OGH 4Ob181/19z

OGH4Ob181/19z19.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj M* F*, geboren am *, wohnhaft bei ihrer Mutter B* F*, vertreten durch das Land Niederösterreich als Kinder- und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt *), wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 27. August 2019, GZ 23 R 330/19f‑15, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 9. Juli 2019, GZ 1 Pu 60/19f‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127449

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Das nunmehr 16‑jährige Kind lebt im Haushalt der Mutter; diese nimmt 50 % des Familienbonus Plus für ihre Tochter in Anspruch.

Der geldunterhaltspflichtige Vater (G* B*, geboren am *) war bisher aufgrund der vor dem Kinder- und Jugendhilfeträger abgeschlossenen Vereinbarung vom 26. 11. 2013 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 464 EUR verpflichtet. Er hat eine weitere Sorgepflicht für ein nunmehr dreijähriges Kind. Die einkommensbezogene Bemessungsgrundlage (inklusive anteiliger Sonderzahlungen, abzüglich des Kilometergeldes und der Hälfte der Taggelder) beträgt seit 1. 11. 2018 monatlich 2.856,74 EUR. Den Familienbonus Plus nimmt der Vater derzeit nicht in Anspruch.

Das Rechtsmittelverfahren (über den Revisionsrekurs des Kindes) betrifft nur die Unterhaltsbeiträge des Vaters ab 1. 1. 2019. Dazu begehrte das Kind, die Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab dem genannten Zeitpunkt auf monatlich 620 EUR zu erhöhen. Zum monatlichen Arbeitseinkommen des Vaters sei der halbe Familienbonus Plus für zwei Kinder in Höhe von jeweils monatlich 62,50 EUR hinzuzurechnen; dies ergebe eine Bemessungsgrundlage von 2.993,93 EUR.

Der Vater anerkannte für die Zeit ab 1. 1. 2019 eine Erhöhung des monatlichen Unterhaltsbeitrags auf 595 EUR. Einer weiteren Erhöhung der Unterhaltsleistung widersprach er mit dem Argument, dass er derzeit keinen Familienbonus Plus in Anspruch nehme.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater, zusätzlich zu der ihm bisher auferlegten Unterhaltsleistung von monatlich 464 EUR ab 1. 1. 2019 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes, einen weiteren monatlichen Unterhaltsbeitrag von 131 EUR, insgesamt daher monatlich 595 EUR zu leisten; das Mehrbegehren von monatlich 25 EUR wies es ab. Das anrechenbare Einkommen des Vaters betrage 2.856,74 EUR. Ab 1. 1. 2019 komme der halbe Familienbonus Plus (aber nur) für ein Kind hinzu, sodass sich die Bemessungsgrundlage mit 2.919,24 EUR errechne. Der Familienbonus Plus sei ein Steuerabsetzbetrag und erhöhe das Einkommen; er sei aber nur für das jeweils unterhaltsfordernde Kind zu berücksichtigen. Gleichzeitig sei der Unterhalt durch die Anrechnung von Transferleistungen zu kürzen. Davon ausgehend sei der Vater im Ergebnis zu dem von ihm anerkannten Unterhaltsbeitrag zu verpflichten.

Das Rekursgericht bestätigte (über Rekurs des Kindes) diese Entscheidung. Das Rekursgericht vertritt die Ansicht, dass der Familienbonus Plus zu einer Erhöhung des Nettoeinkommens führe. Die dadurch bewirkte Unterhaltserhöhung dürfe aber nicht mehr ausmachen als der Familienbonus Plus selbst. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei der Familienbonus Plus für alle Kinder zu berücksichtigen. Im Anlassfall könne dem Rekurs des Kindes aber nicht Folge gegeben werden, weil der Vater den Familienbonus Plus derzeit nicht in Anspruch nehme. Nach Ansicht des Rekursgerichts sei eine Anspannung auf den tatsächlich nicht bezogenen Familienbonus Plus nicht möglich. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Einführung des Familienbonus Plus zu einer neuen Rechtslage geführt habe, zu der noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Kindes, der für die Zeit ab 1. 1. 2019 auf eine Erhöhung des monatlichen Unterhaltsbeitrags um weitere 25 EUR, insgesamt somit auf monatlich 620 EUR abzielt.

Mit seiner Revisionsrekursbeantwortung beantragt der Vater, das Rechtsmittel des Kindes zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Senat hat sich mit der Frage, wie sich der durch das Jahressteuergesetz 2018, BGBl I 2018/62, neu eingeführte und erstmals für das Kalenderjahr 2019 zustehende Familienbonus Plus auf die Bemessung des Kindesunterhalts auswirkt, in der Entscheidung zu 4 Ob 150/19s vom 11. 12. 2019 eingehend auseinandergesetzt. Dabei gelangte der Oberste Gerichtshof zusammengefasst zu folgendem Ergebnis:

„Beim Familienbonus Plus handelt es sich – so wie beim Unterhaltsabsetzbetrag – um einen echten Steuerabsetzbetrag. Der Gesetzgeber hat den Familienbonus Plus mit der Zielsetzung eingeführt, die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen nunmehr durch die erwähnten steuerlichen Maßnahmen herbeizuführen. Dadurch findet eine Entkoppelung von Unterhalts- und Steuerrecht statt. Die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen erfolgt nunmehr durch den Familienbonus Plus und den Unterhaltsabsetzbetrag. Der Familienbonus Plus ist nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen; eine Anrechnung von Transferleistungen findet nicht mehr statt. Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag bleiben damit unterhaltsrechtlich neutral.“

2. Das Erstgericht hat den Unterhaltsbeitrag des Vaters in Wirklichkeit anhand der einkommensbezogenen Bemessungsgrundlage ohne Familienbonus Plus (21 % von 2.856,74 EUR) bemessen. Das Rekursgericht hat dem Rekurs des Kindes nicht Folge gegeben und dazu die Ansicht vertreten, dass der Familienbonus Plus im Anlassfall nicht berücksichtigt werden dürfe. Im Ergebnis haben die Vorinstanzen den Familienbonus Plus bei der Unterhaltsbemessung demnach unberücksichtigt gelassen und damit im Sinn der Judikatur des Obersten Gerichtshofs entschieden. Aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Klärung der Rechtslage stellen sich die vom Rekursgericht und vom Kind in seinem Revisionsrekurs als erheblich bezeichneten Rechtsfragen im maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nicht mehr (vgl RIS‑Justiz RS0112921).

Der Revisionsrekurs des Kindes war daher zurückzuweisen.

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