OGH 8ObA62/19d

OGH8ObA62/19d27.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Michaela Puhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei U* GmbH, *, vertreten durch Dr. Manuela M. Pacher, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei J*, vertreten durch Mag. Michael Pfleger, Rechtsanwalt in Amstetten, wegen 11.289,72 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. August 2019, GZ 7 Ra 17/19z‑16, mit dem das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. November 2018, GZ 27 Cga 42/18v‑12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128009

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Klägerin beschäftigt sich mit Türsystemen, Übergängen und der Innenausstattung von Schienenfahrzeugen. Diese Geschäftsfelder wurden auch bereits im Jahr 2012 bedient.

Der Beklagte war vom 1. 5. 2003 bis 28. 2. 2018 bei der Beklagten beschäftigt, zunächst als Leiter der Technik und ab 2012 als Leiter im Elektronik-Bereich. Hierbei war er für Türsysteme komplett und für das Sicherheitsmanagement in sämtlichen von der Klägerin angebotenen Produktbereichen verantwortlich. Als Leiter im Elektronik-Bereich war er Mitglied der zweiten Führungsebene und im engsten Kreis der Geschäftsführung. Mit ihm wurden Geschäftsgeheimnisse besprochen. In seinem Kompetenzbereich lagen auch Patentrecherchen und die Kommunikation mit Patentanwälten. Im Jahr 2013 finanzierte ihm die Klägerin eine Schulung zum RAMS/LCC-Ingenieur, die den Inhaber zur Durchführung von Sicherheitsanalysen und Lebenszykluskostenanalysen berechtigt und am Markt als „highly recommended“ gilt.

Grundlage für die Tätigkeit des Beklagten war zuletzt der Dienstvertrag vom 29. 3. 2012, der in seinem Punkt 14. folgende Konkurrenzklausel enthält:

Der/Die Arbeitnehmer/in ist verpflichtet, bis zum Ablauf von sechs Monaten ab der Beendigung des Arbeitsvertrags innerhalb Österreichs im Geschäftszweig des Arbeitgebers (d.h. Türsysteme und Übergänge für Schienenfahrzeuge) weder selbständig noch unselbständig für den Mitbewerber tätig zu werden.

Für den Fall des Zuwiderhandelns wird eine Konventionalstrafe in Höhe von drei Monatsentgelten (netto) vereinbart, wobei der/die Arbeitnehmer/in ausdrücklich die Angemessenheit der vereinbarten Konventionalstrafe anerkennt.

Mit Schreiben vom 31. 1. 2018 kündigte der Beklagte sein Dienstverhältnis zur Klägerin. Auf seinen Wunsch wurde diese Kündigung in eine einvernehmliche Auflösung umgewandelt, wobei dies unter ausdrücklichem Hinweis auf die Konkurrenzklausel im Dienstvertrag geschah.

Es hätte Möglichkeiten der Beschäftigung des Beklagten gegeben, bei denen er seine Kenntnisse und Berufserfahrung hätte nützen können, ohne zu einem Konkurrenzunternehmen der Klägerin zu wechseln, dennoch ging er bereits im Mai 2018 ein Dienstverhältnis zur S* GmbH ein. Diese ist ein direktes Konkurrenzunternehmen der Klägerin und bietet ebenfalls Innenausstattungen und Türlösungen für Schienenfahrzeuge an. Ursprünglich handelte es sich um einen reinen Zulieferer für Komponenten, der als solcher immer noch von der Klägerin Aufträge erhält. Seit dem Jahr 2012 kam es jedoch zu einem Abgang von mittlerweile sieben Mitarbeitern der Klägerin zur S* GmbH, die nunmehr dort allesamt Schlüsselpositionen besetzen. Die S* GmbH entwickelte sich zu einem unmittelbaren Mitbewerber der Klägerin und macht dieser nicht nur im Bereich Interieur, sondern auch im Bereich der Türsysteme Konkurrenz.

Der Beklagte ist bei der S* GmbH in der Produktentwicklung tätig. Die S* GmbH kann auch seine Zertifizierung als RAMS/LCC-Ingenieur verwenden. Durch seine Tätigkeit bei der S* GmbH können der Klägerin Marktanteile verloren gehen.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung einer Konventionalstrafe von 11.289,72 EUR sA. Der Beklagte sei bei einem direkten Mitbewerber der Klägerin tätig, was einen Verstoß gegen das Konkurrenzverbot darstelle. Die Spezifizierung der Konkurrenzklausel durch den Hinweis auf Türsysteme und Übergänge für Schienenfahrzeuge erkläre sich daraus, dass die Klägerin ursprünglich nur in diesen Segmenten tätig gewesen sei. Das Geschäftsfeld sei jedoch in der Folge ausgeweitet worden, sodass unter einem Konkurrenzunternehmen jeder Mitbewerber der Klägerin, in welchem Geschäftsfeld auch immer, zu verstehen sei.

Der Beklagte wendet insbesondere ein, er sei bei seinem neuen Dienstgeber nicht im Geschäftszweig der Klägerin, nämlich im speziell in der Konkurrenzklausel angeführten Bereich der Türsysteme und Übergänge für Schienenfahrzeuge tätig, sodass die Konkurrenzklausel nicht verletzt sei. Vielmehr sei er als Leiter für den neu gegründeten Bereich Produktentwicklung Innenausstattung für Schienenfahrzeuge (Deckensysteme, Klimakanäle, Gepäckablagen, Tische, LED-Beleuchtungen und dgl) aufgenommen worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Klägerin und die S* GmbH seien auch unter einschränkender Auslegung der Konkurrenzklausel im selben Geschäftszweig „Türsysteme und Übergänge für Schienenfahrzeuge“ tätig und bestehe eine Konkurrenzsituation zwischen den beiden Unternehmen. Die Voraussetzungen für eine Mäßigung der Konventionalstrafe würden nicht vorliegen.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge. Der Beklagte beanstande zwar, das Erstgericht habe sich mit seinem Tätigkeitsbereich bei der S* GmbH nicht auseinandergesetzt. Im vorliegenden Fall habe sich aber gerade nicht ergeben, dass der Beklagte nicht in dem der Vereinbarung zugrundeliegenden Geschäftszweig der Klägerin beim Konkurrenzunternehmen tätig gewesen sei. Der Beklagte habe selbst vorgebracht, bei der S* GmbH die Leitung des neuen Betriebsbereichs Produktentwicklung übernommen zu haben, dies jedenfalls hinsichtlich Innenausstattung für Schienenfahrzeuge. Seine weitere Behauptung, dass er sein Know-how im Bereich Türsysteme deshalb nicht habe verwenden können, da die S* GmbH keine Türsysteme vertreibe, entwickle, konstruiere oder serviciere, sei insofern widerlegt worden, als sehr wohl feststehe, dass dieses Unternehmen als direktes Konkurrenzunternehmen der Klägerin auch „Türlösungen“ für Schienenfahrzeuge anbiete. Zumal der Beklagte bei der S* GmbH in der Produktentwicklung (ohne Einschränkung) tätig sei, ergebe sich, dass diese Tätigkeit auch Türlösungen für Schienenfahrzeuge mitumfasse, die von diesem Unternehmen –  das sich auch in diesem Bereich zu einer unmittelbaren Mitbewerberin und Konkurrentin der Klägerin (erst) entwickle  – ebenfalls angeboten würden. Selbst bei einer engen Auslegung der Konkurrenzklausel könne nicht zweifelhaft sein, dass auch „Türlösungen“ vom festgelegten Geschäftszweig umfasst seien.

Die Beurteilung des Erstgerichts, dass die zwischen den Parteien vereinbarte Konventionalstrafe nicht zu mäßigen sei, sei nicht zu beanstanden, dies insbesondere unter Berücksichtigung der einflussreichen Stellung des Beklagten bei der Klägerin sowie des Umstands, dass die Höhe der vereinbarten Konventionalstrafe ohnehin eher im unteren Bereich der sonst durchaus üblichen Vereinbarungen liege. Auch die finanziellen, sozialen und familiären Umstände des Beklagten würden nicht für eine Mäßigung sprechen.

Die ordentliche Revision sei mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung abzuändern.

Mit ihrer – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, die Revision des Beklagten zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist entgegen dem –  den Obersten Gerichtshof nicht bindenden  – Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil sich die Berufungsentscheidung als korrekturbedürftig erweist. Die Revision ist im Sinn des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags (RIS‑Justiz RS0041774) auch berechtigt.

1. Konkurrenzklauseln sind mangels besonderer Interpretationsregeln nach den Bestimmungen der §§ 914 f ABGB auszulegen (RS0111387). Es ist daher nicht am Wortlaut der Konkurrenzklausel zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs und dem Verständnis eines redlichen Erklärungsempfängers entspricht (vgl 9 ObA 130/14d; Reissner, Die arbeitsrechtliche Konkurrenzklausel [1996] 145 f; ders im AngG‑Kommentar § 36 Rz 75 f). Im Hinblick auf die Abhängigkeit des Arbeitnehmers von seiner Arbeitskraft sind Konkurrenzklauseln im Zweifel einschränkend, das heißt im Sinne einer geringeren Beschränkung der Verfügungsfreiheit des zur Unterlassung Verpflichteten auszulegen (RS0016612).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat bereits das Erstgericht zutreffend erkannt, dass der Geschäftszweig des Arbeitgebers in der Konkurrenzklausel (nur) mit „Türsysteme und Übergänge für Schienenfahrzeuge“ definiert wird. Andere Bereiche, in denen die Klägerin nach den Feststellungen ebenfalls tätig ist, konkret Innenausstattungen für Schienenfahrzeuge, werden in der Klausel nicht genannt, obwohl –  wie das Erstgericht festgestellt hat  – die Klägerin dieses Geschäftsfeld auch bereits im Jahr 2012 bedient hat, als die Parteien den dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Arbeitsvertrag abgeschlossen haben. Der Interpretation der Klägerin, die die Konkurrenzklausel über ihren Wortlaut hinaus auf sämtliche ihrer Geschäftsfelder, also auch auf Innenausstattungen, erweitern will, weil diese erst später zu den Bereichen „Türsysteme und Übergänge für Schienenfahrzeuge“ hinzugekommen seien, ist schon aus diesem Grund der Boden entzogen. Damit ist von einer (ausdrücklichen) Einschränkung der dem Konkurrenzverbot unterliegenden Geschäftszweige auf „Türsysteme und Übergänge für Schienenfahrzeuge“ auszugehen.

Nicht gefolgt werden kann der Ansicht des Erstgerichts, der Beklagte habe durch sein Beschäftigungsverhältnis bei der S* GmbH gegen die Konkurrenzklausel verstoßen, nur weil feststeht, dass sowohl die alte als auch die neue Arbeitgeberin mit Türsystemen für Schienenfahrzeuge handeln und damit im selben Geschäftszweig tätig bzw Konkurrenzunternehmen sind (vgl auch 9 ObA 209/98w). Vielmehr ist nach dem klaren Wortlaut der Klausel –  wie der Beklagte auch wiederholt geltend gemacht hat  – auf die Tätigkeit des Beklagten bei der neuen Arbeitgeberin abzustellen („im Geschäftszweig … tätig zu werden“). Das heißt, im Hinblick auf den vom Beklagten erhobenen Einwand, er sei bei der S* GmbH gar nicht im Bereich „Türsysteme und Übergänge für Schienenfahrzeuge“ beschäftigt (gewesen), bedarf es hierzu entsprechender Feststellungen.

Dieses Verständnis der Klausel legt grundsätzlich auch das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde. Nicht beizutreten ist allerdings der Ansicht des Berufungsgerichts, aus der Feststellung, wonach der Kläger bei seiner neuen Arbeitgeberin im Bereich der Produktentwicklung tätig ist, folge, dass diese Tätigkeit auch Türlösungen für Schienenfahrzeuge umfasse. Ausgehend vom Vorbringen des Beklagten, er habe die Leitung für Produktentwicklung für den Bereich Innenausstattung übernommen, erweist sich diese Feststellung nämlich als unvollständig. Die Prozessbehauptung des Beklagten ist durch die getroffenen Feststellungen weder gedeckt noch widerlegt. Ob der Beklagte im in der Konkurrenzklausel konkret umschriebenen Geschäftszweig auch tatsächlich tätig war, lässt sich ihnen nicht entnehmen. Das gilt auch für die Feststellung, dass die S* GmbH die Zertifizierung des Beklagten als RAMS/LCC-Ingenieur verwenden kann. Auch dass sie es tut, steht (bislang) nicht fest. Das Erstgericht wird daher nach allfälliger Verfahrensergänzung Feststellungen nachzutragen haben, die eine Beurteilung erlauben, ob der Beklagte durch seine Tätigkeit gegen die Konkurrenzklausel verstoßen hat. Aus diesem Grund waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben.

3. Auf die Rüge des Beklagten, die Vorinstanzen hätten die Konventionalstrafe zu Unrecht nicht gemäßigt, muss in diesem Verfahrensstadium nicht eingegangen werden.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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