OGH 8Nc3/20p

OGH8Nc3/20p31.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. M*****, vertreten durch Dr. Michael Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17–19, wegen 27.500 EUR sA, über den Delegierungsantrag der beklagten Partei den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0080NC00003.20P.0131.000

 

Spruch:

Zur Verhandlung und Entscheidung in dieser Rechtssache wird anstelle des Arbeits- und Sozialgerichts Wien das Landesgericht Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht bestimmt.

 

Begründung:

Der Kläger ist als Vertragsbediensteter der Beklagten beschäftigt. Dienststelle des Klägers ist die Bildungsdirektion für Kärnten.

Mit seiner am Sitz der Dienstgeberin beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Zahlung von 27.500 EUR Schmerzengeld. Die massive Mobbingsituation an seinem Arbeitsplatz habe zu seelischen und körperlichen Schmerzen mit Krankheitsfolgen geführt. Zum Beweis seines Vorbringens beantragt er seine Parteieneinvernahme.

Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren und macht 13 Zeugen mit Wohnsitz jeweils in Kärnten namhaft.

Die Beklagte beantragt die Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht. Diese sei unter den Gesichtspunkten der Kostenverringerung und der Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten zweckmäßig, weil sämtliche einzuvernehmenden Zeugen – ebenso wie der Kläger – in Kärnten ihren Wohnsitz hätten. Darüber hinaus seien beim Landesgericht Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht bereits mehrere Parallelverfahren (nicht zuletzt zwei davon den Kläger betreffend) anhängig.

Der Kläger trat dem Delegierungsantrag unter Hinweis auf die Möglichkeit einer Videokonferenz entgegen. Zudem sei einer der von der Beklagten beantragten Zeugen in die Gerichtsdolmetscherliste für den Sprengel des Landesgerichts Klagenfurt eingetragen. Aufgrund dieser Tätigkeit sowie aufgrund freundschaftlicher Verbundenheit zu Richtern des Landesgerichts Klagenfurt sei eine massive Befangenheit zu befürchten.

Das Erstgericht befürwortete in seiner Stellungnahme den Delegierungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag der Beklagten ist berechtigt.

Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung darf nur den Ausnahmefall darstellen und soll nicht zu einer Durchbrechung der an sich maßgeblichen gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen. Gegen den Willen der anderen Partei kann die Delegierung daher nur dann ausgesprochen werden, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zugunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RIS‑Justiz RS0046589 ua). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verfahrensverkürzung, eine Kostenverringerung oder eine Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (RS0046333). Das ist hier der Fall.

Der Kläger und von der Beklagten namhaft gemachte Zeugen haben ihren Wohnsitz im Sprengel des Gerichts, das gemäß Antrag der Beklagten zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden soll (vgl RS0046540). Da die Einvernahme vor dem erkennenden Gericht jener im Weg der Videokonferenz dann vorzuziehen ist, wenn – wie hier – praktisch das gesamte Beweisverfahren auf diese Weise durchgeführt werden müsste (RS0046333 [T38]), spricht die Zweckmäßigkeit der Delegierung eindeutig zugunsten beider Parteien (so zu einem vergleichbar gelagerten Fall schon 9 Nc 48/19m). Zudem hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass (auch) die Konzentration von Parallelverfahren bei einem einzigen Gericht eine Delegierung begründen kann (8 Nc 39/03g mwN).

Der Umstand, dass – wie aus einem vom Kläger mit seiner Stellungnahme zum Delegierungsantrag vorgelegten Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 12. 12. 2019 hervorgeht – eine Richterin des Landesgerichts Klagenfurt wegen eines privaten Naheverhältnisses zu einem auch hier beantragten Zeugen als befangen gilt, steht einer Delegierung nicht entgegen, weil daraus nicht die Befangenheit sämtlicher Richter und Richterinnen des Landesgerichts Klagenfurt folgt.

Dem Antrag ist daher stattzugeben.

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