechende Sicherheitsleistung, etwa eine Patronatserklärung, zu verlangen. Mit einer Bedienung der Kreditverbindlichkeiten durch die A* Bau habe aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation nicht mehr gerechnet werden können. Den durch die Anleihebegungen eingegangenen Verbindlichkeiten stünden bloß die wertlosen Beteiligungsansätze sowie die uneinbringlichen Darlehensforderungen gegenüber.

Sämtliche Vorgänge seien in ihrer Gesamtheit zu betrachten und beruhten auf einem Gesamtplan der für die Finanzierung verantwortlichen F*, die das Risiko der Nachrangigkeit der Darlehensrückforderungen auf die A* Holding überwälzt habe.

Rechtlich stehe der A* Holding aufgrund der Kreditvergabe in der Krise auf Weisung der Zweitbeklagten ein Erstattungsanspruch nach § 9 EKEG zu. Dieser sei unabhängig von der mittelbaren Beteiligung der A* Holding an der A* Bau, die zum Zeitpunkt der Gewährung der Darlehen wertlos gewesen sei. Der Beteiligungsansatz habe sich durch die Darlehensvergaben an die insolvente A* Bau auch nicht erhöht. Sowohl die A* Holding als auch die A* Bau seien bereits in den Jahren 2011 und 2012 wirtschaftlich betrachtet im Alleineigentum der Zweitbeklagten gestanden. Die Kreditvergaben seien daher ausschließlich aus deren Weisungen heraus zu erklären.

Die Weisung ergebe sich bereits daraus, dass in den Jahren 2011 und 2012 bei der A* Bau und der A* Holding nichts Wesentliches habe geschehen können, ohne die Maßnahmen zuvor von der F* „absegnen“ zu lassen. Sie sei prima facie anzunehmen, weil die gegenständlichen Kredite mangels Kreditwürdigkeit der A* Bau einem Fremdvergleich nicht standhielten, sodass es der Lebenserfahrung entspreche, dass sie nur auf Weisung vergeben worden seien. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse der A* Holding an der Kreditvergabe scheide aus, weil der Wert ihrer Beteiligung an der – infolge der materiellen Insolvenz der A* Bau bereits wertlosen – H* durch die Kreditvergabe nicht erhöht worden sei. Demgegenüber habe die F* aufgrund ihrer Beteiligung an der A* Bau ein massives wirtschaftliches Eigeninteresse an der Kreditgewährung und dem Fortbestand der A* Bau gehabt.

Darüber hinaus sei die A* Holding durch die Anleihebegebung sowie die anschließende Darlehensvergabe an die A* Bau ein existenzbedrohendes Risiko eingegangen. Die Darlehen seien daher auch als unzulässige Einlagenrückgewähr – jene im Jahr 2012 auch unabhängig von einer Veranlassung durch die Zweitbeklagte – im Sinn des § 82 GmbHG zu werten, sodass der A* Holding im Fall der Verneinung der Anwendbarkeit des § 9 EKEG bzw von dessen Tatbestandsvoraussetzungen ein Rückerstattungsanspruch nach § 83 GmbHG zustehe.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren und beantragten die Klageabweisung.

Die Zweitbeklagte brachte vor, die A* Bau und die A* Holding seien zum 31. 12. 2010 und zum 31. 12. 2011 weder überschuldet noch zahlungsunfähig gewesen. Sämtliche Abschlüsse seien korrekt mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen worden. Während des Geschäftsjahres habe es lediglich aufgrund der Saisonalität der Bauwirtschaft starke Liquiditätsschwankungen gegeben. Eine Krise im Sinn des EKEG sei nicht vorgelegen.

Die sogenannten „Window-Dressing“-Maßnahmen seien zulässig gewesen. Das „F*-Factoring“ habe keinen Einfluss auf die Eigenmittelquote oder die Nettoverschuldung der A* Bau gehabt, weil diese nicht Vertragspartnerin des Forderungsverkaufs gewesen sei. Ein Scheingeschäft sei nicht vorgelegen.

Überdies hätten die Zweitbeklagte und ihre Muttergesellschaft sowie deren Tochtergesellschaft seit der zweiten Jahreshälfte 2008 bis einschließlich Juni 2013 insgesamt 268 Mio EUR an die A* Bau und einige ihrer Tochtergesellschaften geleistet und auf sämtliche Rückzahlungsansprüche verzichtet. Diese Leistungen seien der A* Holding aufgrund ihrer mittelbaren, rund 77 %-igen Beteiligung an der A* Bau im Umfang von 205,42 Mio EUR zugute gekommen.

Die Zweitbeklagte habe auch keine Weisung im Sinn des § 9 EKEG erteilt. Die Geschäftsführung der A* Bau sowie der A* Holding sei von jener der Zweitbeklagten völlig getrennt gewesen. Die Zweitbeklagte habe keinen über die übliche Ausübung von Gesellschafterrechten hinausgehenden Einfluss auf die Geschäftsführung genommen. Sie sei vielmehr damit konfrontiert gewesen, dass A* bis Februar 2012 als Mitgesellschafter und bis Juli 2012 als Aufsichtsratsvorsitzender der A* Holding eine zentrale Machtposition eingenommen und bis zu seinem Ausscheiden faktisch die Geschäftsführung der A* Gruppe innegehabt habe. Weder S* noch T* oder M* seien Vertreter der Zweitbeklagten (ausgenommen in Einzelfällen) gewesen.

Die Initiative zur Begebung der Anleihen und zur Kreditvergabe sei von Vertretern der A* Gruppe und nicht von der Zweitbeklagten gekommen. Das Ergebnis der Gespräche zwischen dem für die Finanzierung zuständigen Geschäftsführer der A* Bau, Mag. M*, und österreichischen Banken im Jahr 2009 sei gewesen, dass die A* Holding als Konzernmutter die Anleihen begebe und der Emissionserlös im Weg eines Gesellschafterkredits an die A* Bau weiter gereicht werden sollte. Bei den Anleihebegebungen in den Jahren 2010, 2011 und 2012 sei die Strukturfrage nicht neu erörtert worden. Die Zweitbeklagte sei weder in die Strukturfrage noch in den Abschluss der Kreditverträge eingebunden gewesen.

Ein direkter Weisungsstrang zwischen der Zweitbeklagten und A* habe nicht bestanden. Ein Konsulentenvertrag mit einer darin enthaltenen Weisungsbefugnis der Zweitbeklagten sei nicht abgeschlossen worden; darin wäre auch kein Weisungsrecht A* vorgesehen gewesen. A* sei überdies selbst bei Unterstellung der Wirksamkeit des behaupteten Konsulentenvertrags kein vertretungsbefugtes Organ der Zweitbeklagten gewesen.

Das Bestehen eines Genehmigungsvorbehaltes in den Richtlinien für die Geschäftsführungen der A* Bau und der A* Holding begründe noch keine Weisung im Sinn des § 9 EKEG. Eine allfällige Weisung wäre überdies– wenn überhaupt – nur der F*-Holding, nicht der Zweitbeklagten zurechenbar. Die Zweitbeklagte habe die Anleihebegebungen auch nicht genehmigt.

Mangels Vorliegens einer Krise sowie einer Weisung der Zweitbeklagten scheide ein Erstattungsanspruch nach § 9 EKEG aus. Überdies stelle der Erstattungsanspruch nach § 9 EKEG lediglich eine Abwandlung der Rechtsfolgen einer verbotenen Einlagenrückgewähr gemäß § 82 GmbHG dar, setze also das Vorliegen einer solchen voraus und komme folglich auf – grundsätzlich unbedenkliche – Kreditvergaben in vertikaler Ebene down-stream nicht zur Anwendung. Die Zahlungen der Zweitbeklagten an die A* Bau seien überdies als angemessene Gegenleistung für die Kreditgewährungen zu sehen, auch wenn sie erst nach der Kreditgewährung zugewendet worden seien.

Das Erstgericht wies die Klage gegen beide Beklagten ab.

Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus unter anderem fest:

S* war seit 29. 4. 2010 Geschäftsführer der A* Bau. Gleichzeitig war er seit 19. 1. 2012 auch Geschäftsführer der A* Holding. Er war auch Finanzvorstand (CFO) des A* Konzerns. Er wurde in all diesen Funktionen von der Zweitbeklagten bestellt und war auch deren Arbeitnehmer.

T* war einer der Direktoren der Zweitbeklagten und von 31. 1. 2007 bis Oktober 2012 stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, von 4 .10. 2012 bis 7. 6. 2013 Geschäftsführer der A* Holding. Seit 2007 war er überdies Aufsichtsratsvorsitzender der A* Bau sowie Aufsichtsratsvorsitzender der H*.

M* war seit Juli 2010 Leiterin der Rechtsabteilung der A* Holding, stand jedoch ebenfalls in einem Arbeitsverhältnis zur Zweitbeklagten. Sie war insbesondere für die Administration von Sitzungen und Meetings der Vertreter der Zweitbeklagten und der A* zuständig.

Rechtlich begründete das Erstgericht die Klageabweisung gegenüber der Zweitbeklagten zusammengefasst damit, dass es an einer Weisung im Sinn des § 9 EKEG fehle und diese Bestimmung im vorliegenden Fall einer downstream-Kreditvergabe auch gar nicht zur Anwendung komme. Ein Rückersatzanspruch nach § 83 GmbHG bestehe nicht, weil es in Fällen der downstream-Kreditgewährung zu keiner verpönten Leistung an die Muttergesellschaft komme, auch nicht im Umfang der von der Mutter selbst gehaltenen Minderheitsbeteiligung. Es liege daher im vorliegenden Fall kein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr vor.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung gegen den Erstbeklagten. Hinsichtlich der Zweitbeklagten hob es das Urteil des Erstgerichts auf und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.

Rechtlich führte es – betreffend die Zweitbeklagte – aus, § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG regle in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich die Kreditgewährung zwischen nicht aneinander beteiligten Schwestergesellschaften. Im vorliegenden Fall sei die A* Holding aber an der Kreditnehmerin mehrheitlich (mittelbar) beteiligt und bereits deshalb erfasster Gesellschafter nach §§ 5, 8 EKEG, sodass es zum Schutz der Gläubiger der Kreditnehmerin nicht des § 9 EKEG bedürfe. Es sei aber die analoge Heranziehung des Erstattungsanspruchs außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG zu prüfen.

Nach Darstellung des Meinungsstands in der Literatur folgerte das Berufungsgericht, dass der Erstattungsanspruch nach § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG davon unabhängig sei, ob der Vorgang im Verhältnis zur weisungsgebenden Muttergesellschaft gegen § 82 GmbHG verstoße. Ein derartiger Verstoß müsse bei der Finanzierung durch Schwestergesellschaften in der Krise auch nicht stets vorliegen, etwa wenn der Kredit marktüblich verzinst und angemessen besichert sei, eine betriebliche Rechtfertigung vorliege und der Kredit nicht existenzgefährdend sei. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass der Erstattungsanspruch nicht zustehe, wenn keine verbotene Einlagenrückgewähr vorliege. Der Entfall des noch im Ministerialentwurf enthaltenen Hinweises auf § 83 GmbHG deute vielmehr darauf hin, dass auch derartige Fälle erfasst sein sollten. Darüber hinaus setze Eintritt in die Rechtsposition des Kreditgebers einen wirksamen Kreditvertrag voraus.

Der Erstattungsanspruch ziele vielmehr darauf ab, die Last des Eigenkapitalersatzrechts der weisungsgebenden Konzernspitze aufzubürden, weil diese im Rahmen ihrer Finanzierungsverantwortung offenbar eine Kreditvergabe an eine ihrer Tochtergesellschaften für notwendig erachte. Das trete durch die Weisung zutage. Der Kredit gewährenden Tochter werde während der Krise der Anspruch auf Kreditrückzahlung genommen, sie erhalte aber einen sofort fälligen Ausgleichsanspruch gegen die weisungsgebende Muttergesellschaft. Tragender Gedanke dieses Erstattungsanspruchs sei die gesetzgeberische Wertung, dass die kreditgebende Gesellschaft von der ihr durch den gemeinsamen Gesellschafter aufgebürdeten Last des mit einem erheblichen Einbringungsrisiko verbundenen, der Rückzahlungssperre des § 14 EKEG unterliegenden Kredits befreit werden solle. Die erteilte Weisung rechtfertige es, diese Last der Weisungsgeberin aufzubürden. Damit werde im Ergebnis jene Situation geschaffen, die bei direkter Kreditvergabe durch die weisungsgebende Gesellschaft vorliege. Damit scheide die Einordnung des Erstattungsanspruchs als bloßer Anwendungsfall bzw Kanalisierung des § 83 GmbHG aus.

Ausgehend von diesen Erwägungen sei eine analoge Anwendung des Erstattungsanspruchs bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 9 EKEG auf eine downstream-Kreditvergabe auf Weisung der gemeinsamen Konzernobergesellschaft geboten. Es komme nicht darauf an, ob und in welchem Ausmaß die kreditgewährende Gesellschaft an der kreditnehmenden Gesellschaft beteiligt sei. Es könne auch nicht damit argumentiert werden, dass sich durch die Kreditgewährung der Wert des Beteiligungsansatzes erhöhe. Dies sei viel zu ungewiss; die kreditgebende Gesellschaft habe die auf die Weisung zurückzuführende Gefahr der Einbringlichkeit und den Nachteil der Rükzahlungssperre vielmehr unabhängig von einer Erhöhung des Beteiligungsansatzes zu tragen.

Eine unterschiedliche Behandlung sidestream- im Gegensatz zur downstream-Kreditvergabe auf Weisung könne aus dem Gesetz und den Materialien nicht abgeleitet werden. Der in § 9 EKEG normierte Erstattungsanspruch komme bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (kontrollierende Beteiligung des weisungsgebenden Konzernmitglieds an der Kreditgeberin und Stellung als erfasster Gesellschafter bei der Kreditnehmerin, Weisung, Kreditgewährung in der Krise) daher auch dann zur Anwendung, wenn die Kreditgeberin an der Kreditnehmerin mehrheitlich beteiligt sei. Ob § 9 EKEG darüber hinaus eine Analogiebasis für einen generellen Nachteilsausgleich im Konzern bilde, könne dahingestellt bleiben.

Im Ergebnis hänge der Erstattungsanspruch vom Vorliegen einer Weisung der Zweitbeklagten und eines Eigenkapital ersetzenden Kredits ab. Deshalb seien die unterbliebenen Beweisaufnahmen zum Themenkomplex der Weisung und zum Vorliegen einer Krise der Kreditnehmerin entscheidungswesentlich, was zur Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils führe.

Zur Auslegung des Begriffs der Weisung führte das Berufungsgericht aus, es bedürfe einer bewussten, für die Kreditgewährung kausalen und darauf gerichteten Beeinflussung der Willensbildung der kreditgebenden Gesellschaft durch die Muttergesellschaft. Ob die Weisung zulässig und im konkreten Fall rechtmäßig sei, sei hingegen nicht entscheidend.

Im vorliegenden Fall komme der Anscheinsbeweis zur Anwendung, weil der typische Erfahrungszusammenhang bei den gegebenen Beteiligungsverhältnissen jedenfalls bei Kreditunwürdigkeit der Kreditnehmerin im Zeitpunkt der Kreditvergabe für das Vorliegen einer Weisung spreche.

Da sich der Kläger primär auf § 9 EKEG und nur hilfsweise auf einen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr gestützt habe, sei auf einen allfälligen Anspruch nach § 83 GmbHG vorerst nicht einzugehen.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil keine Rechtsprechung zum Erstattungsanspruch des § 9 EKEG, dessen Analogiefähigkeit bei downstream-Kreditvergaben und zur Anwendung des prima facie-Beweises in diesem Zusammenhang vorliege.

Dagegen richtet sich der Rekurs der zweitbeklagten Partei, die die Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung des Erstgerichts anstrebt.

Die Rekurswerberin macht geltend, ein Erstattungsanspruch nach § 9 EKEG bestehe in der vorliegenden Konstellation nicht. Selbst wenn § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG zur Anwendung komme, seien die Voraussetzungen des Anscheinsbeweises für das Vorliegen einer Weisung nicht erfüllt; ein allfälliger Anscheinsbeweissei auch bereits entkräftet worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.

 

Zum Anwendungsbereich des § 9 Abs 1 EKEG:

1.1. Das EKEG soll einen angemessenen Ausgleich zwischen Gläubigerschutz und Finanzierungsfreiheit schaffen: Es bleibt grundsätzlich den Gesellschaftern überlassen, ob und wann sie die Gesellschaft finanzieren. In der Krise der Gesellschaft gilt aber, dass das Risiko des Misslingens der Sanierung der Gesellschaft nicht auf deren Gläubiger überwälzt werden soll (Schopper/Vogt in Koller/Lovrek/Spitzer, IO, Vor § 1 EKEG Rz 3 mwN). Als Rechtsfolge einer – per se nicht verbotenen – Eigenkapital ersetzenden Leistung sieht § 14 EKEG daher bis zur Sanierung der Gesellschaft eine Rückzahlungssperre vor (Schopper/Vogt in Koller/Lovrek/Spitzer, IO, § 1 EKEG Rz 5).

1.2. Gemäß § 1 EKEG ist ein Kredit, den eine Gesellschafterin oder ein Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise gewährt, Eigenkapital ersetzend. § 5 EKEG definiert den Grundtatbestand des erfassten Gesellschafters, ergänzende Definitionen des erfassten Gesellschafters enthalten §§ 6 bis 11 EKEG.

1.3. § 9 Abs 1 EKEG regelt ausweislich seiner Überschrift („Konzern“) die Kreditgewährung im Konzern. Die Bestimmung lautet:

Ist der Kreditgeber mit anderen rechtlich selbständigen Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitlicher Leitung oder kontrollierender Beteiligung zusammengefasst (Konzern), so gilt der Kreditgeber auch dann als erfasster Gesellschafter, wenn er nicht an der Kredit nehmenden Gesellschaft beteiligt ist, er jedoch den Kredit auf Weisung eines anderen Konzernmitglieds gewährt, das

1. am Kreditg eber unmittelbar oder mittelbar kontrollierend beteiligt ist und

2. erfasster Gesellschafter des Kreditnehmers ist.

Der Kreditgeber hat, wenn der Kredit Eigenkapital ersetzend ist, einen Anspruch auf Erstattung der Kreditsumme gegen dieses Konzernmitglied. Dieses tritt mit der Erstattung in die Rechtsposition des Kreditgebers ein. Der Anspruch auf Erstattung verjährt in fünf Jahren ab Kreditgewährung.

2.1. Nach einhelliger Auffassung erfasst § 9 Abs 1 EKEG die Kreditgewährung zwischen Schwestergesellschaften im weiteren Sinn (Nichten, Großnichten etc) auf Weisung der beiden Gesellschaften übergeordneten Konzerngesellschaft (vgl nur Schopper/Vogt in Koller/Lovrek/Spitzer, IO, § 9 EKEG Rz 4; Artmann in Karollus/Artmann, AktG6 § 52 Rz 60 ua). Unterschiedliche Ansichten bestehen zur Frage, ob auch Kreditvergabe in gerader Linie von oben nach unten den Erstattungsanspruch des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG auslöst.

2.2. Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass die Zweitbeklagte an der kreditgebenden Gesellschaft – der A* Holding – im Sinn des § 9 Abs 1 Z 1 EKEG beteiligt und dass sie erfasster Gesellschafter der Kreditnehmerin – der A* Bau – im Sinn des § 9 Abs 1 Z 2 EKEG ist. Die von § 9 Abs 1 EKEG vorausgesetzten Beteiligungsverhältnisse sind hinsichtlich der Zweitbeklagten daher erfüllt.

Unstrittig ist darüber hinaus, dass die kreditgebende Gesellschaft – die A* Holding –ihrerseits erfasste Gesellschafterin gemäß §§ 5, 8 EKEG hinsichtlich der kreditnehmenden Gesellschaft – der A* Bau – ist.

2.3. Es liegt auf der Hand, dass in einer derartigen Konstellation der Schutz der Gläubiger der kreditnehmenden Gesellschaft bereits gewährleistet ist, ohne dass es der Anwendung des § 9 Abs 1 EKEG bedarf. Sofern sich die A* Bau nämlich zu den Zeitpunkten der hier zu beurteilenden Kreditvergaben in der Krise befunden hat, löste dies im Verhältnis zwischen der A* Holding und der A* Bau die bis zur Sanierung der Gesellschaft wirkende Rückzahlungssperre des § 14 EKEG aus.

2.4. Die Anwendung des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG käme vielmehr der kreditgebenden Gesellschaft, also der A* Holding, bzw deren Gläubigern zugute.

3.1. In der Literatur werden unterschiedliche Ergebnisse vertreten. Die Argumente, die von den jeweiligen Literaturstimmen herangezogen werden, fokussieren auf das Verständnis des Gesetzestexts im Hinblick darauf, ob eine Beteiligung der Kreditgeberin an der Kreditnehmerin für die Anwendung des § 9 Abs 1 EKEG bloß nicht erforderlich sei oder ob eine (qualifizierte) Beteiligung die Anwendung der Bestimmung ausschließe; weiters auf das Verhältnis des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG zu den Kapitalerhaltungsvorschriften sowie auf die Frage nach einem verallgemeinerungsfähigen Ausgleichsanspruch für nachteilige Weisungen übergeordneter Konzerngesellschaften.

3.2. Zusammengefasst sprechen sich Artmann, Karollus, Koppensteiner und Auer für eine (analoge) Anwendung des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG auf eine Konstellation wie die hier vorliegende aus. Schopper/Vogt, Kalss, Zehetner/Bauer und C. Fischer lehnen dies ab. Dellinger vertritt eine differenzierende Lösung.

3.3.1. Auer (in FS Koppensteiner zum 70. Geburtstag [2007] 1 ff) und Koppensteiner (Zum konzernrechtlichen Gehalt von § 9 EKEG, wbl 2008, 53 ff; ders, Aktuelle Probleme des EKEG in FS Nowotny [2015] 369 ff [370], ders, Grenzen der Leitung abhängiger Kapitalgesellschaften in Kalss/Torggler, Einlagenrückgewähr [2014] 65 [66]) sehen im Erstattungsanspruch nach § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG einen Ansatzpunkt für einen dem Grundgedanken des § 311 dAktG nachempfundenen allgemeinen Nachteilsausgleich im Konzern zugunsten der untergeordneten Gesellschaft für Maßnahmen und Rechtsgeschäfte nachteiligen Charakters, die von einem herrschenden Rechtsträger veranlasst wurden.

3.3.2. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist der Normzweck des Erstattungsanspruchs gemäß § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG, den sie darin sehen, den Nachteil zu kompensieren, den die kreditgebende Gesellschaft durch den vorübergehenden oder endgültigen Verlust des Darlehens erleidet, der auf die Einflussnahme der Konzernspitze zurückgeht (Koppensteiner, wbl 2008, 53). Es verbiete sich, den Erstattungsanspruch als Variante einer Rückforderung wegen verdeckter Einlagenrückgewähr aufzufassen. Dies folge schon daraus, dass der Erstattungsanspruch im Fall der Kreditgewährung an eine in der Krise befindliche Schwestergesellschaft, soweit die Kreditgewährung als Einlagenrückgewähr im Verhältnis zur gemeinsamen Mutter zu qualifizieren sei, nicht notwendig mit der Kreditsumme übereinstimme (im Einzelnen Koppensteiner, wbl 2008, 54; Auer in FS Koppensteiner 3).

3.3.3. Es handle sich vielmehr um einen Anspruch sui generis (Auer in FS Koppensteiner 7 f) und eine abschließende Regelung des Nachteilsausgleichs im Konzern (Auer in Gruber/Harrer, GmbHG² § 83 Rz 33). Vergröbernd gehe es darum, einen Umgehungssachverhalt in den Griff zu bekommen, in dem ein herrschender Rechtsträger, der ein starkes wirtschaftliches Interesse am Überleben einer krisengefährdeten Gesellschaft habe, diese nicht selbst unterstütze, sondern eine von ihm abhängige Gesellschaft veranlasse, dies zu tun (Koppensteiner in FS Nowotny 370).

3.4.1. Karollus und Artmann sehen den Grundgedanken des § 9 Abs 1 EKEG darin, dass das sonst für das Eigenkapitalersatzrecht erforderliche Beteiligungserfordernis (der kreditgebenden an der kreditnehmenden Gesellschaft) durch das Vorhandensein eines gemeinsamen Gesellschafters, der selbst die Stellung als erfasster Gesellschafter habe, und durch die Kreditvergabe auf dessen Weisung substituiert werde (Karollus in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht, Erster Zusatzband [2009], § 9 EKEG Rz 14 f; Artmann in Artmann/Karollus, AktG6 § 52 AktG Rz 60).

3.4.2. Wenn die kreditgebende Gesellschaft im Ausmaß der §§ 5, 8 EKEG an der kreditnehmenden Gesellschaft beteiligt sei, bedürfe es für die Einbeziehung dieses Kredits in das Eigenkapitalersatzrecht nicht des § 9 EKEG. Für den Fall einer unter den Schwellenwerten der §§ 5, 8 EKEG liegenden Beteiligung der Kreditgeberin an der Kreditnehmerin könne die Vermutung einer Absprache zwischen Konzernunternehmen gemäß § 6 EKEG zur Anwendung des § 9 EKEG führen. In sämtlichen Varianten (Beteiligung im Ausmaß der §§ 5, 8 EKEG oder darunter) sei entscheidend, ob eine Weisung vorliege: Sei eine Weisung durch den gemeinsamen Gesellschafter erfolgt, greife – bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen – der Erstattungsanspruch des § 9 Abs 1 Z 2 EKEG zumindest analog ein (Karollus Rz 5 f; Artmann in Artmann/Karollus, § 52 AktG Rz 60).

3.4.3. Karollus geht dabei im Anschluss an Koppensteiner davon aus, dass der Gesetzgeber mit § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG für den speziellen Fall des von der Muttergesellschaft veranlassten Schwesternkredit einen verallgemeinerungsfähigen Lösungsansatz auch für andere Fälle der Veranlassung nachteiliger Maßnahmen durch eine übergeordnete Konzerngesellschaft kodifiziert (Karollus in Buchegger, Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 4). Dahinter stehe die Wertung, dass die kreditgebende Gesellschaft von der ihr durch den gemeinsamen Gesellschafter aufgebürdeten Last (dem mit einem erheblichen Einbringlichkeitsrisiko und der Rückzahlungssperre behafteten Kredit) befreit werden solle. Dies sei dogmatisch mit einer Abwicklung „im langen Weg“ zu begründen. Aufgrund der erteilten Weisung sei dem gemeinsamen Gesellschafter die Erstattungspflicht zuzumuten (Karollus in Buchegger, Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 27). Der Normzweck treffe auch dann zu, wenn die kreditgebende an der kreditnehmenden Gesellschaft beteiligt sei, und zwar auch dann, wenn die Beteiligung die Voraussetzungen der §§ 5, 8 EKEG erfülle.

Es komme für den Erstattungsanspruch auch nicht darauf an, ob der Kredit im konkreten Fall die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung (verbotenen Einlagenrückgewähr) erfülle (Karollus in Buchegger, Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 33). Liege eine verbotene Einlagenrückgewähr vor, so stelle sich die Frage nach dem Verhältnis des Erstattungsanspruchs des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG zu den Rechtsfolgen des Verbots der Einlagenrückgewähr (Nichtigkeit des Kreditvertrags und sofortiger Rückzahlungsanspruch). Das Konkurrenzproblem resultiere daraus, dass zwei verschiedene Schutzinstrumente mit gegenläufiger Schutzrichtung (Verbot der Einlagenrückgewähr als Schutz der kreditgebenden Gesellschaft, Eigenkapitalersatzrecht als Schutz der kreditnehmenden Gesellschaft) aufeinander träfen. § 9 Abs 1 Z 2 EKEG könnte zu einer „Entspannung“ dieses Konflikts führen, wenn der Erstattungsanspruch vollwertig, unstrittig und die Erstattungsschuldnerin zur Leistung bereit sei. Durch die Erstattung werde dann das Einbringlichkeitsrisiko ausgeglichen und es liege kein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr vor. Ansonsten – im Konfliktfall – habe vor der Kreditauszahlung das Verbot der Einlagenrückgewähr Vorrang, sodass eine Auszahlung nicht erfolgen dürfe. Sei jedoch bereits ausgezahlt worden, sollte der Schutz der kreditnehmenden Gesellschaft überwiegen (Karollus in Buchegger, Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 39 f).

3.4.4. Artmann (Kreditgewährung im Konzern – Zum Konkurrenzverhältnis zwischen Ausschüttungsverbot und Eigenkapitalersatzrecht, in Festschrift Günther H. Roth [2011] 23 ff) stellt den Erstattungsanspruch des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG in den Kontext der Kapitalerhaltungsvorschriften. Werde der Kredit – in der Grundkonstellation des Schwesternkredits – auf Weisung der gemeinsamen Obergesellschaft gewährt und befinde sich die Schwestergesellschaft in der Krise, so sei in der Regel auch der Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung erfüllt, sofern nicht im Einzelfall eine betriebliche Rechtfertigung vorliege oder die leistende Gesellschaft etwa von der Muttergesellschaft eine entsprechende Gegenleistung erhalten habe. Verstoße die Kreditgewährung gegen das Ausschüttungsverbot, stehe der kreditgewährenden Gesellschaft ein Rückgewähranspruch gemäß § 56 AktG bzw § 83 GmbHG zu.

Wie Karollus sieht auch Artmann die Beurteilung, ob die Weisung zur Kreditgewährung und der Kreditvertrag gegen das Ausschüttungsverbot verstoßen, davon abhängig, ob die weisungsgebende Muttergesellschaft willens und in der Lage ist, den Erstattungsanspruch zu erfüllen. Dies ändere aber nichts am Erstattungsanspruch der Kreditgeberin nach § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG, weil die gesetzgeberische Zielsetzung dieser Bestimmung in der Schaffung einer Regelung gelegen sei, mit der das Risiko des Eigenkapitalersatzrechts jener Gesellschaft aufgebürdet werde, deren Entscheidung maßgeblich für die Kreditgewährung gewesen sei (Artmann in FS Roth 27 f). Eine allfällige betriebliche Rechtfertigung der Kreditgewährung bewirke daher zwar, das kein Verstoß gegen das Ausschüttungsverbot vorliege, ändere aber nichts am Erstattungsanspruch gegen die Muttergesellschaft (Artmann in FS Roth 27 f).

Nach der gesetzgeberischen Konzeption des § 9 EKEG sollten die Rolle als Kreditgeberin und das Risiko der Rückführung des Kredits – unabhängig davon, ob das Rechtsgeschäft im Einzelfall zulässig oder unzulässig sei – der Muttergesellschaft zukommen, die als Gesellschafterin auch die Vorteile aus dem Überleben der Tochtergesellschaft lukriere (Artmann in FS Roth 28).

Im Fall der Beteiligung der kreditgebenden Gesellschaft an der Kreditnehmerin sieht Artmann – wie Koppensteiner und Karollus – den Ausgangspunkt der Überlegungen im Zweck des Erstattungsanspruchs, den durch die Befolgung der Weisung erlittenen Vermögensnachteil bei der kreditgebenden Gesellschaft auszugleichen. Sei die kreditgebende Gesellschaft erfasster Gesellschafter der Kreditnehmerin, komme das EKEG zwar bereits unabhängig von einer Weisung des übergeordneten Gesellschafters zur Anwendung. Werde sie allerdings zur Kreditvergabe durch eine Muttergesellschaft veranlasst, müsse ihr ein Erstattungsanspruch zustehen, weil andernfalls die Kreditgewährung nicht zulässig sei. Denn die Beteiligung an der Kreditnehmerin verhindere nicht die Anwendung des Ausschüttungsverbots. Die durch die Kreditgewährung allenfalls eintretende Wertsteigerung des Beteiligungsansatzes der Kreditgeberin sei zu ungewiss, um daraus die Zulässigkeit des Rechtsgeschäfts abzuleiten.

3.5. Rüffler (Gibt es im österreichischen Recht einen Nachteilsausgleich? In FS Nowotny [2015] 405 ff) wendet sich gegen die These, wonach der Erstattungsanspruch des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG Ausdruck eines allgemeinen Prinzips des Nachteilsausgleichs sei. Koppensteiner und Auer gingen zu Unrecht davon aus, dass der Erstattungsanspruch des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG nicht die Rechtsfolgen der verbotenen Einlagenrückgewähr regeln sollte. Der eigenkapitalersetzende Schwesternkredit sei regelmäßig zugleich ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr. § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG habe in solchen Fällen eine klarstellende Funktion, weil auch im Fall der verbotenen Einlagenrückgewähr ein Erstattungsanspruch gegen die Mutter bestehe, wenn sie die Kreditgewährung veranlasst habe (FS Nowotny 408 f). Dass der (gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßende) Schwesternkredit nicht nichtig sei und eine Schwester von der anderen Schwestergesellschaft das Darlehen nicht zurückverlangen könne, sei eine Folge des Schutzzwecks des § 9 EKEG, die Gläubiger der kreditnehmenden Gesellschaft zu schützen (FS Nowotny 410). Insofern würden die Rechtsfolgen des § 83 GmbHG von § 9 EKEG verdrängt. § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG sei wohl als eine Variante des Rückerstattungsanspruchs gemäß § 83 Abs 1 GmbHG anzusehen. Auch wenn man den Normzweck auch auf einen Nachteilsausgleich für veranlasste nachteilige Kreditgewährungen rückführen wollte, sprächen gewichtige Argumente gegen die von Koppensteiner vertretene Analogie.

3.6.1. Nach Kalss (Die mangelnde Anwendbarkeit von § 9 Abs 1 EKEG auf den Kredit einer Muttergesellschaft an ihre Tochtergesellschaft, GesRZ 2015, 302 ff [basierend auf einem im vorliegenden Verfahren erstatteten Rechtsgutachten]) ist § 9 EKEG grundsätzlich nicht auf Kreditgewährungen in der geraden Beteiligungskette anzuwenden.

3.6.2. Sie nimmt nicht (gesondert) auf den Zweck des Rückerstattungsanspruchs des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG Bezug, sondern sieht den Zweck des § 9 EKEG allein in der durch Satz 1 dieser Bestimmung erreichten Ausweitung des Kreises der erfassten Gesellschafter. Ziel des § 9 [Abs 1 Satz 1] EKEG sei, die Umgehung der Rechtsfolgen des § 14 EKEG durch Einschaltung einer an der kreditnehmenden Gesellschaft nicht beteiligten Konzerngesellschaft auszuschließen (GesRZ 2015, 303).

3.6.3. Dieses Ergebnis sei nicht schon aus der Wortinterpretation zu gewinnen: Aus dem Wortlaut des ersten Satzes von § 9 Abs 1 EKEG („auch“) ergebe sich nur die Ausdehnung auf die Schwestergesellschaft; der Wortlaut schließe die Einbeziehung von Konstellationen, in denen eine Gesellschaft ihrer Tochtergesellschaft auf Weisung der Großmuttergesellschaft einen Kredit gewähre, nicht aus.

3.6.4. Für die Einschränkung auf Kreditvergaben unter Schwestern (im weiteren Sinn) spreche aber, dass nur diese Konstellation in den Materialien genannt werde. Das gesetzgeberische Verständnis beruhe darauf, dass der Schwesternkredit so zu behandeln sei, als handle es sich um eine im kurzen Weg abgewickelte Leistung der kreditgebenden Gesellschaft an die Muttergesellschaft und eine Leistung dieser an die kreditnehmende Gesellschaft. In Fällen, in denen die kreditgebende mit einer qualifizierten Mehrheit an der kreditnehmenden Gesellschaft beteiligt sei, sei die Annahme von im kurzen Weg abgewickelten Leistungen der Kreditgeberin an die Großmuttergesellschaft sowie dieser an die Kreditnehmerin kaum vorstellbar und sachgerecht. In derartigen Fällen komme es schlichtweg zu keiner Gewährung einer Leistung an die Muttergesellschaft der kreditgebenden Gesellschaft (Kalss, GesRZ 2015, 304).

3.6.5. Aus der Gesetzesgenese könne nicht geschlossen werden, dass § 9 EKEG dem Verbot der Einlagenrückgewähr vorgehe; vielmehr würden die Rechtsfolgen der Einlagenrückgewähr durch § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG konkretisiert.

3.6.6. Das EKEG solle in seiner Grundkonzeption Finanzierungsleistungen von Gesellschaftern an die Gesellschaft von oben nach unten (downstream) erfassen. Durch die Erfassung der mittelbar beteiligten Gesellschafter in § 8 EKEG werde der Gefahr begegnet, dass die Anwendbarkeit des EKEG umgangen werde, indem zwischen Gesellschafter und Gesellschaft eine Zweckgesellschaft dazwischengeschaltet werde (GesRZ 2015, 305). § 9 EKEG beschäftige sich ergänzend mit horizontalen Konzernverhältnissen, in denen §§ 5 und 8 nicht zur Anwendung des EKEG führen würden. Beim Schwesternkredit werde wegen der Krise der Kreditnehmerin „und/oder“ dem Weisungszusammenhang im Regelfall auch der Tatbestand der Einlagenrückgewähr verwirklicht. § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG modifiziere die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr, indem der Rückzahlungsanspruch kanalisiert und die Aktiv- und Passivlegitimation für die in § 9 Abs 1 EKEG beschriebene Situation konkretisiert werde (GesRZ 2015, 305 f). Hingegen wolle das Gesetz keine allgemeine Nachteilsausgleichsregelung schaffen.

3.6.7. Für vertikale Kreditvergaben downstream folge daraus: Der Erstattungsanspruch nach § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG setze notwendiger Weise einen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr voraus. In Fällen, in denen die Kreditgeberin an der Kreditnehmerin mit qualifizierter Mehrheit beteiligt sei, komme es aber im Zuge der Kreditgewährung nicht zu einer Leistung an die Muttergesellschaft der Kreditgeberin. Mangels eines Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr stehe der Kreditgeberin auch kein Anspruch nach § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG gegen die Muttergesellschaft zu, dies unabhängig davon, ob sie zu dieser Kreditgewährung angewiesen worden sei oder nicht. Auch wenn die Großmuttergesellschaft selbst mit einer Minderheitsbeteiligung an der Kreditnehmerin beteiligt sei, erbringe die Kreditgeberin keine Leistung an die Großmuttergesellschaft, auch nicht in dem Ausmaß, das der Beteiligung der Großmuttergesellschaft entspreche. Eine mathematische Aufteilung widerspreche der Befugnis zur Entscheidung über die Kreditgewährung. Der Einfluss der Gesellschafter und ihre Entscheidung über die Kreditgewährung seien aber die maßgeblichen Zurechnungsfaktoren für die Anwendung des EKEG (GesRZ 2015, 307).

3.7. Schopper/Vogt (in Koller/Lovrek/Spitzer, IO, § 9 Rz 9; dies, Eigenkapitalersatzrechtgesetz [2003] § 9 Rz 24 f) lehnen für Fälle wie den vorliegenden, in dem die Beteiligung zwischen kreditnehmender und kreditgebender Gesellschaft selbst den Tatbestand einer Zurechnungsbestimmung des EKEG erfüllt, die Anwendung des § 9 EKEG ab. Dies führe zum Entfall des Erstattungsanspruchs. Auch wenn in einer solchen Konstellation eine Weisung vorliege, seien die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des Erstattungsanspruchs nicht gegeben.

3.8.1. C. Fischer (Eigenkapitalersetzende Konzernfinanzierung nach dem EKEG [2005]) fasst § 9 EKEG als Sonderbestimung für jene Beteiligungsverhältnisse im Konzern auf, in denen zwischen Kreditgeber- und Kreditnehmergesellschaft nicht einmal ein den sonstigen Regeln des EKEG unterliegendes (mittelbares) Beteiligungsverhältnis bestehe, jedoch andere Zurechnungsgründe vorhanden seien. Er hebt hervor, dass die Kreditgebergesellschaft im zumindest überwiegenden (Konzern-)Interesse der gemeinsamen Mutter handle, und die Weisung zur Kreditvergabe jedenfalls eine zu verantwortende Finanzierungsentscheidung der gemeinsamen Mutter hinsichtlich der Kreditnehmerin sei (Konzernfinanzierung 106).

3.8.2. C. Fischer sieht für den Fall der Beteiligung der kreditgebenden an der kreditnehmenden Gesellschaft eine anteilige Kürzung des Erstattungsanspruchs vor; dies allerdings nur für jene Kreditgeberinnen, deren Beteiligung unter der qualifizierten Beteiligungsschwelle der §§ 5, 8 EKEG liegt. Die Kürzung richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Modellhaft solle für jeden Prozentpunkt, um den die Beteiligung der Kreditgeberin an der Kreditnehmerin 25 % unterschreite, ein Abschlag von 4 % vom Erstattungsanspruch vorgenommen werden (Konzernfinanzierung 117). Für einen Fall wie den vorliegenden scheidet ein Erstattungsanspruch nach dieser Ansicht gänzlich aus.

3.9. Eine Reihe weiterer Autoren sprechen sich gegen die – direkte oder analoge – Anwendung des § 9 EKEG auf kreditgebende Gesellschaften, die an der kreditnehmenden Gesellschaft in einem den Regeln des EKEG unterliegenden Verhältnis beteiligt sind (Eckert/U. Schmidt in Haberer/Krejci, Konzernrecht [2016] Rz 13.32 f) oder gegen einen allgemeinen Nachteilsausgleich aus (Milchrahm in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG [2017] § 115 Rz 205; Haberer/Krejci in Haberer/Krejci, Konzernrecht Rz 1.335; U. Torggler in Straube, WK GmbHG § 115 Rz 24 [jeweils ohne gesonderte Stellungnahme zum Erstattungsanspruch bei der downstream-Kreditvergabe]). Die kreditgebende Gesellschaft solle allein aus der Erteilung einer Weisung des anderen Konzernmitglieds keinen Vorteil ziehen (Schopper/Vogt, EKEG § 9 Rz 24; C. Fischer, Konzernfinanzierung 115).

3.10. Einen differenzierenden Ansatz vertritt Dellinger (in Dellinger/Mohr, Eigenkapitalersatzgesetz [2004] § 9 Rz 16): Die Frage, ob der kreditgewährenden Gesellschaft, die an der kreditnehmenden Gesellschaft beteiligt ist, im Fall der Kreditgewährung auf Weisung ein Erstattungsanspruch nach § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG zusteht, könne nicht abstrakt, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalls beantwortet werden. Gegen einen Erstattungsanspruch spreche, dass durch die Eigenkapital ersetzende Kreditgewährung auch der Wert der von der Kreditgeberin selbst gehaltenen Beteiligung an der kreditnehmenden Gesellschaft steige. In der Kreditvergabe müsse daher bei eigener Beteiligung der Kreditgeberin keine verdeckte Gewinnausschüttung an die gemeinsame Mutter liegen, die die Weisung erteilt habe. Das gelte vor allem dann, wenn auch die Mutter der in die Krise geratenen Kreditnehmerin einen Kredit gewähre.

4.1. Die Materialien zu § 9 EKEG enthalten keine ausdrückliche Stellungnahme zur hier interessierenden Frage. Die Zweckrichtung der Bestimmung wird im Hinblick darauf erklärt, dass es beim auf Weisung erfolgten Schwesternkredit gerechtfertigt sei, die von § 5 EKEG nicht erfasste Kreditgeberin zu erfassen. Es geht demnach um die Kreditgewährung zwischen zwei Gesellschaftern eines Konzerns, die „selbst aneinander nicht beteiligt sind“. § 9 Abs 1 EKEG behandle in diesem Fall die Kreditvergabe so, als handle es sich um eine Leistung der kreditgebenden an die Muttergesellschaft und eine Leistung dieser an die kreditnehmende Gesellschaft, die im kurzen Weg abgewickelt worden seien. Daher werde die Gesellschafterposition der Muttergesellschaft der Kreditgeberin zugerechnet; der in der Krise gewährte Kredit sei als eigenkapitalersetzendzu behandeln. Zum Erstattungsanspruch wird lediglichdie getroffene Regelung referiert (ErläutRV 124 BlgNR 22. GP  10; so bereits die erste Regierungsvorlage 1282 BlgNr 21. GP  16). Allgemein wird darauf verwiesen, dass in der Unternehmenskrise die Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter zum Tragen komme (ErläutRV 124 BlgNR 22. GP  3).

4.2. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage enthalten keine Stellungnahme zum Verhältnis des Erstattunganspruchs zum Rückersatzanspruch bei verbotener Einlagenrückgewähr. Der der Regierungsvorlage vorausgegangene Ministerialentwurf hatte in der ursprünglichen Fassung des § 5 EKEG (der inhaltlich die Regelung des § 9 EKEG enthält) noch in einem Abs 3 ausdrücklich angeordnet, dass die Vorschriften über die verdeckte Gewinnausschüttung unberührt blieben und den Bestimmungen des Eigenkapitalersatzrechts vorgingen (ME 306 BlgNR 21. GP  6). In den Erläuterungen zum Vorschlag des § 5 EKEG wurde darauf hingewiesen, dass die Schwestergesellschaft mit der Kreditgewährung an die in der Krise befindliche Schwester eine Leistung an die gemeinsame Muttergesellschaft erbringe, die als Gesellschafterin von der Liquidität der Kreditnehmerin profitiere. Die Leistung an die Muttergesellschaft verstoße gegen das Verbot der verdeckten Gewinnausschüttung und sei rückgängig zu machen; daher sei ein Anspruch der kreditgebenden Gesellschaft gegen die Muttergesellschaft auf Erstattung vorgesehen (ME 306 BlgNR 21. GP  32 f).

5. Höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Erstattungsanspruch des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG liegt nicht vor.

 

Zum Begriff der Weisung:

6.1. Hinsichtlich des Begriffs der Weisung besteht in der Literatur Einigkeit darüber, dass dieser weit auszulegen ist (Schopper/Vogt in Koller/Lovrek/Spitzer, IO § 9 EKEG Rz 11; Artmann in Karollus/Artmann, AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus in Buchegger, Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 18; Dellinger in Dellinger/Mohr, Eigenkapitalersatz-Gesetz § 9 Rz 8; Schmidsberger, Eigenkapitalersatz im Konzern, in Dellinger/Keppert, Eigenkapitalersatzrecht [2004] 119 [135]; Duursma/Duursma-Kepplinger/M. Roth, Handbuch zum Gesellschaftsrecht [2007] Rz 2407). Sie muss auch nicht rechtsverbindlich sein (Schopper/Vogt in Koller/Lovrek/Spitzer, IO § 9 EKEG Rz 11; Artmann in Karollus/Artmann, AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus, Aktuelle Fragen der „Weisung“ im Sinn des § 9 EKEG, in Artmann/Rüffler/Torggler, Gesellschafterpflichten in der Krise [2015] 105 f [unter Hinweis auf das im vorliegenden Fall erstattete Rechtsgutachten]; Zehetner/Bauer, Eigenkapitalersatzrecht 80; Dellinger in Dellinger/Mohr, Eigenkapitalersatz-Gesetz § 9 Rz 8). Sie kann auch konkludent erteilt werden (Artmann in Karollus/Artmann, AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus in Buchegger, Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 18).

6.2. Das weite Verständnis gründet darauf, dass die Notwendigkeit erkannt wird, die in Konzernen üblichen „subtileren Formen der Einflussnahme“ zu erfassen (Karollus in Buchegger, Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 18). Würde auf eine förmliche Weisung abgestellt, wäre die Bestimmung kaum je anwendbar (Dellinger in Dellinger/Mohr, Eigenkapitalersatz-Gesetz § 9 Rz 8).

6.3. Die für die Erfüllung des Weisungsbegriffs des § 9 EKEG erforderliche Einflussnahme wird im Einzelnen unterschiedlich umschrieben:

6.3.1. Entscheidend sei, dass die weisungsgebende Gesellschaft von ihrer Lenkungsmöglichkeit, die sie aufgrund der (mittelbar) kontrollierenden Beteiligung habe, Gebrauch mache. Auch eine „sonstige Veranlassung“ sei erfasst (Schopper/Vogt in Koller/Lovrek/Spitzer, IO § 9 EKEG Rz 11). Es müsse ein entsprechender Wunsch oder ein Verlangen (unabhängig von der Bezeichnung, etwa als Richtlinie, Anregung oder Vorschlag [Artmann in FS Roth 32]) der Konzernspitze erkennbar sein, die den Handlungsspielraum der Gesellschaft einengten (Artmann in Karollus/Artmann, AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus in Buchegger, Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 18); die übergeordnete Konzerngesellschaft müsse unmissverständlich zu erkennen geben, dass sie die Kreditgewährung wünsche (Koppensteiner, wbl 2008, 53 [57]). Entscheidend ist demnach die faktische Verbindlichkeit im Sinn der vom gemeinsamen Gesellschafter gewollten Einengung des Handlungsspielraums der Organe (Karollus in Artmann/Rüffler/Torggler, Gesellschafterpflichten 105 f). Faktische Weisungen seien ausreichend (Zehetner/Bauer, Eigenkapitalersatzrecht 81; C. Fischer, Konzernfinanzierung 120 jeweils unter Hinweis auf den Gesetzgebungsprozess).

6.3.2. Die bloße Billigung der Kreditgewährung wird hingegen als nicht ausreichend angesehen (Artmann in Karollus/Artmann, AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus in Artmann/Rüffler/Torggler, Gesellschafterpflichten 102; wohl weiter Koppensteiner in FS Nowotny 371).

6.4. Inhaltlich muss sich die Weisung auf die Kreditgewährung beziehen (Schopper/Vogt in Koller/Lovrek/Spitzer, IO § 9 EKEG Rz 11;); allerdings wird auch eine generelle Weisung – etwa bei Einrichtung eines zentralen Cash-Management – als ausreichend angesehen (Artmann in Karollus/Artmann, AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus in Artmann/Rüffler/Torggler, Gesellschafterpflichten 113).

6.5. Unterschiedliche Meinungen werden zur Frage vertreten, ob die Weisung kausal für die Kreditgewährung sein muss (dafür: Schopper/Vogt in Koller/Lovrek/Spitzer, IO § 9 EKEG Rz 11; vgl Koppensteiner in FS Nowotny 371; dagegen: Artmann in Karollus/Artmann, AktG6 § 52 Rz 60/1; dagegen noch Karollus in Buchegger, Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 18; nunmehr für das Kausalitätserfordernis: Karollus in Artmann/Rüffler/Torggler, Gesellschafterpflichten 111 f).

6.6. Bei Personalunion der Organe der Obergesellschaft und der kreditgebenden Gesellschaft erübrige sich eine gesonderte Weisung (Artmann in Karollus/Artmann, AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus in Buchegger, Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 18; Dellinger in Dellinger/Mohr, Eigenkapitalersatz-Gesetz § 9 Rz 8).

6.7. Die analoge Anwendung der Vermutungsregel des § 6 Abs 2 EKEG auf das Vorliegen einer Weisung wird überwiegend abgelehnt (Artmann in Karollus/Artmann, AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus in Buchegger, Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 20; Zehetner/Bauer, Eigenkapitalersatzrecht 80; wohl auch Dellinger in Dellinger/Mohr, Eigenkapitalersatz-Gesetz § 9 Rz 8; aM Schopper/Vogt in Koller/Lovrek/Spitzer, IO § 9 EKEG Rz 11; Schopper in Schopper/Vogt, Eigenkapitalersatzgesetz § 9 Rz 38; C. Fischer, Konzernfinanzierung 121).

6.8. Allerdings wird durchwegs die Heranziehung des Anscheinsbeweises befürwortet (Artmann in Karollus/Artmann, AktG6 § 52 Rz 60/1; Dellinger in Dellinger/Mohr, Eigenkapitalersatz-Gesetz § 9 Rz 8), weil die Kreditgewährung zwischen zwei aneinander nicht beteiligten Konzerngesellschaften typischer Weise nur über Veranlassung der Konzernspitze erfolge (Dellinger, ecolex 2002, 332; Fellner/Mutz, Eigenkapitalersatz-Gesetz 90), dies insbesondere im Fall der Kreditunwürdigkeit der Kreditnehmerin (Zehetner/Bauer, Eigenkapitalersatzrecht 80; Karollus in Buchegger, Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 20; Dellinger in Dellinger/Mohr, Eigenkapitalersatz-Gesetz § 9 Rz 8; vgl Krejci, ecolex 1993, 308 [310]).

Kein Fall des Anscheinsbeweises wird aber dann gesehen, wenn die Kreditgeberin an der Kreditnehmerin maßgeblich beteiligt ist, weil es diesfalls an dem für den Anscheinsbeweis erforderlichen typischen Geschehensablauf fehle (Artmann in Karollus/Artmann, AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus in Artmann/Rüffler/Torggler, Gesellschafterpflichten in der Krise [2015] 120 f).

 

Der Senat hat erwogen:

7.1. Zur Beurteilung der Frage, ob der kreditgebenden Gesellschaft in einer Konstellation wie der vorliegenden der Erstattungsanspruch des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG zusteht, kann mit der Wortinterpretation allein nicht das Auslangen gefunden werden (in diesem Sinn Artmann in FS Roth 34 Fn 68; Kalss,GesRZ 2015, 304).

7.2. Nach Ansicht des erkennenden Senatsist die Konstellation einer von oben nach unten in gerader Linie stattfindenden Kreditvergabe auf Weisung einer Konzerngesellschaft, die an der kreditgebenden und der kreditnehmenden Gesellschaft im Sinn des § 9 Abs 1 EKEG beteiligt ist, vom Wortlaut der Bestimmung erfasst. Diesem kann nämlich nur entnommen, dass eine Beteiligung der Kreditgeberin an der Kreditnehmerin keine notwendige Voraussetzung für die Anwendung des § 9 EKEG ist (in diesem Sinn auch Kalss, GesRZ 2015, 304).

8.1. Aus den Materialien ergibt sich, dass der Gesetzgeber den Zweck verfolgte, mit § 9 EKEG den auf Weisung der gemeinsamen Muttergesellschaft erteilten Kredit zwischen Schwestergesellschaften im Konzern zu erfassen und in das Eigenkapitalersatzrecht einzubeziehen. Dieser Zweck wurde im Wege des § 9 Abs 1 Satz 1 EKEG umgesetzt.

8.2. Für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs des § 9 EKEG im Hinblick auf downstream-Kreditvergaben können den Materialien nach Ansicht des Senats allerdings keine Anhaltspunkte entnommen werden. Der in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage nicht begründete Entfall der noch im Ministerialentwurf enthaltenen Regelung des Verhältnisses des Erstattungsanspruchs zur Einlagenrückgewähr gibt in diesem Zusammenhang keine weiteren Aufschlüsse.

8.3. Festzuhalten ist lediglich, dass der dem Gesetzgeber offenkundig vor Augen stehende Fall des auf Weisung der Konzernmutter während des Vorliegens einer Unternehmenskrise gewährten Schwesternkredits typischer Weise eine verbotene Einlagenrückgewähr darstellt. Dies deshalb, weil die Kreditgeberin typischer Weise durch die Kreditvergabe an die in der Krise befindliche Schwestergesellschaft – durch die Rückzahlungssperre des § 14 EKEG und das hohe Ausfallsrisiko – belastet ist, ohne dass dem ein Vorteil gegenüber stünde, wohingegen die weisungsgebende Obergesellschaft typischer Weise von der Kreditgewährung an die Konzerngesellschaft, an der sie qualifiziert beteiligt ist, profitiert (vgl Schmidsberger in Dellinger/Keppert, Eigenkapitalersatzrecht 135 ff).

Die Deutung, dass der Erstattungsanspruch des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG „zumindest in seinem Kern“ ein Sonderfall des § 83 Abs 1 EKEG sei (Torggler in Straube, WK GmbHG [Vorauflage Stand 1. 8. 2009] § 115 Rz 24), trifft daher zu.

8.4. Dieser Befund bedeutet aber nicht, dass das Vorliegen der Voraussetzungen einer verbotenen Einlagenrückgewähr für die Berechtigung des Erstattungsanspruchs gemäß § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG erforderlich wäre.

In der Literatur wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auch in der prototypischen Konstellation des Schwesternkredits nicht notwendiger Weise eine verbotene Einlagenrückgewähr zugunsten des gemeinsamen Gesellschafters vorliegen müsse. So sei etwa der Fall denkbar, dass ein Schwesternkredit auch unabhängig von der Konzernverbundenheit aus geschäftspolitischen Erwägungen gegeben worden wäre, wenn die Kreditnehmerin Hauptzulieferer oder -abnehmer der Kreditgeberin ist (C. Fischer, Konzernfinanzierung 106 [Fn 404], 111 [421]). Die Beurteilung, ob eine darauf gerichtete Weisung der übergeordneten Konzerngesellschaft bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (RS0105532 [T11]) bereits dazu führt, dass eine Leistung an die Obergesellschaft vorliegt (vgl Artmann in FS Roth 30; vgl zur Fragestellung Karollus, Einlagenrückgewähr und verdeckte Gewinnausschüttung im Gesellschaftsrecht, in Leitner, Handbuch verdeckte Gewinnausschüttung [2014] 32) ist für die Berechtigung des Erstattungsanspruchs des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG nicht entscheidend.

9. Nach Ansicht des erkennenden Senats ist die Abgrenzung des Anwendungsbereichs des § 9 EKEG anhand der dieser Bestimmung zugrunde liegenden wesentlichen Wertungen vorzunehmen:

9.1. Auszugehen ist zunächst davon, dass der Erstattungsanspruch des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG einen von Satz 1 dieser Bestimmung verschiedenen Zweck erfüllt. Satz 1 dient dem Schutz der Gläubiger der kreditnehmenden Gesellschaft durch Erweiterung des Kreises der erfassten Gesellschafter. Der in Satz 2 leg cit angeordnete Erstattungsanspruch kommt hingegen der kreditgebenden Gesellschaft bzw deren Gläubigern zugute.

9.2. § 9 EKEG dient im Wesentlichen dazu, Umgehungskonstruktionen durch Einschaltung von Konzerngesellschaften zu erfassen (vgl Kalss, GesRZ 2015, 302 [303]; Koppensteiner in FS Nowotny 370; Schopper in Schopper/Vogt,§ 9 Rz 38: „Vorschieben“ eines Konzernmitglieds als Kreditgeber im Weg der Weisung). § 9 Abs 1 Satz 1 EKEG betrifft die Umgehung der Rechtsfolgen des § 14 EKEG. Aber auch die in § 9 Abs 1 Satz 2 und 3 EKEG angeordneten Rechtsfolgen – Rückerstattungsanspruch und Übergang der Rechtsstellung der Kreditgeberin auf die weisungsgebende Gesellschafterin – verfolgen den Zweck, den zugrunde liegenden wirtschaftlichen Vorgang rechtlich korrekt abzubilden. Sie können daher ebenfalls als Umgehungsschutz angesehen werden.

9.3. § 9 EKEG regelt Fälle, in denen typischer Weise die (weisungsgebende) Gesellschafterin „Finanzierungsverantwortung“ hinsichtlich der Kreditnehmerin trägt. Typischer Weise kommt eine Sanierung der kreditnehmenden Gesellschaft der weisungsgebenden Gesellschaft wirtschaftlich zugute. Hingegen besteht typischer Weise kein wirtschaftliches Eigeninteresse der Kreditgeberin an der Sanierung der Kreditnehmerin. Durch die Weisung ist das wirtschaftliche Interesse der Gesellschafterin an der Kreditvergabe dokumentiert.

9.4. Ist die Weisung kausal für die Kreditgewährung und gereicht die Kreditgewährung der Kreditgeberin typischer Weise zum Nachteil, so bewirkt der Erstattungsanspruch wirtschaftlich gesehen einen Ausgleich für den von der Kreditgeberin aufgrund der Weisung erlittenen Nachteil.

10. Diese Erwägungen kommen in einem Fall wie dem hier vorliegenden nur in einem eingeschränkten Umfang zum Tragen.

10.1. Bei einer downstream-Kreditvergabe, bei der die Kreditgeberin bereits erfasste Gesellschafterin der Kreditnehmerin ist, trägt die kreditgebende Gesellschaft selbst „Finanzierungsverantwortung“ für die Kreditnehmerin; eine Sanierung der Kreditnehmerin kommt typischer Weise (auch) ihr zugute. In diesem Zusammenhang kann auch nicht ohne Weiteres stets davon ausgegangen werden, dass die Kreditvergabe als Nachteil für die Kreditgeberin zu werten ist: Die eine (in der Folge kreditgebende) Gesellschaft ist nämlich qualifiziert an der in der Krise befindlichen anderen (in der Folge kreditnehmenden) Gesellschaft beteiligt, was jedenfalls die wirtschaftliche Entscheidung erforderlich macht, ob und gegebenenfalls mit welcher Art der Finanzierung eine Sanierung der in der Krise befindlichen Gesellschaft versucht werden soll.

10.2. Unverändert gegenüber der Konstellation des Schwesternkredits bleibt allerdings der Befund, dass auch in Fällen der downstream-Kreditvergabe die Weisung des Gesellschafters dokumentiert, dass dieser ein Interesse an der Kreditvergabe an die in der Krise befindliche Konzerngesellschaft hat und auch gewillt ist, die Kreditvergabe entgegen den Interessen der Kreditgeberin durchzusetzen.

11. Ausgehend von diesen Erwägungen vermag sich der erkennende Senat der Ansicht, dass die Anwendung des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG in Fällen wie dem vorliegenden – in dem die Kreditvergabe auf Weisung der im Sinn des § 9 Abs 1 EKEG an der Kreditgeberin und der Kreditnehmerin beteiligten Konzerngesellschaft erfolgte, und in denen die kreditgebende Gesellschaft ihrerseits erfasste Gesellschafterin der kreditnehmenden Gesellschaft ist – schlechthin ausgeschlossen wäre, nicht anzuschließen.

11.1. Dies folgt schon daraus, dass § 9 Art 1 Satz 2 EKEG unzweifelhaft den Schutz der Gläubiger der kreditgebenden Gesellschaft anordnet (vgl Koppensteiner in FS Nowotny 371 f): Es ist offenkundig, dass bei Vorliegen des Zurechnungselements „Weisung“ auch diese vor dem „Einschieben“ (vgl Schopper in Schopper/Vogt,§ 9 Rz 38) weiterer Konzerngesellschaften geschützt werden. Ein solcher Schutzzweck kann aber auch im vertikalen Verhältnis zum Tragen kommen. In einer Konstellation wie der vorliegenden kommt daher der Weisung als Zurechnungselement zur gemeinsamen Gesellschafterin das entscheidende Gewicht zu.

11.2. Zum Anwendungsbereich des § 9 Abs 1 EKEG ist daher als Ergebnis festzuhalten: Liegt eine Weisung vor, ist – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 9 EKEG – auch bei der Kreditgewährung im vertikalen Verhältnis von oben nach unten der Erstattungsanspruch berechtigt.

12.1. Hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der Weisung schließt sich der Senat der Ansicht an, dass § 9 EKEG keine ausdrückliche Weisung verlangt. Zu fordern ist aber die Ausübung der Lenkungsmöglichkeit der weisungsgebenden Gesellschaft (vgl Schopper/Vogt in Koller/Lovrek/Spitzer, IO § 9 EKEG Rz 11) derart, dass eine erkennbar nach außen tretende Willensäußerung der übergeordneten Konzerngesellschaft an die Kreditgeberin herangetragen wird, die den Handlungsspielraum der Gesellschaft einengt. Diese hat über die bloße Billigung der Kreditgewährung hinauszugehen (vgl Artmann in Karollus/Artmann, AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus in Artmann/Rüffler/Torggler, Gesellschafterpflichten 107 ff). Entscheidend ist dabei jeweils nicht die gewählte Bezeichnung der Willensäußerung, sondern die gewollte und tatsächlich bewirkte Einflussnahme auf den Handlungsspielraum der Gesellschaft.

12.2. Sofern in den Entscheidungsorganen der kreditgebenden Gesellschaft mehrheitlich Mitglieder der Entscheidungsorgane der weisungsgebenden Gesellschaft vertreten sind, erscheint es sachgerecht, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von herabgesetzten Anforderungen an die Ausprägung der Weisung auszugehen. Dies ist etwa auch dann sachgerecht, wenn die Person, die die „Doppelrolle“ innehat, die Möglichkeit hat – etwa aufgrund einer Ressortverteilung – faktisch die Entscheidungsbefugnis der übrigen Mitglieder der Geschäftsführung einzuengen (vgl Karollus in Artmann/Rüffler/Torggler, Gesellschafterpflichten 113).

12.3. Der Inhalt der Weisung muss die Kreditvergabe zumindest miterfassen und für diese (mit‑)kausal sein.

12.4. Die Beweislast für das Vorliegen einer Weisung (im dargestellten Sinn) trifft den Kläger.

Dieser kann sich im vorliegenden Fall nicht auf die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises stützen, weil hier die kreditgebende Gesellschaft selbst mittelbar mehrheitlich an der kreditnehmenden Gesellschaft beteiligt ist. In einer solchen Konstellation kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kreditgewährung an die in der Krise befindliche Tochter erfahrungsgemäß nur auf Weisung der übergeordneten Konzerngesellschaft erfolgt wäre. Es fehlt daher an dem für den Anscheinsbeweis vorausgesetzten typischen Geschehensablauf (RS0040266; RS0022611; RS0040287).

Zum Aufhebungsbeschluss:

13. Das Berufungsgericht begründete den Aufhebungsbeschluss mit der unterbliebenen Einvernahme der Zeugen S* und T* zum Themenkomplex des Vorliegens einer Weisung im Sinn des § 9 EKEG sowie der unterbliebenen Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Vorliegen einer Krise.

13.1. Die diesem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht, dass es für den geltend gemachten Anspruch gemäß § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG auf das Vorliegen einer Weisung ankommt, ist zutreffend.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren das Beweisverfahren im Hinblick auf das Vorliegen einer Weisung im Sinn des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG, gegebenenfalls im Hinblick auf das Vorliegen einer Krise im Sinn des § 2 EKEG, zu ergänzen haben.

13.2.1. Die Rekurswerberin steht auf dem Standpunkt, das Berufungsgericht habe die unterbliebene Einvernahme der Zeugen S* und T* zu Unrecht als Verfahrensmangel behandelt, weil es ohne darauf gerichtete Rüge einen Mangel der Beschlussfassung über das Aussageverweigerungsrecht der Zeugen aufgegriffen habe und weil das Erstgericht deren Weigerung zutreffend als berechtigt beurteilt habe.

13.2.2. Die Rekurswerberin wird mit ihren Ausführungen zum Aussageverweigerungsrecht der Zeugen auf den Beschluss des Obersten Gerichtshofs zu 6 Ob 155/19s verwiesen. Mit dieser Entscheidung wurden die Revisionsrekurse der Zweitbeklagten und der genannten Zeugen zurückgewiesen, sodass die Entscheidung des Rekursgerichts, mit der der vom Erstgericht gefasste Beschluss über die Rechtmäßigkeit der Aussageverweigerung der Zeugen ersatzlos behoben wurde, in Rechtskraft erwuchs.

13.3. Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts beruht auch nicht auf einer aktenwidrigen Grundlage:

Die Rekurswerberin verkennt, dass das Berufungsgericht einen Verfahrensmangel nicht in der Berücksichtigung von im Verfahren vorgelegten Urkunden (hier: Sachverständigengutachten aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren), sondern in der unter Berufung auf § 281a ZPO unterbliebenen Einholung des vom Kläger beantragten Sachverständigengutachtens zum Vorliegen einer Krise im Sinn des § 2 EKEG erkannte.

13.4. § 281a ZPO sieht eine Lockerung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes vor (vgl RS0113304), indem es unter den dort angeführten Voraussetzungen die mittelbare Beweisaufnahme unter gleichzeitiger Abstandnahme von der unmittelbaren Beweisaufnahme gestattet.

13.5. Auch hinsichtlich der Zeugen S* und T* liegt die vom Berufungsgericht aufgegriffene unrichtige Anwendung des § 281a ZPO im Unterbleiben der unmittelbaren Beweisaufnahme, nicht in der Verwertung der als Urkunden vorgelegten Protokoll. Die Rekursausführungen zur Zulässigkeit der Verwertung der vorgelegten Vernehmungsprotokolle gehen daher ins Leere. Der Kläger hat die unterbliebene Einvernahme der Zeugen – entgegen den Rekursausführungen – in seiner Berufung auch gerügt.

14. Im Ergebnis kommt dem Rekurs der Zweitbeklagten daher keine Berechtigung zu. Das Erstgericht wird das Verfahren im aufgezeigten Sinn zu ergänzen haben.

15. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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